Bewertungssystem als Planungs- und Qualitätssicherungsinstrument

Nachhaltige Unterrichtsgebäude

Mit der Entwicklung einer Systemvariante Unterrichtsgebäude als neues Modul des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen des Bundes (BNB) reagiert das Bundesbauministerium darauf, dass eine ganzheitlich optimierte Lernumgebung wesentlichen Einfluss auf Lernmotivation und -erfolg hat.

Seit Juli 2013 ist die Anwendung des Bewertungssystems verpflichtend für Unterrichtsgebäude des Bundes. Gleichzeitig stellt der Bund den Ländern und Kommunen das System empfehlend zur Verfügung, da der weitaus größte Teil der Bildungsbauten in deren Hoheit entsteht.

Rahmenbedingungen für die Systementwicklung

Beim nachhaltigen Bauen geht es grundsätzlich darum, funktional und gestalterisch gute Lösungen zu finden, die nicht nur ökologisch verträglich, sondern auch ökonomisch akzeptabel sind und gleichzeitig den Menschen als Nutzer einbeziehen. Damit sind die drei klassischen Dimensionen der Nachhaltigkeit, Ökologie, Ökonomie und soziokulturelle Aspekte als gleichberechtigte und gleichwertige Ziele zu verstehen. Zusätzlich sind die technischen Eigenschaften und prozessualen Aspekte der Planung und Bauausführung qualitätsbestimmend. Ergänzt wird die Gebäudebewertung durch die Standortmerkmale. Eine wesentliche Grundlage des deutschen Ansatzes ist die Betrachtung über den gesamten  Lebenszyklus eines Gebäudes von der Planung über das Bauen und die Nutzung bis hin zur Entsorgung. Mit der Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden nach der Systematik des BNB werden die Übererfüllung von gesetzlichen Vorgaben, Normen und üblichen Standards sowie die Umsetzung innovativer Lösungsansätze honoriert. Der Bund hat sich im Sinne einer Vorbildwirkung zur Erreichung eines Gesamterfüllungsgrades von 65 %, das entspricht dem Silberstandard verpflichtet.

Unterrichtsgebäude, insbesondere Schulen bieten allen Menschen gemeinsame Grunderfahrungen und bilden den baulichen Rahmen für ein lebenslanges Lernen, bei dem nicht nur Wissen, sondern die Fähigkeit zur eigenständigen Problemlösung vermittelt wird. Dabei spielen sowohl die Verbindung von unterschiedlichen sozialen und kulturellen Werten als auch Chancengleichheit und Inklusion eine wesentliche Rolle. Nachhaltige Schulgebäude sind eine der grundlegenden Voraussetzungen, um zeitgemäßes Lernen zu unterstützen. Da neben schulpädagogischen Bedürfnissen der Gegenwart auch zukünftige Entwicklungen einbezogen werden müssen, unterliegt die Erstellung von Schulgebäuden einer besonderen Verantwortung. Hierfür werden langfristige und tragfähige Konzepte gebraucht.

Mit dem Ziel die genannten Aspekte bei der Entwicklung des Bewertungssystems für nachhaltige Unterrichtsgebäude zu berücksichtigen, hat sich auf Initiative des Bundesbauministeriums eine Arbeitsgruppe, bestehend aus verschiedenen, an Planung und Bau von Unterrichtsgebäuden beteiligten Akteuren, zusammengefunden. Neben Vertretern der Bauverwaltungen aus Bund, Ländern und Kommunen sowie wissenschaftlichen Einrichtungen wurden Experten aus dem Be­­reich der Planung, der Architekturtheorie und der Pädagogik eingebunden. Mit wissenschaftlicher Begleitung durch das Fraunhofer Institut für Bauphysik und gefördert durch die Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ wurde zunächst ein Systementwurf auf Basis des bestehenden Bewertungssystems für Bürogebäude erarbeitet, der dann erprobt, evaluiert und optimiert wurde.

Für die Erprobung im Rahmen eines Forschungsprojekts mit LCEE GmbH konnten sieben bereits fertiggestellte Pilotprojekte mit unterschiedlichen Nutzungsschwerpunkten – allgemein-, berufs- und weiterbildende Schulen sowie Einrichtungen für Forschung und Lehre – gewonnen werden. Die überwiegend guten Ergebnisse der Projekte, die zwar nach den allgemeinen Grundsätzen des nachhaltigen Bauens, jedoch ohne Kenntnis der konkreten Bewertungskriterien geplant wurden, zeigen, dass mit dem BNB realistische Zielstellungen formuliert werden. Auch die bereits zwei Jahre alte Grundschule Niederheide in Hohen Neuendorf bei Berlin zeichnet sich in der Erstanwendung der aktuellen Version 2013 durch einen sehr hohen Erfüllungsgrad in allen Hauptkriteriengruppen aus. Hier wirken sich u. a. die Planungsbegleitung im Rahmen des EnOB-Programms „Energieeffiziente Schulen“ sowie die intensive Nachhaltigkeitsberatung über die gesamte Projektlaufzeit positiv aus.

Besondere Anforderungen bei Unterrichtsgebäuden

Aufgrund der großen Bedeutung der Nutzerbedürfnisse für Unterrichtsgebäude liegt der Fokus auf den funktionalen und gestalterischen Kriterien. Ziele sind eine möglichst große Nutzerzufriedenheit im Gebäude und eine flexible Nutzung baulicher Strukturen. Im Folgenden werden einige ausgewählte As­­pekte näher betrachtet.

Wichtigstes Instrument zur Bewertung der ökologischen Qualität ist die Ökobilanz. Hierbei werden die Wirkungen auf die globale Umwelt für die Phasen Herstellung, Nutzen und Entsorgung betrachtet, wie z. B. das Treibhauspotenzial und die Ressourceninanspruchnahme im Hinblick auf den Primärenergiebedarf. Weiterhin werden z. B.  Bauprodukte hin­­sichtlich ihres Schadstoffgehalts geprüft. Hierbei werden auch Emissionen berücksichtigt, die sich auf die Innenraumluftqualität in Unterrichtsräumen auswirken können.

Die größte Relevanz für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung haben die gebäudebezogenen Kosten im gesamten Lebenszyklus, die sowohl die Erstellungskosten wie auch den finanziellen Aufwand während des Gebäudebetriebs abbilden und die Grundlage für die Kostenoptimierung darstellen. Ein besonderer Aspekt der ökonomischen Qualität bei Unterrichtsgebäuden ist das Kriterium Vandalismusprävention. Hier werden insbesondere bauliche Maßnahmen bewertet, die identitätsstiftend und motivationsfördernd wirken und damit zum langfristigen Erhalt der Ge­­bäudesubstanz und zur Senkung der Instandhaltungskosten beitragen.

Die soziokulturelle und funktionale Qualität stellt die Gebäudenutzer mit ihren Bedürfnissen in den Vordergrund. Hier geht es u. a. um die Gesundheit, die Behaglichkeit sowie die Nutzerzufriedenheit. So kann eine hohe In­­nenraumluftqualität durch die konsequente Auswahl emissionsarmer Bauprodukte und die Minimierung der CO2-Belastung während der Nutzung mit Hilfe eines entsprechenden Luftwechsels erreicht werden.

In der Grundschule Niederheide wurde dies beispielsweise durch ein hybrides Lüftungskonzept mit drei Komponenten erreicht. Eine mechanische Lüftungsanlage für eine dauerhafte Grundlüftung wird ergänzt durch motorisch angetriebene Lüftungsflügel, die sich während der Pausenzeiten automatisch öffnen, sowie manuell zu öffnende Fensterflügel für eine zusätzliche Stoßlüftung. Ein weiterer Behaglichkeitsaspekt ist der thermische Komfort im Sommer. Hierzu wird für die Grundschule ein dreigliedriges Verschattungssystem eingesetzt, das aus horizontalen Lamellen an der Außenfassade, außenliegenden Sonnenschutzrollos und in Teilbereichen einer speziellen Sonnenschutzverglasung besteht. Zusätzlich können die automatischen Lüftungsklappen zur Nachtauskühlung genutzt werden.

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