Bauplanungsrecht; Innenbereich; Einfügen; Zahl der Geschosse

Zur Frage, ob sich die Frage des Einfügens eines Bauvorhabens nach § 34 BauGB hinsichtlich der Zahl der Geschosse nach den objektiv vorhandenen und
geplanten Geschossen einschließlich den Nicht-Vollgeschossen beurteilt oder auch danach, ob diese Geschosse für Betrachter wie Wohn- oder Vollgeschosse
wirken
BVerwG, Beschl. vom 27. Juli 2011 - BVerwG 4 B 4.11 -

Aus den Gründen:

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) und des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Divergenz) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Grundsätzliche Bedeutung misst die Beschwerde folgender Frage bei:

Beurteilt sich die Frage des Einfügens eines Bauvorhabens nach § 34 BauGB hinsichtlich der Zahl der Geschosse nach den objektiv vorhandenen und geplanten Geschossen einschließlich den Nicht-Vollgeschossen oder auch danach, ob diese Geschosse für Betrachter wie Wohn- oder Vollgeschosse wirken?

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie lässt sich auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte im Sinne des Oberverwaltungsgerichts beantworten.

Zu Unrecht hält die Beschwerde bei der für das Oberverwaltungsgericht entscheidungserheblichen Beurteilung, ob sich ein Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, das Kriterium „Geschoss“ (in Abgrenzung zum „Vollgeschoss“) für maßgeblich. Die Frage des „Einfügens“ eines Vorhabens ist zunächst anhand der konkreten Verhältnisse der umgebenden Bebauung zu beantworten. Da der aus
der vorhandenen Bebauung zu gewinnende Maßstab notwendig grob und ungenau ist, kann nach ständiger Rechtsprechung auf die in der Baunutzungsverordnung enthaltenen Maßkriterien als Auslegungshilfe zurückgegriffen werden (vgl. etwa Urteil vom 23. März 1994   BVerwG 4 C 18.92   BVerwGE 95, 277 <278>). Wie sich aus § 16 Abs. 2  Nr. 3 sowie § 20 Abs. 1 BauNVO ergibt, kommt insoweit aber nur dem Merkmal des „Vollgeschosses“ rechtliche Bedeutung zu. Deswegen
hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend hierauf und nicht auf das auch Nicht-Vollgeschosse einbeziehende Merkmal des „Geschosses“ abgestellt.

Auf dieser Grundlage ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht nicht die objektive Zahl der (Voll-)Geschosse als maßgeblich angesehen hat, sondern seiner Entscheidung   bewertend   das äußere Erscheinungsbild für den Betrachter zugrunde gelegt hat. Die Beschwerde missversteht mit ihrer Kritik die höchstrichterlichen Vorgaben, wenn sie zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung darauf verweist, der Senat stelle in seiner Rechtsprechung (Urteil vom 23. März 1994 a.a.O. S. 279) auf die „(absolute) Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe“ ab. Mit dieser Formulierung hat der Senat die vorzugswürdigen Maßkriterien der Baunutzungsverordnung von den für die Beurteilung des „Einfügens“ nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB weniger geeigneten (relativen) Kriterien (wie Grundflächen- und Geschossflächenzahl) abgegrenzt (vgl. auch Beschluss vom 21. Juni 2007   BVerwG 4 B 8.07  BRS 71 Nr. 83 S. 385 m.w.N.), nicht jedoch eine Aussage zu der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage getroffen. Hierzu hat der Senat vielmehr ausdrücklich entschieden, dass es auch für das „Einfügen“ im Hinblick auf die Anzahl der Vollgeschosse auf die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung ankommt (Beschluss vom 21. Juni 1996   BVerwG 4 B 84.96   Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 180 S. 40).
Nicht wahrnehmbare Vollgeschosse können das Bild der maßgeblichen Umgebung nicht prägen. Davon ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

2. Die Divergenzrüge führt schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision, weil die Beschwerde sie nur für den   nicht gegebenen   Fall erhoben hat, dass die unter 1. abgehandelte Grundsatzfrage im Sinne der ersten Alternative zu beantworten wäre. Abgesehen davon erfüllt diese Rüge nicht die
Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines solchen Zulassungsgrundes stellt (vgl. dazu Beschluss vom 19. August 1997   BVerwG 7 B 261.97   Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.


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