Urteile

Eintritt des Erben in das Mietverhältnis, Haftung für Verbindlichkeiten

BGB § 564, § 1922 Abs. 1, § 1967

a) Unterlässt der nach § 564 Satz 1, § 1922 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetretene Erbe dieses nach § 564 Satz 2 BGB außerordentlich zu kündigen, liegt allein hierin keine Verwaltungsmaßnahme, welche die nach Ablauf dieser Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zu Nachlasserbenschulden beziehungsweise Eigenverbindlichkeiten werden lässt, für die der Erbe - auch - persönlich haftet.

b) Eine persönliche Haftung tritt jedoch etwa dann ein, wenn der Erbe nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses seiner (fälligen) Pflicht aus § 546 Abs. 1, § 985 BGB zur Räumung und Herausgabe der Mietsache nicht nachkommt.

BGH, Urteil vom 25. September 2019 - VIII ZR 138/18 - (LG Düsseldorf)

Zum Sachverhalt:

Der Bruder des Beklagten mietete im Jahr 1985 von den Rechtsvorgängern des Klägers eine in einem Mehrfamilienhaus gelegene Wohnung in K.. Der Kläger erwarb das Anwesen im Jahr 2002. Die monatliche Kaltmiete betrug zuletzt 516,40 € zuzüglich 30,68 € für einen PKW-Stellplatz.

Der Bruder des Beklagten verstarb im August 2014. Mit Ausnahme des Beklagten schlugen die weiteren vorhandenen Erben - die Geschwister des Erblassers sowie deren Abkömmlinge - die Erbschaft aus.

Der Kläger nahm den Beklagten in einem Vorprozess als Erben seines Bruders auf Zahlung der Mieten für die Monate September bis Dezember 2014 sowie auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch. .... Das AG gab der Zahlungsklage sowie, gestützt auf eine durch den Kläger erklärte Kündigung, auch der Räumungsklage statt.

Auf Antrag des Beklagten wurde am 12.11.2015 die Nachlassverwaltung angeordnet. Die Zwangsräumung der Wohnung erfolgte Ende Januar 2016.

Auf die Berufung des Beklagten änderte das LG das vorgenannte Urteil teilweise ab. Die Verurteilung zur Räumung blieb aufrecht erhalten, die Zahlungsklage wurde abgewiesen. Bei den geltend gemachten Mietforderungen handele es sich um reine Nachlassverbindlichkeiten, für welche der Beklagte infolge der zwischenzeitlich angeordneten Nachlassverwaltung nicht mehr hafte. Erst für die Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis, die nach Ablauf der Kündigungsfrist des § 564 Satz 2 BGB entstünden - vorliegend ab dem 21.3.2015 - könne der Beklagte weiterhin persönlich in Anspruch genommen werden.

Der Kläger nimmt den Beklagten im vorliegenden Verfahren auf Zahlung von Miete und Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 21.3.2015 bis zum 31.1.2016 in Höhe von insgesamt 5.664,93 € nebst Zinsen in Anspruch. Das AG hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das LG zurückgewiesen und dem Beklagten vorbehalten, die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass geltend zu machen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Vergleichsmiete in Nachbargemeinden

BGB § 558a Abs. 4 Satz 2

Zu den Anforderungen an die Vergleichbarkeit zweier Gemeinden, wenn der Vermieter zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens auf den Mietspiegel der Nachbargemeinde Bezug nimmt.

BGH Urteil vom 21. August 2019 - VIII ZR 255/18 - (LG Nürnberg-Fürth)

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin war Vermieterin, die Beklagte Mieterin eines großen Anwesens in der Stadt S., die unmittelbar an das westliche Gemeindegebiet der Stadt Nürnberg angrenzt. Die monatliche Nettokaltmiete betrug seit Mietbeginn im Jahr 2004 unverändert 3.000 €.

Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 24.10.2013 wurde die Beklagte aufgefordert, einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete auf 3.450 € ab dem 1.1.2014 zuzustimmen. Zur Begründung nahm die Klägerin Bezug auf den dem Schreiben beigefügten Mietspiegel der Stadt Fürth.

Die auf Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Wärmedämmung an der Grenzwand, Duldung des Nachbarn

NachbG HE § 10a Abs. 1

BGB § 921, § 922 Satz 4, § 745 Abs. 2

Der Eigentümer eines Grundstücks hat nur einen Überbau durch Bauteile zu dulden, die wegen des Anbringens einer Wärmedämmung an der Grenzwand des Nachbarn auf sein Grundstück hinüberragen; demgegenüber muss er Veränderungen an seinem Gebäude, die infolge der Anbringung der Wärmedämmung notwendig werden, nicht dulden.

Der Teilhaber einer gemeinsamen Giebelwand (Nachbarwand), der diese mit einer Wärmedämmung versehen will, kann von dem anderen Teilhaber nicht die Duldung baulicher Eingriffe in Gebäudeteile verlangen, die nicht der gemeinsamen Verwaltung unterliegen.

BGH, Urteil vom 14. Juni 2019 - V ZR 144/18 - (LG Gießen)

Zum Sachverhalt:

Die Parteien sind Eigentümer unmittelbar aneinandergrenzender, in Hessen gelegener Reihenhäuser, die im Jahre 1976 in einer versetzten Bauweise errichtet wurden. Der Kläger ließ im Rahmen einer Sanierung seines Reihenhauses eine außenseitige Fassadendämmung anbringen. Der unmittelbar an das Reihenhaus des Beklagten angrenzende und aufgrund der versetzten Bauweise frei liegende Teil der Wand des klägerischen Reihenhauses einschließlich eines schmalen Streifens im Dachbereich ist bislang nicht gedämmt. Die von dem Kläger in diesen Bereichen vorgesehene Außendämmung nebst Putz würde die Grenze zum Grundstück des Beklagten um insgesamt 11 cm überschreiten. Zu deren Anbringung müssten ein von dem Beklagten an die Hauswand angepasster Holzunterstand mit Mülltonnenverkleidung, die an der Fassade des Hauses des Beklagten befindlichen Öffnungen für die Entlüftung des Öltanks und für die Abluft der Küche sowie ein Stromkabel verlegt und ferner der Dachbereich des Hauses des Beklagten geöffnet werden. Der Beklagte ist mit diesen Maßnahmen nicht einverstanden. Ein Schlichtungsversuch vor dem Schiedsamt blieb erfolglos.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten, es ihm zu erlauben, dessen Grundstück zu betreten, um die Wärmedämmung an der zum Grundstück des Beklagten gelegenen Wand anzubringen und die hierzu erforderlichen Arbeiten am Dachanschluss auf seine (des Klägers) Kosten auszuführen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben; das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, will der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.

Anspruch auf Beseitigung von baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums, Verjährung

BGB § 903 Satz 1, § 1011

WEG § 14 Nr. 4 Halbs. 1; § 20 Abs. 1; § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 , Abs. 6 und 8

Das Recht des Grundstückseigentümers, Störungen durch Dritte, deren Quelle sich auf dem Grundstück befindet, auf eigene Kosten selbst zu beseitigen, beruht auf der aus § 903 Satz 1 BGB folgenden Rechtsmacht; diese Norm ist keine Anspruchsgrundlage und begründet keinen - zur Ausübung des Rechts auch nicht erforderlichen - Duldungsanspruch gegen den Störer (Fortführung von BGH Urt. v. 28.1.2011 - V ZR 141/10, NJW 2011, 1068; Urt. v. 28.1.2011 - V ZR 147/10, NJW 2011, 1069; Urt. v. 16.5.2014 - V ZR 181/13, DNotZ 2014, 687).

Einzelne Wohnungseigentümer können aus ihrem Miteigentum grundsätzlich nicht das Recht ableiten, von anderen Wohnungseigentümern oder von Dritten rechtswidrig herbeigeführte bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums auf eigene Kosten selbst zu beseitigen.

Die Wohnungseigentümer können beschließen, eine rechtswidrige bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums auf Kosten aller Wohnungseigentümer zu beseitigen und das gemeinschaftliche Eigentum in einen ordnungsmäßigen Zustand zu versetzen; befindet sich die Quelle der Störung im Bereich des Sondereigentums oder einer Sondernutzungsfläche, kann der betroffene Wohnungseigentümer gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 1 WEG verpflichtet sein, die Maßnahme zu dulden.

Auch in einer Zweiergemeinschaft kann ein Wohnungseigentümer nur im Wege der Beschlussersetzungsklage erreichen, dass eine von dem anderen Wohnungseigentümer rechtswidrig herbeigeführte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beseitigt wird; er darf die Beseitigung nicht selbst auf eigene Kosten vornehmen.

Sind gegen den Störer gerichtete Ansprüche auf Beseitigung einer rechtswidrigen baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 1004 BGB nicht (mehr) durchsetzbar, haben einzelne Wohnungseigentümer nicht ohne weiteres einen Anspruch darauf, dass die Beseitigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft auf eigene Kosten beschlossen wird; es kann je nach den Umständen des Einzelfalls (auch) ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, hiervon abzusehen.

BGH Urteil vom 5. Juli 2019 - V ZR 149/18 - (LG Frankfurt am Main)

Zum Sachverhalt:

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die durch Aufteilung eines Gebäudes in zwei Einheiten entstanden ist. In den Jahren 2001 bis 2004 errichteten die Beklagten auf ihrer Sondernutzungsfläche im Garten ein Gartenhaus nebst Anbau. Die Terrasse, die ihnen als Sondereigentum zugewiesen ist, gestalteten sie um, indem sie den Boden betonierten, einen neuen Bodenbelag verlegten und ein Geländer anbrachten. Im Bereich des Gemeinschaftseigentums lagern die Beklagten diverse Möbel und Gegenstände. In einem vorangehenden Rechtsstreit war eine auf Beseitigung und Entfernung des Gartenhauses, der Terrasse und der Gegenstände gerichtete Klage der Kläger wegen Verjährung des Beseitigungsanspruchs abgewiesen worden.

Duldung von herüberragenden Zweigen vom Nachbargrundstück

BGB § 906, § 910 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, § 1004 Abs. 1 und 2

Ob der Eigentümer eines Grundstücks vom Nachbargrundstück herüberragende Zweige ausnahmsweise dulden muss, bestimmt sich - vorbehaltlich naturschutzrechtlicher Beschränkungen eines Rückschnitts - allein nach § 910 Abs. 2 BGB. Der Maßstab des § 906 BGB gilt hierfür auch dann nicht, wenn die von den herüberragenden Zweigen ausgehende Beeinträchtigung in einem Laub-, Nadel- und Zapfenabfall besteht.

BGH, Urteil vom 14. Juni 2019 - V ZR 102/18 - (LG Krefeld)

Bauschutt recycelndes Unternehmen, Untersuchung auf Explosivmittel, Sorgfaltspflicht

BGB § 823 Abs. 1; § 906 Abs. 2 Satz 2 analog, § 1004 Abs. 1

Ein Bauschutt recycelndes Unternehmen verstößt nicht gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, wenn in seinem Betrieb Betonteile, die nicht bekanntermaßen aus einer Abbruchmaßnahme stammen, bei der mit Bomben im Beton gerechnet werden muss, vor ihrer Zerkleinerung nicht unter Einsatz technischer Mittel auf Explosivkörper untersucht werden.

a) Wer die Beeinträchtigung seines Nachbarn durch eine eigene Handlung verursacht, ist Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB. Seine Qualifikation als Störer hängt, anders als bei einem mittelbaren Störer und beim Zustandsstörer, nicht von dem Vorliegen entsprechender Sachgründe dafür ab, ihm die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen.

b) Beschäftigte können selbst unmittelbarer Handlungsstörer nur sein, wenn ihnen ein eigener Entschließungsspielraum mit entsprechendem Verantwortungsbereich verbleibt, aber nicht, wenn sie weisungsgebunden sind.

c) Die Regelung in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auf Beeinträchtigungen nicht entsprechend anwendbar, die durch die - unverschuldete - Explosion eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg verursacht werden.

BGH, Urteil vom 5. Juli 2019 - V ZR 96/18 - (OLG Köln)

Schadensersatz wegen Glatteisunfall, Streupflicht

BGB § 823 Abs. 1

Zum Umfang der Streupflicht auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes.

BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 - VI ZR 184/18 - (OLG Schleswig)    

Angabe über fachgerechte Ausführung des Kaufobjekts, Abweichung von DIN - Vorschriften

BGB § 444

Die Angabe des fachkundigen Verkäufers, das Kaufobjekt fachgerecht bzw. nach den anerkannten Vorschriften errichtet zu haben, erfolgt nicht schon dann ohne tatsächliche Grundlage „ins Blaue hinein“, wenn er bei der Bauausführung unbewusst von einschlägigen DIN-Vorschriften abgewichen ist.

BGH, Urteil vom 14. Juni 2019 - V ZR 73/18 - (OLG Saarbrücken)

Ausschluss der Eigenschaft einer Sache, keine Beschaffenheitsvereinbarung

BGB § 434 Abs. 1 Satz 1, 3, § 444

a) Öffentliche Äußerungen vor Vertragsschluss bestimmen die Eigenschaft einer Sache, die der Käufer erwarten kann, nicht, wenn und soweit die Vertragsparteien eine abweichende Beschaffenheit des Kaufobjekts vereinbart haben.

b) Regeln die Kaufvertragsparteien, dass eine bestimmte Eigenschaft des Kaufobjekts nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehört, liegt darin keine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.

c) Ein allgemeiner Haftungsausschluss erfasst auch die nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB zu erwartenden Eigenschaften eines Grundstücks (Bestätigung u.a. von BGH Urteil vom 22. April 2016 - V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rn. 12).

BGH, Urteil vom 25. Januar 2019 - V ZR 38/18 - (OLG Düsseldorf)                         

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