Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität:
Die Vision vom grünen Wohnen wird Wirklichkeit

Zur Umsetzung der Energie- und Klimaziele der Bundesregierung erforscht das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) seit 2011 die Bereitstellung einer neuen Gebäudekategorie, die mehr Energie erzeugt als sie selbst verbraucht, einschließlich der Koppelung derartiger Gebäude mit der Elektromobilität. Es gilt die Einsparpotentiale der zwei Bereiche Bau und Verkehr, die für 70% des Gesamtenergieverbrauches und für große CO2-Emissionen verantwortlich sind, zu aktivieren.

Das BMVBS hat dabei ein eigenes Demonstrationsobjekt errichtet: das „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ in Berlin. Es vereint erstmalig den immobilen und mobilen Bereich und ist Forschungs-, Informations- und Wohngebäude gleichermaßen. Anschaulich wirbt das Modellvorhaben für nachhaltiges, energieeffizientes Bauen der Zukunft und stimmt auf neue Lebensverhältnisse ein. Das BMVBS-Projekt ist dabei Teil eines größeren Netzwerkes, das durch ein Modell-Förderprogramm des BMVBS entstanden ist. Mit den Gebäuden im Netzwerk soll die Alltagstauglichkeit von klimaneutralen Gebäuden gezeigt werden.

Die Marke Effizienzhaus Plus

Voraussetzung für das Förderprogramm des BMVBS ist eine klare Definition des Begriffes „Effizienzhauses Plus“. Auf der Grundlage von Untersuchungen des Fraunhofer Instituts für Bauphysik (IBP) wurde die bestehende BMVBS/KfW-Marke „Effizienzhaus“, zur Marke „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ weiterentwickelt. Die gefundene Definition wird in einer BMVBS-Informationsbroschüre „Wege zum Effizienzhaus Plus“ wie folgt beschrieben: „Das Effizienzhaus-Plus-Niveau ist erreicht, wenn sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf (∑Qp < 0 kWh/m²a) als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf (∑Qe< 0 kWh/m²a) vorliegen. Alle sonstigen Bedingungen der Energieeinsparverordnung 2009 (EnEV 2009) sind einzuhalten.“ Allein die Primärenergiefaktoren für den nicht erneuerbaren Anteil sind abweichend von der EnEV 2009 nach der neuen DIN V 18599 mit Stand Dezember 2011 zu verwenden. Diese DIN soll auch in der EnEV 2013 in Bezug genommen werden. Der netzeingespeiste Strom ist analog dem Verdrängungsstrommix zu bewerten.

Wie für die EnEV ist für die Nachweisführung der mittlere Standort anzusetzen. Allerdings müssen in Ergänzung zur Nachweisprozedur der EnEV die End- und Primärenergiebedarfs-werte für die Wohnungsbeleuchtung und für die Haushaltsgeräte und –prozesse in der Berechnung mitberücksichtigt werden. Dabei ist ein pauschaler Wert von 20 kWh/m²a aufgeteilt in 3 kWh/m²a für Beleuchtung, 10 kWh/m²a für Haushaltsgeräte, 3 kWh/m²a für Kochen und 4 kWh/m²a für Sonstiges anzunehmen, der  jedoch maximal 2500 kWh/a je Wohneinheit beträgt.

Diese Einbeziehung von Haushaltsstrom und Beleuchtung in die Bilanzierung erfolgt nur für die Belange der Forschung und Förderung. Die Simulation und die praktische Umsetzung derartiger Gebäude zeigen, dass der Energieanteil für Licht und Haushaltsstrom in der gleichen Größenordnung liegt wie der Anteil für die Heizung. Um für die Effizienzhäuser Plus ein reales Plus zu erzielen, müssen diese nicht zum Bilanzbereich der EnEV 2009 gehörenden Bereiche, Licht und Haushaltsstrom, mitbilanziert werden. Ziel ist es, auf die Verwendung effizienter Licht- und Haushaltsgerätetechnik hinzuwirken. Aus diesem Grund wird die pauschale Annahme eines Wertes mit einer Anforderung für die Förderung gekoppelt: „Das zu fördernde Haus ist durchgängig mit Geräten des höchsten Energieeffizienzlabels, in der Regel Label A++ oder besser nach der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung und intelligenten Zählern auszustatten.“ Auch die Bilanzgrenze war Gegenstand der Diskussionen. Die Gewinnung erneuerbarer Energien sollte „gebäudenah“ beispielsweise auf einem Carport ermöglicht werden. Somit wurde das Grundstück, auf dem das Haus errichtet wird, als Bilanzgrenze angegeben. Diese grundbuchamtliche dem Gebäude zuzuordnende Gemarkungsgrenze erweitert den Bilanzraum der EnEV 2009.

Bei einer derartigen Bilanzierungsmethode erzeugt das „Effizienzhaus Plus“ sein „Plus“ über eine positive Jahresbilanz. Es ist nicht autark. Da beim Einsatz erneuerbarer Energien Energieüberschüsse und -bedarfe zu unterschiedlichen Zeiten anfallen, ist ein Ausgleich über das Netz oder Speicher zu schaffen. Allen Beteiligten an der Erforschung einer derartigen Gebäudegeneration ist daran gelegen, den selbst genutzten Anteil an der erzeugten erneuerbaren Energie möglichst hoch zu halten. Deshalb ist ergänzend zu dem Einzahlkennwert „Jahres-Primärenergiebedarf und Jahres-Endenergiebedarf“ das Verhältnis von selbstgenutzter zu generierter erneuerbarer Energie innerhalb der Bilanzgrenze auszuweisen. Das soll insbesondere auch den Einsatz von Speichertechnologien fördern.

Öffentlichkeitsphase

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und  Bauminister Dr. Peter Ramsauer eröffneten das Modellvorhaben an der Fasanenstraße 87a am 7. Dezember 2011. In den ersten drei Monaten stand das Gebäude der Öffentlichkeit offen. Rund 10000 Interessierte informierten sich über nachhaltiges, energieeffizientes Bauen der Zukunft. Die Publikums- und Medienresonanz war durchgehend positiv. Vor allem in einem waren sich die Besucher einig: Das Konzept und die Technik des Hauses werden den Anforderungen der Zukunft gerecht.

Testphase

Seit dem 4. März 2012 läuft die zweite 15 Monate dauernde Nutzungsphase des Modellvorhabens als Wohngebäude für eine vierköpfige „Testfamilie“. Mit ihrem Einzug und der Bereitstellung von Elektrofahrzeugen wird das Modellvorhaben seinem Realtest unterzogen.

Eine erste Bilanz des energetischen Monitorings des Hauses in dieser Zeit ergibt, dass das Haus nahezu doppelt so viel Strom produziert als es benötigt. Damit liegt es deutlich im Plus trotz wetterbedingt 25% geringeren Sonnenstunden im Sommer 2012. Die real gemessenen Werte der Energieeinträge und der Energieverbräuche entsprechen damit den prognostizierten Werten.

Auch das Herzstück des Energiemanagementsystems, die Hausbatterie mit einer nutzbaren Kapazität von 40 KWh, zusammengebaut aus ca. 7250 Lithium-Ionen-Zellen gebrauchter Automobilbatterien der Mini-E-Serie der Firma BMW, bewährt sich. Sie bewältigt ihre Aufgabe der Zwischenspeicherung des von der Photovoltaik erzeugten Stromes zur Entlastung des öffentlichen Stromnetzes. Werte von 60% Eigennutzungsanteil des am Haus erzeugten Stromes sind hervorragend. Auch die „Testfamilie“ wird sozialwissenschaftlich betreut. Hier sollen Erkenntnisse hinsichtlich der Schnittstellen zwischen Mensch und innovativer Technik, der Akzeptanz und Anwendung neuer Technologien, der Nutzung intelligenter Netze zur Bedienung des Gebäudes und der Elektromobilität erlangt werden.

Ausblick

Das Modellvorhaben „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ steht für den Beginn des Aufbaus eines bundesweiten Netzwerkes von Wohngebäuden im Effizienzhaus Plus Standard im Neu- und ab 2013 auch erstmalig im Altbau. Über 30 Vorhaben werden wissenschaftlich begleitet. Bisher einmalig in Europa befinden sich innerhalb dieses Netzwerkes auch Modellvorhaben von Mehrfamilienhäusern mit über 70 Wohneinheiten. Die aus der Praxis gewonnenen Erkenntnisse sollen bei der Förderung der breiten Markteinführung dieses Gebäudetypus helfen.

Weitere Infos zum Projekt, zu aktuellen Energiedaten und den Erfahrungen, die die Familie gemacht hat, gibt es unter www.bmvbs.de             

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