Rechtsprechung

Bauplanungsrecht; Windenergieanlagen; Flächennutzungsplan; Konzentrationsflächenplanung; Verhinderungsplanung; Abwägung; Abwägungsfehler; Artenschutz; Störungsverbot; artenschutzrechtliches; Einvernehmen; gemeindliches ; Erschließung; Erschließungsangebot.

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1, Abs. 3 Satz 3, BImSchG § 6 Abs. 1 BNatSchG 2002 § 42 Abs. 1 Nr. 2

1. Eine Gemeinde, die von der Ermächtigung zur Konzentrationsflächenplanung Gebrauch macht, hat die öffentlichen Belange, die nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB erheblich sind und nicht zugleich zwingende, im Wege der Ausnahme oder Befreiung nicht überwindbare Verbotstatbestände nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllen, bei der Planung nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB gegen das Interesse Bauwilliger abzuwägen, den Außenbereich für die Errichtung von Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB in Anspruch zu nehmen. Ist die Planung wirksam, weil die Abwägung frei von Fehlern ist oder Abwägungsmängel nach dem Fehlerfolgenregime des § 214 BauGB unbeachtlich sind, dürfen diese Belange bei der Entscheidung über die Zulassung eines Vorhabens auf der Konzentrationsfläche nicht wieder als Genehmigungshindernis aktiviert werden.

2. Es bleibt offen, ob die Darstellungen eines in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplans, dem nach seinem Inkrafttreten die Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zukommen sollen, einem Außenbereichsvorhaben generell nicht als unbenannter öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen können. Eine „Vorwirkung“ scheidet jedenfalls für den Fall aus, dass die künftigen Ausschlussflächen nach dem aktuellen Flächennutzungsplan noch in einer Konzentrationsfläche liegen.

3. Verpflichtet ein Gericht eine Verwaltungsbehörde zur Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Außenbereichsvorhabens und ersetzt dabei ein versagtes gemeindliches Einvernehmen, sind auf das Rechtsmittel der Gemeinde die Voraussetzungen des § 35 BauGB in vollem Umfang nachzuprüfen. Eine Beschränkung der Prüfung auf diejenigen Gründe, auf die die Gemeinde die Versagung ihres Einvernehmens gestützt hat, ist unzulässig.

BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2010 – 4 C 7.09 –

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Bauplanungsrecht; Bebauungsplan;
DIN-Vorschrift; Verweisung; Verkündung; Bekanntmachung.

GG Art. 20 Abs. 3, BauGB § 10 Abs. 3

Satz  Bestimmt erst eine in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug ge­­nom­­mene DIN-Vorschrift, unter welchen Voraussetzungen bauliche Anlagen im Plangebiet zulässig sind, ist den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen genügt, wenn die Gemeinde sicherstellt, dass die Betroffenen von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können.

Beschluss vom 29. Juli 2010 – 4 BN 21.10 –

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Bauordnungsrecht, Immissionsschutz, Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL

1. Die Frage, ob die Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL – im Baugenehmigungsverfahren un­­mittelbar bzw. als Erkenntnisquelle angewendet werden kann, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sich auf sie auch ohne Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens antworten lässt. Technische Regelwerke erzeugen für die Behörden und Gerichte keine Bindungswirkung, wenn der Gesetzgeber sie, wie das bei der GIRL der Fall ist, nicht in seinen Regelungswillen aufnimmt. Sie dürfen aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden (Urteil vom 19. Januar 1989 – BVerwG 7 C 77.87 – BVerwGE 81, 197 <203 ff.>; Beschluss vom 24. Januar 1992 – BVerwG 4 B 228.91 – Buchholz 406.12 § 4a BauNVO Nr. 2 [insoweit in Buchholz nicht veröffentlicht] juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 – III ZR 313/99 – BRS 64 Nr. 171 S. 665 f.), und zwar unabhängig davon, ob sie im jeweiligen Bundesland umgesetzt sind. Soweit sich die Fragen auf die Auslegung der GIRL selbst beziehen, betreffen sie kein revisibles Recht, weil die Aus­legung der GIRL keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung ist (vgl. Beschluss vom 30. September 1996 – BVerwG 4 B 175.96 – NVwZ-RR 1997, 214 zu DIN-Normen). 2. Die Frage, ob bei der Prüfung der baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit einer baulichen Anlage, die zu einer bestehenden Anlage hinzutritt, allein die von der zur Genehmigung gestellten Anlage verursachten Immissionen oder die Gesamtbelastung zu berücksichtigen ist, nötigt ebenfalls nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Ist Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens eine Anlage, die Be­­standteil eines Gesamtvorhabens werden soll, darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die Gesamtanlage genehmigungsfähig ist (vgl. Urteil vom 15. November 1991 – BVerwG 4 C 17.88 – BRS 52 Nr. 52 S. 143), wenn also u.a. die von der Gesamtanlage ausgehenden Immissionen nicht die Schwelle der Schädlichkeit überschreiten. Von diesem Prüfungsansatz ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Ob das Resultat seiner Prüfung zutrifft, ist keine Frage, die einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist. Der allgemeinen Kontrolle des angegriffenen Berufungsurteils dient das Beschwerdeverfahren nicht.

BVerwG, Beschluss vom 28.7.2010 –

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Immissionsschutzrecht; Anwendung bei Gaststätten, TA Lärm

Zur Anwendbarkeit der TA Lärm auf Freizeitgaststätten
BVerwG, Beschluss vom 3.8.2010 – 4 B 9.10 – Dass die Ausnahmeregelung für Freiluftgaststätten auch darauf zielt, unter dem Gesichtspunkt der sozialen Bedeutung und örtlichen/regionalen Herkömmlichkeit solcher Anlagen die Zumutbarkeitsschwelle ggf. anheben zu können (BRDrucks 254/98, S. 47), ändert nichts an dem Umstand, dass die TA-Lärm wegen der besonderen Lärmsituation, die mit dem Betrieb einer Freiluftgaststätte verbunden ist, als Beurteilungsgrundlage nicht ge­­eignet erscheint und es daher einer Beurteilung der Lärmauswirkungen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls bedarf. Dieser Befund sieht sich durch die Systematik der TA-Lärm bestätigt. Denn die TA-Lärm hat die lärmtechnischen Besonderheiten menschlichen Lärms in Freiluftgaststätten zum Anlass einer ausdrücklichen Ausnahme vom Anwendungsbereich genommen und sich gerade nicht darauf beschränkt, eine sog. „Ergänzende Prüfung im Sonderfall“ nach Nr. 3.2.2 TA-Lärm anzuordnen. Dass jedenfalls der Freiluftbereich einer Gaststätte, der bis auf wenige Meter an den Ruhebereich der Wohngrundstücke eines angrenzenden reinen Wohngebiets heranreicht, einer Freiluftgaststätte i.S.d. Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) TA-Lärm gleichzustellen ist, weil auch in diesem Fall lärmspezifische Besonderheiten bestehen, zu deren Beurteilung sich die standardisierte Regelfallbeurteilung auf der Grundlage der TA-Lärm als unzureichend erweist, orientiert sich erkennbar an Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung und ist nicht zu beanstanden. Denn auch in diesem Fall wird in ähn­licher Weise wie im Fall einer Freiluftgaststätte i.S.d. Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) TA-Lärm, verschärft durch die räumliche Nähe eine Lärmsituation befördert, die sich durch besondere Geräuschcharakteristiken auszeichnet. Auch hier geht es um die Eigenart und Wahrnehmbarkeit des durch Menschen verursachten Lärms, dessen Zumutbarkeit ganz maßgeblich von den konkreten örtlichen Gegebenheiten abhängt.

BVerwG, Beschluss vom 3.8.2010 – 4 B 9.10 –

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Windenergieanlage; Regionalplan; in Aufstellung befindliches Ziel; raumordnerische Konzentrationsentscheidung; unbenannter öffentlicher Belang; Prognose; Ausfertigung; Ausfertigungsmangel; Rechtsstaatsprinzip; Fehlerbehebung; Grundsatz der Planerhaltung; Rückwirkung; Abschluss des Verfahrens; Dauer des Verfahrens,; Drittwiderspruch; Aufhebung; reformatio in peius; subjektives Recht; gemeindliches Einvernehmen.

Das Inkrafttreten eines in Aufstellung befindlichen Ziels ist auch dann hinreichend sicher zu erwarten, wenn der Plan erst in einem ergänzenden Verfahren nach Nachholung der Ausfertigung mit Wirkung für die Zukunft in Kraft gesetzt werden kann. Die Voraussetzungen des § 35 BauGB sind auf das Rechtsmittel einer Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen.

Urteil des 4. Senats vom 1. Juli 2010 – BVerwG 4 C 4.08 –

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