Auf das Verhalten der Mieter kommt es an

In wärmegedämmten Gebäuden wird mehr Energie verschwendet als in ungedämmten.

Klimaschutz und steigende Heizkosten sorgen dafür, dass bei Wohngebäuden Energieeffizienz das Gebot der Stunde ist. Die aufwendige energetische Modernisierung reicht allerdings nicht aus, um Kosten und CO2 einzusparen. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Technischen Universität Dresden.

Folgt man der öffentlichen Diskussion in Deutschland, so gewinnt man leicht den Eindruck, dass der Stromverbrauch die größte aller Herausforderungen im Energiebereich ist. Jedoch werden nach Erhebungen des Bundeswirtschaftsministeriums im Wohnbereich 87 % der Energie für das Erzeugen von Raumwärme und Warmwasser verwendet. Nur 13 % des gesamten Energieverbrauchs in den Haushalten entfallen auf elektrischen Strom. Hinzu kommt, dass hierzulande rund 30 % des Gesamtenergieverbrauchs für das Wohnen verwendet wird. Entsprechend wichtig ist der Wohngebäudebereich für die deutschen Einspar- und Klimaziele.

Deutschland will bis zum Jahr 2020 rund 40 % weniger Treibhausgas freisetzen, als 1990. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die energetischen Anforderungen an Wohngebäude in der Energieeinsparverordnung (EnEV) stufenweise erhöht. Allerdings verbrauchen energetisch optimierte Wohngebäude häufig viel mehr Wärmeenergie, als nach den Vorgaben der EnEV berechnet wurde. Dies gilt sowohl für sanierte Altbauten, als auch für Niedrig- und Niedrigstenergiehäuser. Lange Zeit machte man für dieses Phänomen vor allem Baumängel wie Wärmebrücken verantwortlich.

Jetzt zeigt eine Studie von Prof. Dr. Clemens Felsmann, dass in energetisch optimierten Gebäuden das Nutzerverhalten ein entscheidender Grund für den erhöhten Verbrauch ist. Der renommierte Professor am Institut für Energietechnik der Technischen Universität Dresden weist nach, dass es nicht genügt, bei Alt- und Neubauten die Gebäudehülle und den Anlagenbetrieb zu optimieren, einen besonderen Einfluss auf den Energieverbrauch hat das Nutzerverhalten. Durch die verbrauchsabhängige Abrechnung wird der sparsame Umgang mit Energie besonders gefördert. Der Wissenschaftler hat mit bislang unerreichter Datenfülle die „Auswirkungen der verbrauchsabhängigen Abrechnung in Abhängigkeit von der energetischen Gebäudequalität“ untersucht. Die Technische Universität Dresden hat auf diesem Sektor spezielle Kompetenzen, weshalb sie häufig von der Bundesregierung mit Gutachten beauftragt wird.

Geringste CO2-Vermeidungskosten

In wärmegedämmten Gebäuden verschwenden die Nutzer also deutlich mehr Energie als in ungedämmten. Felsmann hat ermittelt, dass seit Einführung der Abrechnungspflicht im Jahr 1981 rund 350 Mio. t Kohlendioxid (CO2) eingespart wurden. Die Studie hat ein für Fachleute nicht überraschendes Ergebnis bestätigt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Effizienzmaßnahmen zur CO2-Vermeidung spart die verbrauchsabhängige Abrechnung knapp 200 € je t vermiedenes CO2. „Keine im Ansatz vergleichbare Maßnahme weist derart geringe Vermeidungskosten auf wie die verbrauchsabhängige Abrechnung“, kommentiert Felsmann. Die Heizkostenabrechnungen seien in ihrer CO2-Vermeidungswirkung sogar vergleichbar mit der Sanierung aller unsanierten Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland.

Nutzerverhalten konterkariert Wärmedämmung

Die Deutsche Energieagentur hat im Jahr 2010 die Kostendaten von etwa 230 geförderten Sanierungsprojekten analysiert. Durchschnittlich lagen die Kosten für die Dämmung eines Altbaus mit 15 cm dicken Polystyrol-Platten bei 123 € je m2 Fassadenfläche. Bei Flächen von mehreren hundert Quadratmetern wird das teuer.

Die Studie im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Heiz- und Warmwasserkostenverteilung zeigt, dass in alten Mehrfamilienhäusern die Temperaturen in zwei Dritteln der Räume deutlich unter dem in der EnEV festgelegten Sollwert von 20 °C liegen. Das liegt unter anderem daran, dass die Bewohner ihre Räume der Nutzung entsprechend unterschiedlich stark beheizen. Während im Wohnzimmer zum Beispiel 20 °C herrschen, wird das Schlafzimmer nur mit 16 °C temperiert. Außerdem passen die Bewohner von Altbauten in der Heizperiode ihre Kleidung an. Wenn es kälter wird, greifen sie zum Pullover. Im gleichmäßig temperierten Neubau findet dies nicht statt. Diese Verhaltensweisen sorgen dafür, dass die mittlere Wohnungstemperatur im Altbau geringer ist, als im Neubau.

Wohnungen der Baujahre 1958 bis 1967 sind durchschnittlich mit nur 18 °C temperiert, die Baujahre bis 1995 liegen nur wenige zehntel Grad höher. Wohnungen, die von 1996 bis 2001 errichtet wurden, sind mit 19,4 °C bereits deutlich wärmer und solche nach dem EnEV-2002-Standard legen noch einmal auf rund 20 °C zu. In Gebäuden nach aktueller EnEV sind die Raumtemperaturen im Mittel noch höher. Damit konterkariert das Nutzerverhalten den Effekt der teuren Wärmedämmung.

Auf den Energiebedarf für die Trinkwassererwärmung hat der Gebäudezustand keinen Einfluss. Je besser allerdings ein Gebäude gedämmt ist, desto höher ist der Anteil des Warmwassers am Gesamtwärmeverbrauch. Der durchschnittliche Energieverbrauch für warmes Wasser liegt der Studie zufolge bei 26 kWh pro m2 und Jahr.

Altbauten, die vor 1977 gebaut wurden, verbrauchen durchschnittlich 17 % der genutzten Wärmeenergie für die Warmwasserbereitung. In Gebäuden, die nach der EnEV 2002 gebaut wurden, sind es bereits 28 %, und Neubauten verbrauchen mehr als 30 % der Wärmeenergie für warmes Wasser. In Einzelfällen kann der Anteil auf bis zu 50 % steigen. Damit bestätigt Felsmann, dass die verursachergerechte Heiz- und Wasserkostenverteilung auch im Neubau und im energetisch optimierten Altbau sinnvoll ist. Nur wenn der Nutzer weiß, dass sein Umgang mit Wärmeenergie für ihn finanziell nicht folgenlos bleibt, wird er sein Verhalten ändern.

Die Studie kann unter info@arge-heiwako.de bestellt werden.

Energetisch optimierte Wohngebäude ­verbrauchen häufig viel mehr Wärmeenergie, als nach den ­Vorgaben der EnEV berechnet wurde.

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