Begrünte Flachdächer

Absturzsicherungen auch durchdringungsfrei möglich?

Während der Erstellung eines Gebäudes sind die Bauarbeiter durch das Baustellengerüst gesichert. Aber was passiert danach? Welche Sicherungsvorrichtungen sollen Architekten und Planer für die Pflegegänge auf begrünten Flachdächern vorsehen? In wie fern beeinflussen technische Aufbauten auf dem Gründach die Bewertung? Welche Produktlösungen gibt es zur Vermeidung von Durchdringungen der Dachabdichtung und wo sind ihre Grenzen?

Müssen Architekten und Planer Absturzsicherungen planen?

Absturzsicherungen müssen geplant werden. In fast allen Landesbauordnungen wurde der §32 Dächer (8) der Musterbauordnung übernommen: „Für vom Dach aus vorzunehmende Arbeiten sind sicher benutzbare Vorrichtungen anzubringen.“ Mit nahezu gleichem Wortlaut bennent das die DIN 4426 im Abschnitt 5 und verweist dabei auf die Mindestausstattungsklassen der DGUV-Information 201-056 (Fassung 2015 Punkt 4.1. auf den Seiten 16/17). Ergänzend fordern das ArbSchG und die BaustellV zusätzliche Maßnahmen, um die Gefährdung der Beschäftigten zu vermeiden. Für spätere Arbeiten an der baulichen Anlage müssen Unterlagen erstellt werden. Absturzsicherungen müssen also bereits bei der Planung berücksichtigt werden.

Welche Regelwerke gibt es für Absturzsicherungen für begrünte Dachflächen

Die Gründachrichtlinie der FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V.) gibt in der aktuellen Ausgabe 2018 im Punkt 7.7 Angaben zur Absturzsicherung. So können für Pflege- und Wartungsarbeiten auflastgehaltene Anschlageinrichtungen ohne Durchdringung der Dachabdichtung verwendet werden. Auch die DIN 4426 (Einrichtungen zur Instandhaltung baulicher Anlagen – Sicherheitstechnische Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege – Planung und Ausführung) beschreibt das ähnlich lautend im Punkt 5.6 Dachbegrünungen.

Hierbei sollte jedoch beachtet werden, dass dauerhaft angebrachte Anschlageinrichtungen als ungeregeltes Bauprodukt in Deutschland zum Beispiel eine AbZ (Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung) durch das DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin) benötigen. Allerdings gibt es bisher keine Anschlageinrichtung mit einer solchen Zulassung, bei der das Gewicht der Dachbegrünung als Auflast dient.

Wünschen also Planer oder Bauherren zum Schutz der Dachabdichtung explizit durchdringungsfreie Systeme soll bei Verwendung der marktüblichen, bewährten Systeme mit Prüfungen nach EN 795 Typ E zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vor Ausführung Klarheit über die zukünftige Anforderungen und die Verwendung herrschen.

Sofern jedoch Systeme mit einer AbZ gefordert werden muss auf durchdringende Lösungen zurückgegriffen werden, also mit mechanischer Befestigung in der Dachunterkonstruktion. Alternativen dazu wären ein statischer Einzelnachweis, eine ZiE (Zustimmung im Einzelfall) oder eine andere Produktgruppe, nämlich aufgestellte Geländer nach EN 13 374 wie zum Beispiel BauderSECUTEC BARRIER FSM.

Einzelanschlagpunkte, Seil-/Schienensystem oder Geländer?

Beim Einsatz von Einzelanschlagpunkten (EAP) der Ausstattungsklasse 1 als alleinige Sicherungsmaßnahme kann man davon ausgehen, dass diese wenig oder nicht genutzt werden. Denn die sich auf dem Dach bewegenden Personen müssen sich regelmäßig ein- und aushängen und ggf. ihr Verbindungsmittel in der Länge anpassen. Damit ist ein Arbeiten im lebenswichtigen Rückhaltesystem nur mit sehr großer Vorsicht gewährleistet. Der Sturz wird nämlich nur verhindert, wenn die Länge des Verbindungsmittels kürzer als die Distanz zur Absturzkante ist. Eine Sicherung nur mit EAP kann also nicht ausreichend sein.

Bei extensiv begrünten Flachdächern sollte die Ausstattungsklasse 2 (also Seil- oder Schienensysteme) mit permanent installierten und vor allem überfahrbaren Systemen Verwendung finden. Gerade das teurere Schienensystem bietet hier einige Vorteile gegenüber EAPs und Seilsystemen:

– Beginnend mit der komfortableren Benutzung mit der PSA 
– und der Option auch außergewöhnliche Gebäudekonturen jenseits von geraden Strecken oder 90° Kurven als attikaparallele Lösungen darstellen zu können. 

– Bei Montage der Schienenelemente auf den durchdringungsfreien Systemstützen BauderSECUTEC QUAD-30 gibt es keine punktuellen Gewichtsbelastungen auf Dämmstoff und Abdichtung, zudem keine Flämm- bzw. Abdichtungsarbeiten erforderlich.

– Auch optisch ist das hochwertige Schienensystem ansprechend.

Seil- und Schienensysteme lassen sich mit überschaubarem Aufwand montieren. Die Industrieanbieter schulen hierzu in der Regel ihre verarbeitenden Betriebe recht umfangreich und stehen bei Fragen in der Vorbereitung und Baustellenbegleitung z. B. mit der Bauder-Anwendungstechnik zur Verfügung.

Bei allen Individualschutzsystemen sollen die PSA-Benutzer gem. den DGUV-Regel 112-198 /-199 in der Anwendung und Rettung ausreichend geschult sein. 

Einfluss von technischen Aufbauten auf dem Gründach für die Absturzsicherung

Befinden sich auf dem Gründach zudem technische Aufbauten – z. B. Photovoltaik-, Lüftungs-, Filteranlagen, Klimageräte, Solarthermie, Speicheranlagen – sollte aufgrund der höheren Wartungsintensität und des größeren Personenkreises mit der Ausstattungsklasse 3, also Geländern, gesichert werden.

Gerade bei Flachdächern mit Photovoltaikanlagen bietet dieser Kollektivschutz nicht nur einen Sicherheitsgewinn. Denn in der Regel erhöht sich durch die geringeren Randabstände die Anzahl der PV-Module auf dem Flachdach, was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit der PV-Anlage auswirkt. Die geringe und meist diffuse Verschattung der randseitigen Module durch die Geländerholme/-pfosten ist mittlerweile nahezu vernachlässigbar.

Legen die am Bau beteiligten Personen ein besonderes Augenmerk auf die Optik, so können die Geländerbauteile auch problemlos nach Kundenwunsch farbbeschichtet werden.

Beachtenswertes zur Dachneigung und bei Dämmstoffen

Extensive Begrünungen können bei Verwendung passender Schubsicherungen auch problemlos auf stärker geneigten Dachflächen bis ca. 25° etabliert werden. Auflastgehaltene Anschlageinrichtungen sind dagegen nur bis zu einer Dachneigung von 5° (ca. 8%) möglich. Darüber muss also mechanisch in der Dachunterkonstruktion befestigt werden.

Ebenfalls sinnvoll ist ein Blick auf das Eigengewicht der Sicherungseinrichtungen und die somit entstehende flächige, kleinflächige oder punktuelle Belastung. Zum einen soll die Dachunterkonstruktion die Lasten tragen können, zum anderen kann aufgrund der Stauchung nicht ausreichend druckstabiler Dämmstoffe (z. B. Mineralwolle < 70 kPa) eine Dehnbeanspruchung der Abdichtungsbahn entstehen. Das kann sich über die Jahre negativ auf deren Dichtigkeit auswirken. Wir empfehlen daher die Verwendung druckstabiler Dämmstoffe wie z. B. BauderPIR.

Welche Regelwerke gibt es für Geländer auf

begrünten Dachflächen?

Als Mindestanforderung für Geländer der Ausstattungsklasse 3 nennen die relevanten Regelwerke (DGUV-I 201-056 und DIN 4426) die DIN EN 13 374. Geländersysteme wie zum Beispiel BauderSECUTEC BARRIER erfüllen diese Norm. Hier und in der technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1 werden zum Beispiel Prüfkräfte, Abstände und Mindesthöhen genannt. Diese beträgt für Geländer 1 m. Ab einer Absturzhöhe von 12 m muss die Umwehrungshöhe sogar 1,10 m über der Personenstandfläche betragen.

Gerade das oben gezeigte Geländersystem hat folgende Vorteile:

– Keine zusätzliche und ständige kleinflächige Belastung mit Geländer-Gegengewichten (üblicherweise aus Kunststoff oder Beton), da die Dachbegrünung gleichzeitig als Auflast dient.

– Einfachere Montage, da die Gegengewichte weder auf das Dach gehoben noch auf dem Dach transportiert werden müssen.

– Geringeres Frachtvolumen und Frachtkosten.

Welche Anforderungen gibt es an das Geländersystem als Fluchtweg?

Die Geländerbauteile BauderSECUTEC BARRIER können zudem als Einfassung eines zweiten Fluchtwegs auf dem Dach montiert werden, dazu gibt es eine ergänzende Prüfung nach DIN 14094-2 mit höheren Lasten. Somit kann das System für die Nutzungskategorien A, B und C1 (also Wohn- und Büroflächen, Flächen mit Personenansammlungen wie z. B. Schulen, Cafés, Restaurants) der DIN EN 1991-1-1 verwendet werden. Zur Definition der Mindestwegbreite und weiterer Merkmale hilft ein Blick in die ASR A2.3.

Fazit

Vorrangiges Ziel ist zweifelsohne die Erhöhung der Sicherheit für alle dachbegehenden Personen durch die Vermeidung von Arbeitsunfällen mit potenziell tragischen Folgen durch einen Absturz.

Sicherheit darf keine Frage des Budgets oder der Optik sein, sondern muss eine bewusste Entscheidung für sicher benutzbare Vorrichtungen für die entsprechende Personengruppe sein. Gerade bei begrünten Dächern bieten sich hierzu interessante Möglichkeiten an, die es abzuwägen gilt. Da Flachdächer zunehmend stärker genutzt werden, kann folglich ein zweiter Blick auf den Flachdachaufbau mit seiner Abdichtung gelegt werden. Je geringer die Anzahl der Durchdringungen von Dampfsperre, Dämmstoff und Abdichtung, desto sicherer und langlebiger ist der Flachdachaufbau.

Absturzsicherungen müssen bereits bei der Planung berücksichtigt werden.

Sicherheit darf keine Frage des Budgets
oder der Optik sein.

Je geringer die Anzahl der Durchdringungen von Dampfsperre, Dämmstoff und Abdichtung, desto sicherer und langlebiger ist der Flachdachaufbau.

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