Stadt- & Quartiersentwicklung

Elektroautos und Pedelecs: neues Geschäftsfeld? – Teil 2

Bei Untersuchungen zur Elektromobilität liegt der Schwerpunkt meist auf Antriebstechnik und Speichertechnologie. Das Bremer Energie Institut untersuchte den Zusammenhang zwischen Elektromobilität und Wohnungswirtschaft. Das BBB veröffentlicht die Studie in zwei Teilen. Teil 1 befasste sich mit den strukturellen Anforderungen und erschien in Ausgabe 6/2013.

Wohnungsunternehmen haben große Erfahrung in der Abrechnung von Betriebskosten und werden für jede Phase der Ausbreitung der Elektromobilität die für ihre Situation günstigste Variante umsetzen. Die Notwendigkeit einer individuellen Abrechnung im Bereich Elektro-PKW lässt sich aus den monatlichen Stromkosten zwischen 25  und 70 € ableiten, die ein Elektro-PKW bei einer täglichen Fahrtstrecke zwischen 20 und 30 km verursacht.

Strom-Abrechnung

Solange es jedoch nur einen oder zwei Nutzer für einen Ladepunkt gibt, wird man wahrscheinlich mit einfachen Schätzverfahren oder mit Zwischenzählern auskommen. Spätestens wenn jedoch externe Dritte ihr E-Mobil an dem im/am Gebäude vorhandenen Ladepunkt aufladen wollen, stellt sich allerdings die Frage nach der Einrichtung eines leistungsfähigeren Abrechnungssystems. Solche Systeme werden derzeit an vielen Stellen in Deutschland entwickelt und erprobt. Nach Einschätzung der Autoren sollten sie so funktionieren, dass die Wohnungswirtschaft nur an der Installation, aber nicht mehr an dem laufenden Prozess der Abrechnung beteiligt ist. Das bedeutet, dass ein „Energie-Dienstleister“ im Gebäude oder auf dem Gelände den Ladestrom anbietet und mit jedem einzelnen Kunden abrechnet.

Angesichts der derzeit eher zögerlichen Entwicklung der Elektromobilität steht die Wohnungswirtschaft nicht unter dem Handlungsdruck, in allen Neubauten modernste Ladetechnik einzubauen. Vielmehr kann man in Ruhe die weitere Entwicklung der Ladetechnologie und der Kommunikationsverfahren abwarten oder besser noch durch die Beteiligung an einigen Modell- und Pilotprojekten den Entwicklungsprozess beeinflussen. Dadurch könnte die Wohnungswirtschaft wichtige eigene Erfahrungen sammeln. Das gilt auch für die Sonderaspekte der Datensicherheit sowie der Diskriminierungsfreiheit beim Betrieb von Ladestationen in den Gebäuden oder auf den Grundstücken der Wohnungswirtschaft.

Finanzielle Dimension der Elektro­mobilität für die Wohnungswirtschaft

Um einen Eindruck davon zu gewinnen, welche Investitions- und Betriebskosten bei der Umsetzung der Elektromobilitätspläne der Bundesregierung auf die Wohnungswirtschaft zukommen, wurden zunächst die spezifischen Investitionsbeträge sowie die jährlichen Kapital- und Betriebskosten für ein Wohngebäude mit zwölf Wohnungen und einer „Belegung“ mit einem Elektro-PKW sowie mit zwei Pedelecs ermittelt. Tabelle 2 zeigt die Spannbreite der Beträge je Elektro-PKW bzw. je Pedelec zwischen günstigen und ungünstigen örtlichen Bedingungen im Gebäude. So fallen für einen Elektro-PKW bei einer einfachen Ladevariante jährlich zusätzliche Kosten von ca. 300 € an. Wenn zunächst ein neues 25 m langes Kabel verlegt und eine „Wallbox“ installiert werden muss, sind es jährlich ca. 400 € mehr (jeweils ohne Ladestrom). Die jeweiligen Investitionsbeträge samt Planungs- und Verwaltungsaufwand liegen einmal bei ca. 1900 € (diese sind jedoch zu 85 % durch einmaligen Planungs- und Organisationsaufwand bedingt [1] und nur wenig durch die zu setzende geeignete Steckdose) und das andere Mal bei ca. 5400 €. Für die Einrichtung eines sicheren Abstellplatzes für ein Pedelec liegt der Investitionsbetrag zwischen 300 und 1600 € und die jährlichen Kosten variieren zwischen 20 und 185 €.

Wenn die Wohnungswirtschaft entsprechend des Ausbauziels der Bundesregierung bis 2020 Stellplätze für 200.000 Elektro-PKW mit Ladeinfrastruktur ausstattet, lässt sich daraus ein Investitionsbedarf zwischen 380 Mio. Euro und 1,08 Mrd. € ableiten. Gleichzeitig müssten auch in ca. 1,4 Mio. Gebäuden sichere Abstellplätze für Pedelecs geschaffen und ggf. Transportschienen eingebaut werden. Dafür wird der Investitionsbedarf im Bereich der Wohnungswirtschaft zwischen ca. 440 Mio. und ca. 835 Mio. € liegen.

Diese Investitionen müssen entweder aus Eigenkapital, aus Fördergeldern oder aus zusätzlichen Erlösen finanziert werden. Dazu könnte man z.B. die Stellplatzmiete für einen PKW-Stellplatz mit Ladeinfrastruktur um 25 bis etwa 60 € pro Monat erhöhen und für die Nutzung einer Pedelec-Box 15 € pro Monat verlangen. Ob diesen Kosten auf Seiten der Mieter eine entsprechende Zahlungsbereitschaft gegenübersteht, bleibt noch zu klären.

Die Wohnungswirtschaft könnte aber auch versuchen, Energieversorgungsunternehmen für eine – zumindest teilweise – Finanzierung der Ladepunkte zu gewinnen, z.B. indem sie die Ladepunkte auch zur öffentlichen Nutzung anbietet. Andererseits kann man die Energiewende im Verkehr als ein gesamtgesellschaftliches Projekt ansehen, von dem alle profitieren. Dann ist es gerechtfertigt, wenn zumindest ein Teil der bei der Wohnungswirtschaft anfallenden Investitionskosten durch öffentliche Zuschüsse oder verbilligte Darlehen abgedeckt wird.

Interessen der Wohnungswirtschaft

Für die Wohnungswirtschaft gibt es mindestens zwei gute Gründe, den Ausbau der Elektromobilität durch eigene Investitionen in die Ladeinfrastruktur und in sichere Abstellanlagen zu unterstützen:

– Wegen der höheren Kosten von Elektro-PKW und Pedelecs werden sich zunächst die einkommensstärkeren Mieter bzw. Wohnungseigentümer für Elektromo­bilität interessieren. Will man diese Kundengruppe im Wohnungsbestand halten oder für eigene Wohnungsangebote interessieren, dann muss man ihren Ansprüchen mit einem attraktiven Angebot begegnen.

– Langfristig führt die Ausbreitung der Elektromobilität zu einer Vermeidung von Verkehrslärm und Emissionen und zu einer Aufwertung vieler Wohnquartiere. So könnten langfristig auch Wohnungen wieder besser vermietbar sein, die an verkehrsreichen innerstädtischen Straßen liegen. Damit wäre eine Wertsteigerung des Wohnungsbestands der Wohnungswirtschaft verbunden.

Allerdings wird es – zumindest bezüglich des zweiten Effekts – einen spürbaren zeitlichen Abstand zwischen den notwendigen Investitionen der Wohnungswirtschaft und den positiven Auswirkungen geben.

Die wichtigsten Voraussetzungen, damit die Chancen genutzt werden können, die Elektromobilität durch die Einbeziehung der Wohnungswirtschaft voranzubringen, werden in Folgenden gesehen:

– Finanzierbarkeit/Finanzierung derjenigen Lade-Infrastruktur, die dem Einfluss der Wohnungswirtschaft unterliegt: Besondere Stellplätze, Lade-Systeme, Abrechnungssysteme. Der zusätzliche Investitionsbetrag, der sich bis 2020 allein im Segment Elektro-PKW auf 380 Mio. bis 1,08 Mrd. € belaufen kann, bedarf der deutlichen staatlichen Förderung, wobei hier Zuschüsse favorisiert werden. Für die Schaffung sicherer Abstellanlagen für Pedelecs gilt dasselbe – hier wird ein Investitionsbedarf zwischen 440 und 835 Mio. € kalkuliert.

– Die Lade-Infrastruktur darf den Wohnungsunternehmen so gut wie keine laufenden Kosten verursachen (vandalismussicher, wartungsarm, keine Zuständigkeit für Störungen, …)

– Rechtlich einfache Lösungen für die Stromerzeugung in/an eigenen Gebäuden und Lieferung an eigene Mieter und Nutzer sowie – zur Verbesserung der Auslastung der Lade-Infrastruktur – auch an Dritte. Dazu gehört die steuerliche Unschädlichkeit von Einnahmen aus dem Betrieb der erneuerbaren Energieanlagen, insbesondere für Vermietungsgenossenschaften.

– Offenheit für Weiterentwicklungen: Es ist denkbar, dass in 10, 20 oder 30 Jahren Elektrofahrzeuge und Gebäude stärker zusammenarbeiten (müssen). Auf Dächern, an Fassaden und in den Heizungskellern wird ein Teil des Stroms erzeugt, der für die verschiedenen Stromnutzungen gebraucht wird, darunter für die Elektromobilität. Umgekehrt könnten parkende Autos zu Zeiten einer starken Stromnachfrage in ihren Batterien gespeicherten Strom über die gebäudebezogenen Netzanschlusspunkte Strom zur Verfügung stellen.

Die Wohnungswirtschaft hat aber nicht nur Interessen, sondern sie hat auch etwas zu bieten. Viele Wohnungsunternehmen verfügen über innenstadtnahe Flächen bzw. Parkgebäude, die – anders als Flächen im öffentlichen Straßenraum – ohne größere rechtliche und organisatorische Probleme für den Aufbau einer Lade-Infrastruktur genutzt werden könnten. Eine diesbezügliche Kooperation mit der Politik bzw. den Kommunen könnte im Interesse aller Beteiligten sein.

Ferner verfügen die Wohnungsunternehmen über Gebäude mit großen Dach- und Fassadenflächen sowie über Gebäude mit großem Wärme- und Strombedarf. Solche Gebäude sind prädestiniert für kostengünstige mittelgroße Photovoltaik-Anlagen sowie kleine bis mittlere dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Beides wird gebraucht, um in Zukunft den Strombedarf dezentral unter Vermeidung von teuren Höchstspannungsleitungen zu decken – auch den Strombedarf der Elektromobilität.

Resümee

In den nächsten Jahren wird die Zahl der Pedelecs Jahr für Jahr um mehrere Hunderttausend steigen und für viele Menschen einen konkreten Einstieg in die Elektromobilität bieten, während sich die Zahl der privat genutzten Elektro-PKW eher langsam entwickeln wird. Der Bestand an Elektro-PKW im Besitz von Mietern wird bis 2020 voraussichtlich so niedrig liegen, dass es sich für die Wohnungswirtschaft anbietet, für ihre Versorgung Ladepunkte nicht auf einzelne Gebäude, sondern auf Quartiere auszurichten. Für das Jahr 2030 wird dagegen eine so starke Verbreitung der Elektromobilität erwartet, dass die Wohnungswirtschaft zumindest für alle Gebäude mit 12 oder mehr Wohnungen einen Ladepunkt für Elektro-PKW anbieten sollte. Für den Aufbau der Ladeinfrastruktur in den Wohnquartieren bietet es sich an, dass die Wohnungswirtschaft mit anderen Unternehmen, insbesondere der Energiewirtschaft, und mit der Politik bzw. der kommunalen Verwaltung kooperiert.

Solange die Wohnungsunternehmen nur eigene Mieter mit Ladepunkten versorgen, kann einfache Technik eingesetzt werden, um die Investitionskosten niedrig zu halten. Bezüglich Ladesäulen mit ausgefeilter Kommunikationstechnologie, wie sie derzeit im Rahmen verschiedener, öffentlich geförderter Forschungsprojekte entwickelt werden, kann sich die Wohnungswirtschaft zunächst abwartend verhalten. Bei der Entwicklung geeigneter Organisations- und Geschäftsmodelle für die Beladung der Elektro-PKW-Batterien sowie für die Verknüpfung von Eigenstromerzeugung und Beladung bietet sich dagegen eine Mitwirkung der Wohnungswirtschaft an.

Im Bereich der Pedelecs liegt aktuell schon eine weite Verbreitung vor. Bis 2020 wird voraussichtlich mindestens ein Mieter jedes Wohngebäudes mit sechs oder mehr Wohnungen ein Pedelec haben. Diese hochwertigen Fahrräder brauchen sichere Abstellanlagen und Verwahrmöglichkeiten und wegen ihres hohen Gewichts müssen Transporthilfen zur Überwindung von Treppen, wie z.B. Rampen oder Fahrradschienen installiert werden. Um die Beladung der Akkus muss sich die Wohnungswirtschaft dagegen nicht kümmern, weil diese in der Regel leicht entnommen und in der Wohnung an normalen Haushaltssteckdosen aufgeladen werden können.

Die Ladeinfrastruktur für Elektro-PKW sowie der Bau von sicheren Abstellanlagen für Pedelecs werden in den nächsten Jahren hohe Investitionskosten verursachen, für die die Wohnungswirtschaft nur teilweise zusätzliche Erlöse erwarten kann. Deswegen braucht die Wohnungswirtschaft Zugang zu öffentlichen Fördermitteln. Auf der anderen Seite kann die Wohnungswirtschaft mit ihren mehr als 10 Mio. Stellplätzen, auf denen halböffentliche Ladepunkte wesentlich einfacher und schneller eingerichtet werden können als im öffentlichen Straßenraum, einen grundlegenden Beitrag zum Ausbau der Ladeinfrastruktur leisten. Durch eine Kooperation zwischen Wohnungswirtschaft, Kommunen und Politik kann hier ein Grundpfeiler für die Energiewende im Verkehr geschaffen werden.

Langfristig wird der Ausbau der Elektromobilität die Lärm- und Abgasbelastung in den (inner-)städtischen Wohnquartieren verringern und so zu einer Erhöhung der Lebensqualität und einer Wertsteigerung der Immobilien beitragen. Wohnungsunternehmen, die als Vorreiter spezielle Angebote für E-Mobil-Nutzer und Pedelec-Fahrer schaffen, können damit umweltbewusste und überdurchschnittlich zahlungskräftige Kundengruppen bedienen.

Die Bereitstellung einer eigenen Stromerzeugung ist eher eine ­Zusatzleistung. Auf halböffentlichen Parkplätzen können Ladepunkte einfacher und schneller eingerichtet werden können als im öffentlichen Straßenraum.

… die Ausbreitung der Elektromobilität durch den Aufbau der technischen Infrastruktur fördern.

Angebote für E-Mobil-Nutzer und Pedelec-Fahrer steigern den Wert der Immobilie.

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