Alles dicht?

In unserer Bauforschungs-Serie (Teil 29) mit dem BMUB  geht es diesmal um die „Bewertung von Fehlstellen in Luftdichtheitsebenen – Handlungsempfehlung für Baupraktiker“.

Luftdichte Bauweisen haben sich u. a. hinsichtlich wärme- und feuchteschutztechnischer Aspekte in den vergangenen rund zwei Jahrzehnten etabliert. Damit untrennbar verbunden sind die Feststellung und die Bewertung bzw. Beurteilung von Luft-Leckagen. Aufgrund fehlender, allgemein akzeptierter und nachvollziehbarer Kriterien ist die Leckagebewertung häufig Gegenstand von Diskussionen und führt ferner auch zu Rechtsstreitigkeiten.

Die hier durchgeführte differenzierte Bewertung von Leckagen, soll die Relevanz des Themas Luftdichtheit für das Bauwesen in diesem Hinblick und in Hinblick auf mögliche Bauschäden herausstellen (Wärme- und Feuchteschutz) und kann zur Rechtssicherheit im Bauwesen beitragen. Ziel des Forschungsvorhabens war es, baupraktische Hinweise zu Luft-Leckagen zu formulieren und in Form einer Handlungsempfehlung zusammen zu fassen.

Gegenstand des Forschungsvorhabens

Erklärtes Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, der Baupraxis eine Handlungsempfehlung für den Umgang mit Luft-Leckagen anzubieten. Um dieses Ziel mit der notwendigen inhaltlichen Bandbreite erreichen zu können, haben sich drei Institutionen, der Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB e. V.), das Aachener Institut für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik (AIBAU gGmbH) sowie das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (Fraunhofer IBP) zusammengeschlossen.

Im Rahmen des durchgeführten Projektes wurde zunächst der Bereich der Luft-Leckagen systematisch erfasst. Diejenigen, die sich am Bau bzw. am Gebäude mit der Thematik auseinandersetzen (Sachverständige, Messdienstleister) werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit der Problematik konfrontiert und zum Handeln aufgefordert. Im Rahmen von inzwischen gängigen Dichtheitsmessungen zeigen sich Leckagen schon zu einem frühen Zeitpunkt. Hier sind in der Regel also keine oder erst geringe Schäden zu erkennen. Treten Schäden auf, so werden sie meist innerhalb der ersten fünf Jahre nach Gebäudefertigstellung sichtbar. Es handelt sich vor allem um Feuchteschäden meist im Bereich der Dachkonstruktion. Die im vorliegenden Abschlussbericht enthaltene Umfrage und die Dokumentation von Schadensfällen spiegeln Luft-Leckagen in der Praxis und daraus resultierende Schäden systematisch wider.

Hygrothermische Simulationen zeigen vor allem, dass eine sorgfältige und fachgerechte Ausführung von Abdichtungen (z. B. Dampfbremsen) entscheidend ist, um den Feuchteeintrag (und die Trocknung) im Rahmen der möglichen Toleranzen abschätzen zu können. So ist als Leckagen- bzw. Schadensursache vor allem eine unsorgfältige oder falsche Ausführung bei der Erstellung von Luftdichtheitsebenen zu nennen.

Die erkannte Vielschichtigkeit hat im Rahmen des Forschungsvorhabens die vorliegende Arbeit um Beiträge externer Fachleute erweitert. Diese stellen die Leckagebewertung unter den Aspekten Lüftung, Geruchsbelastung, Fenster und Außentüren, Brand- und Schallschutz sowie aus juristischer Sicht dar.

Folgende Arbeitsschritte bzw. Lösungswege wurden im Rahmen des Zukunft Bau-Projektes durchgeführt:

– Sichten und Auswerten des Schrifttums mit der darauf basierenden Erstellung einer Leckagesystematik, die sowohl Definitionen als auch Parameter der Leckagebewertung enthält,
– Umfrage unter rund 2.000 Sachverständigen und Messdienstleistern, um deren Erfahrungen mit Schadens- und Nicht-Schadensfällen zu erfassen,
– Objektbesichtigungen mit Untersuchungen und exemplarische Aufbereitung und Dokumentation von 33 in das Forschungsvorhaben eingebrachten Praxisfällen, u. a. mit Angaben und Bildmaterial zu Arten der Beeinträchtigungen bzw. zu Schadensbildern und den damit in Verbindung zu bringenden Leckagen,
– auf einem Praxisfall aufbauende Erstellung eines 3D hygrothermischen Materialmodells mit Luftdurchströmung und Simulation von Leckagen im Hinblick auf ihre feuchtetechnische, energetische und Behaglichkeits-Relevanz,
– Beiträge externer Fachleute hinsichtlich einer Leckagebewertung unter den Aspekten Lüftung, Eintrag von Gerüchen, Fenstern und Außentüren, Brandschutz, Schallschutz sowie aus juristischer Sicht,
– inhaltliche Verdichtung der umfangreichen Datengrundlage zu einer Handlungsempfehlung, die keinen starren Rahmen vorgibt und sowohl Aussagen zur Leckagebewertung im Allgemeinen als auch im Speziellen enthält.

Fazit

Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens unterstreichen die Vielschichtigkeit des Themas Leckagebewertung. Es zeigt sich, dass es unter technischen Gesichtspunkten keine einheitliche Herangehensweise gibt. Der Umgang mit Leckagen oder erkannten Schäden ist von der jeweiligen Problematik und der konkreten Aufgabenstellung abhängig.

Unter technischen Gesichtspunkten kann es für die Leckagebewertung keine einfache Faustformel für alle möglichen Fälle (Wirkungsweisen, Konstruktionen etc.) geben. Die gleiche Leckage kann aus verschiedenen Gesichtspunkten ganz unterschiedlich bewertet werden. Aus der einen Sicht kann sie als technisch unproblematisch, aus der anderen Sicht als schadensverursachend bewertet werden. In Anbetracht der dokumentierten Schäden hat die Luftdichtheit bzw. die Leckagereduktion jedoch besondere Bedeutung um vor allem Feuchteschäden zu vermeiden.

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