Nachwachsende Rohstoffe

Hör mal, wer da hämmert: Nachhaltige Kita aus Holz

In unmittelbarer Nähe zu ihren Verwaltungsgebäuden ließ die Versicherungsgesellschaft HUK-COBURG eine Betreuungseinrichtung als unternehmensintegrierte Kindertagesstätte errichten. Die Kita wurde als außergewöhnlicher Holzbau geplant und realisiert. Die nachhaltige Bauweise erreichte man durch den vorrangigen Einsatz nachwachsender Rohstoffe.

Ein besonders großzügiges und für Kinder und Erzieher/innen gleichermaßen flexibel nutzbares Gebäude haben die Planer von Babler + Lodde Architekten Part mbB aus Herzogenaurach zusammen mit der Firma Leykam Holzbau aus Kasendorf bei Kulmbach realisiert. Das Bauvorhaben besetzt auf bislang unbebautem Grund das konzerneigene Grundstück neu. Herausgekommen ist ein schönes, nachhaltiges und flexibles Gebäude, das sich in der Architektur sehr auf die Natur bezieht. Hinzu kommen fröhliche Farben, lebendige Transparenz und die warme Ausstrahlung des Baustoffes Holz. Eine mögliche zukünftige Erweiterung war den Bauherren wichtig.

Wirkung der Architektur – Zum Entdecken einladend

Der Neubau wurde von den beauftragten Architekten als in Ost-West-Ausrichtung langgestreckte eingeschossige Box auf das Areal geplant. Dieser eingeschossige Baukörper mit Atrium füllt das Grundstück jetzt zu rund einem Viertel aus und gewährt Platz für drei Kleinkindergartengruppen. Die zugehörigen Parkflächen befinden sich vor dem Haus – hinter dem Gebäude wurde ein ca. 4000 Quadratmeter  großes Gartengelände zum Spielen angelegt. Die Abmessungen des Bauwerks in Holzrahmenbauweise betragen in der Länge knappe 48 Meter und in der Breite knapp 31 Meter.

Die Architektur hält sich bei Farb- und Materialwahl gekonnt zurück, so dass das Bauwerk einen neutralen Rahmen für die Entfaltung der Kinder darstellt, die durch ihre ganz eigene „Inbesitznahme“ das Haus und die Freianlagen lebendig werden lassen. Das Gebäude lädt zu Kommunikation und sozialer Interaktion ein und bietet Rückzug und Erholung, und zugleich viel Platz zum Spielen.

„Wir haben hier mit dem Massivholzbau viele Möglichkeiten für individuelle Planung sinnvoll ausgeschöpft“ sagt das Team des Architekturbüro Babler + Lodde Architekten Part mbB, das für die Projektleitung verantwortlich war. „Die konsequente ökologische Ausführung mit natürlichen Baustoffen für die Lärchenholzfassade, mit Brettsperrholzdecken und Holzfaserdämmstoffen, sorgt für eine gesunde, natürliche und umweltneutrale Atmosphäre.“

Hanglage clever genutzt

Das Baufeld fällt im überbauten Bereich von Nordwest nach Südost diagonal um zwei Meter ab. Diese Höhen- bzw. Hanglage wurde durch die geschickte Planung im starken Diagonalgefälle ausbalanciert. Dadurch erscheint das Gebäude teilweise in den Hang platziert und teilweise schwebend über dem natürlichen Geländeverlauf.

Die Höhenunterschiede hat man durch die Freianlagenplanung so ausgeglichen, dass alle Zu- und Ausgänge zur Kinderbetreuungseinrichtung weitestgehend „ebenerdig“ mit dem Gebäude verknüpft sind. Diese notwendigen Höhenangleichungen fanden über die Geländemodulation statt. Beschränkungen durch Baufluchten oder städtebauliche Kanten lagen bei diesem Bauvorhaben nicht vor.

Der öffentliche Bereich im Norden wurde durch den Eingang, einen Kinderwagenabstellraum, Büro- und Personalräume, Eltern-Treffpunkt und Technikräume gegliedert. In der Mitte dominieren Gemeinschaftsräume wie Mehrzweckraum, Atrium sowie „Essen und Kochen“ als halböffentliche Bereiche für Kinder und Betreuer/innen. Im Süden zum Freien und zur Natur orientiert, markieren die einzelnen Krippen- und Kindergartengruppen die privaten Bereiche.

Dialog zwischen innen und außen

Das Holzhaus soll für die kleinen und großen Benutzer als solches fühl- und erlebbar sein. Dafür wurde der Werkstoff Holz prägend im Innen- und Außenbereich für alle raumdefinierenden Bauteile eingesetzt. Die überstehenden scheibenartigen Boden- und Deckenplatten als eingeschobenes Volumen begrenzen und beruhigen zugleich das „Innenleben“. Sie generieren einen schlanken Pavillon, der an den Eckpunkten über die Dach und Bodenplatte verknüpfende Wandscheiben gerahmt und somit „geerdet“ wirkt.

Der als hölzerne Box konstruierte Bau ist ein fröhlicher Hingucker und punktet durch die von den Planern gezielt gewählten baulichen Strukturen. Die optische Spannung entsteht durch räumliche Tiefe und gradlinige Konturen. Über die Tiefe der umlaufenden der vorgelagerten Veranda kreierten die Planer auf der Ost-, Süd- und Westseite den Bezug zur Umgebung. Auf diese Weise kommt die natürliche Verbindung zum „Rundum“-Freiraum zum Ausdruck.

Einfach und linear

Das bauphysikalische Innenleben besteht aus einer bewusst gewählten Abfolge immer gleicher stehender transparenter Fensterformate und geschlossener Wandscheiben als fließende spielerische Übergänge.

„Die begrünte Dachfläche haben wir akzentuiert durch Lichtkuppeln perforiert gestaltet“, erklärt Dipl.-Ing. Architekt Stefan John. „Zudem fungiert das großzügige eingebettete Atrium als zentrale Lichtfalle. Tageslicht erreicht das Gebäudeinnere tatsächlich reihum in x-, y- und z-Achse. Zusätzlich konnten wir durch den Einbau des Atriums eine große Gebäudetiefe verwirklichen, was ein wirtschaftliches Verhältnis von Umhüllung zu Volumen ermöglichte. Schließlich haben wir die innere Struktur als Vorlage für die äußere Fassadengestaltung genutzt“.

Die lebendige und spannungsvolle Kraft der Räume hat eine einprägsame Wirkung: Ein Netz aus orthogonalen Räumen und Wegen strukturiert die Innenbereiche linear. Alle Wege führen vom Tageslicht zum Tageslicht. Die Areale mit den Begrenzungen aus geschlossenen und transparenten Bauteilen fügen sich als visuell verbundene Gebäudeelemente und mit den wechselnden natürlichen Lichtquellen perfekt ineinander. So entsteht der fließende räumliche und visuelle Übergang.

Unkomplizierte Erweiterung möglich

In der Gebäudestruktur addieren sich die immer gleichen standardisierten Bauelemente zum Gesamtgefüge. Nur wenige Sonderbauteile waren schließlich zur Errichtung des Gebäudes notwendig. Die gewünschte spätere Erweiterbarkeit trägt dem gleichen Gedanken Rechnung. Hier muss nur die Bauteilfügung „bekannter“ Elemente fortgeschrieben werden. Übergroße Spannweiten und komplizierte Raumgeometrien wurden vermieden. Die Erweiterung des Gebäudes kann zukünftig an der östlichen Stirnseite unter größtmöglicher Schonung der Freianlagen stattfinden.

Pfosten-Riegel-Konstruktion und Glaselemente

Der Eingeschosser wurde in Holzrahmenbauweise auf einer massiven 250 mm starken Stahlbetonbodenplatte errichtet und mit druckfester Wärmedämmung und Trittschalldämmung ergänzt. Die hochwärmegedämmten Hülle und zugleich Aussteifung ist eine Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Holz, Metall und großzügigen Glaselementen und geht mit herausragenden optischen, akustischen und haptischen Qualitäten einher. Die in der Zimmerei vorproduzierten Außenwände hat man als Wandtafeln mit vorgehängter hinterlüfteter Holzfassade aus heimischer Lärche realisiert.

Die Holzständerwände wurden werksseitig bereits mit 200 mm Zellulose-Wärmedämmung gefüllt, den inneren Abschluss bildet eine 15 mm starke Gipsfaserplatte, die verputzt oder gespachtelt wurde. Die Fassadenbekleidung aus vorvergrauter Lärche hat man als senkrechte Verschalung – inklusive vertikaler und horizontaler Unterkonstruktion in unterschiedlichen Breiten ausgeführt. Die Decke, aus tragendem Brettstapelholz, ist mehrschichtig aufgebaut und hat eine Spannweite von rund 7,5 Metern.

Als Verkleidung und Schallabsorbierung hat man zusätzlich eine abgehängte Decke aus Akustikpaneelen angebracht, die mit Hohlraum und einem 30 mm starken Hanf-Zusatzabsorber hinterlegt ist. Abschließend wurde eine Gipskarton-Akustikdecke mit der Richtqualität D127 eingebaut. Alle Innentrennwände als tragende und nichttragende Wandkonstruktionen wurden von den Experten der Zimmerei auf den Betonrohfußboden aufgebaut und bis zur Dachdecke geführt. Auch hier konnte man durch die vorelementierten Holzrahmenbauwände zügig arbeiten. Als Nutzböden kamen strapazierfähiges Linoleum und Fliesen zum Einsatz.

Geringe Betriebskosten – zukunftsweisendes Gebäudekonzept

Das Gebäude ist auch nach ökologischen Gesichtspunkten durchdacht. Die einfache Gebäudeform steht für ein ressourcenschonendes Baukonzept. Durch besonders viel natürliche Belichtung – trotz der Gebäudetiefe – ist ein geringer Einsatz von Kunstlicht nötig.

Durch den Einsatz von Holz als Speichermasse mit Brettsperrholz und Holzfaserdämmung wird der sommerliche Hitzeeintrag generell schon reduziert. Im Winter fällt durch den flachen Sonnenstand die Strahlung tief in die Räume, während im Sommer die steilstehende Sonne vom auskragenden Sonnenschutz abgefangen wird.

Low Tec  für die Gebäudetechnik

Bei der Planung der Gebäudetechnik setzten die Architekten auf unkomplizierte Anlagentechnik. Es wurde zwar eine dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung installiert – jedoch lediglich in den Bereichen WC und Küche/Speisesaal. Aufgrund höherer Anschaffungs- und Wartungskosten wurde auf größere Lüftungsanlagen verzichtet. Der notwendige Luftwechsel wird mit Flügelöffnungen zum Querlüften erreicht.

Es gibt zudem keine außenliegenden Verschattungselemente wie Raffstores. Zur Verdunkelung dienen herkömmliche Vorhänge, abgestimmt auf die Nutzung des Raumes.

Das Gebäude ist für den Versicherungskonzern als erster Betriebskindergarten am Hauptsitz ein Leuchtturmprojekt. Es wurde wirtschaftlich durch und durch sinnvoll geplant und hat den Vorteil, dass eine zukünftig notwendige Erweiterung um weitere Krippen- bzw. Kindergartenplätze bei Bedarf schnell umzusetzen ist.

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