Rechtsprechung

Bauplanungsrecht;
Änderungs­bebauungsplan

BauGB § 1 Abs. 7 und Abs. 8, § 10

Zum Verhältnis von Bebauungsplan und Än­­derungsbebauungsplan

BVerwG, Beschluss vom  26. Juli 2011 – 4 B 23.11 –

Aus den Gründen:

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

1. Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig be­­zeichnet die Beklagte die Frage, ob ein Änderungsbebauungsplan, in dem aus Anlass der Änderung anderer Festsetzungen auch die Auflagen der Genehmigung des Ursprungsbebauungsplanes übernommen werden, den bisher fehlenden Beitrittsbeschluss ersetzt und der bis dahin schwebend unwirksame Bebauungsplan jedenfalls mit Wirkung ex tunc ab Bekanntmachung des Änderungsbebauungsplanes wirksam wird (S. 3 der Be­­schwerdebegründung). Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie ist auf der Grundlage der vorhandenen Senatsrechtsprechung mit dem Oberverwaltungsgericht ohne Weiteres zu verneinen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein Bebauungsplan, der der Genehmigung bedarf, nicht wirksam werden, wenn er mit seinem von der Gemeinde beschlossenen Inhalt nicht genehmigt wird oder wenn der mit Maßgaben genehmigte Plan von der Gemeinde vor der Bekanntmachung der Ge­­nehmigung und der Auslegung so nicht be­­schlossen worden ist; der vom zuständigen Organ beschlossene und der mit Maßgaben beschränkt genehmigte Bebauungsplan müssen inhaltlich übereinstimmen; beziehen sich die Maßgaben auf den materiellen Inhalt des Plans, so muss sich die Gemeinde, bevor sie den Bebauungsplan in Kraft setzt, den neuen Planinhalt durch einen erneuten Satzungsbeschluss zu Eigen machen (Beschluss vom 25. Februar 1997 – BVerwG 4 NB 30.96   Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 116 S. 71 f.  juris Rn. 12 m.w.N.). Wirksam wird ein unter inhaltlichen Auflagen genehmigter Plan hiernach nur, wenn die Gemeinde den Maßgaben   ggf. nach Durch­­führung eines erneuten Beteiligungsverfahrens (vgl. Beschluss vom 14. April 2010   BVerwG 4 B 78.09   Buchholz 406.11 § 2 BauGB Nr. 43  juris Rn. 72)   beitritt und den Bebauungsplan an­­schließend bekannt macht (zu den Anforderungen an die Bekanntmachung vgl. Beschluss vom 3. Juni 2010   BVerwG 4 BN 55.09   ZfBR 2010, 581  juris Rn. 13). Diese Verfahrensschritte können durch die Be­­schluss­fassung über einen Änderungsbebauungsplan und dessen Bekanntmachung nicht ersetzt werden, auch wenn dieser aus Anlass der Änderung anderer Festsetzungen die Auflagen der Genehmigung des Ursprungsbebauungsplans übernimmt. Gemäß § 1 Abs. 8 BauGB gelten die Vorschriften des BauGB über die Aufstellung von Be­­bauungsplänen auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung. Die Änderung eines Bebauungsplans hat selbständiger Gegenstand der gemeindlichen Beschlussfassung zu sein; schon dies steht der Annahme entgegen, die Be­­schlussfassung über die Änderung des Ur­­sprungsbebauungsplans könne konkludent den Beitritt zu den der Genehmigung beigefügten Maßgaben enthalten (vgl. Urteil vom 10. August 1990   BVerwG 4 C 3.90   BRS 50 Nr. 2 S. 6, dort zur Aufhebung eines Bebauungsplans). Anhaltspunkte dafür, dass der Rat der Beklagten zugleich mit der Beschlussfassung über die 4. Änderung des Bebauungsplans auch den Auflagen des Regierungspräsidenten zu der Ge­­nehmigung des Ursprungsbebauungsplans beitreten wollte, hat das Oberverwaltungsgericht nicht feststellen können.

2. Die Beklagte möchte außerdem rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob ein Änderungsbebauungsplan bereits dann ein selbständiger Bebauungsplan ist, wenn er im Original-Bebauungsplan bereits festgesetzte Regelungen erneut festsetzt und nur einige Festsetzungen ändert, ohne in einen planerischen Gesamtabwägungsprozess einzutreten. Diese Fra­ge kann auf der Grundlage der ­bisherigen Rechtsprechung ebenfalls ohne Durch­führung eines Revisionsverfahrens be­­antwortet werden. Sie ist mit dem Oberverwaltungsgericht zu verneinen.

Ob die Unwirksamkeit eines Bebauungsplans auch eine nachfolgende Satzung zur Änderung dieses Bebauungsplans erfasst, hängt nach der Rechtsprechung des Senats davon ab, ob und inwieweit der Änderungsbebauungsplan vom Inhalt seiner Festsetzungen her gegenüber dem alten Plan verselbständigt ist. Werden  – wie das Oberverwaltungsgericht ausgeführt hat   etwa sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans im Zuge der „Änderung“ durch neue Festsetzungen ersetzt oder aber jedenfalls erneut in den planerischen Abwägungsprozess einbezogen, so ist letztlich ein eigenständiger Plan entstanden, bei dem ein „Fortwirken“ alter Fehler des Ursprungsplans nicht mehr sachgerecht erschiene; werden demgegenüber unter dem Fortbestehen der Ursprungsplanung im Übrigen nur einzelne Festsetzungen geändert, so bedeutet dies, dass nicht bezüglich der Ge­­samtheit der Planung nochmals inhaltlich in den Abwägungsprozess eingetreten zu werden braucht; dann kann die nunmehr geltende planungsrechtliche Ordnung im Bebauungsplangebiet regelmäßig nur als Einheit der alten und der geänderten Planung angesehen werden (Beschluss vom 30. September 1992   BVerwG 4 NB 22.92   Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 70 S. 116   juris Rn. 18). Wenn der Änderungsbebauungsplan sämtliche Festsetzungen des unwirksamen Ursprungsplans entweder ändert oder ohne inhaltliche Änderung neu festsetzt, kann der Änderungsbebauungsplan hiernach nur wirksam sein, wenn das zuständige Organ der Gemeinde alle Festsetzungen inhaltlich abgewogen hat, also bezüglich der Gesamtplanung nochmals inhaltlich in den Abwägungsprozess eingetreten ist. Hat es – wie hier – die Abwägung auf die inhaltlich geänderten Festsetzungen beschränkt, fehlt, wenn der Ur­­sprungs­be­bau­ungsplan unwirksam ist, für die aus diesem Plan übernommenen Festsetzungen jede Ab­­wägung. Für den Fall, dass der Änderungsplan nicht sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans neu trifft, hat der Senat den Änderungsplan als inhaltlich eigenständig anerkannt, wenn jedenfalls sämtliche Festsetzungen er­­neut in den planerischen Abwägungsprozess einbezogen worden sind. Dass eine solche Ge­­samt­abwägung entbehrlich ist, wenn der Änderungsplan alle Festsetzungen des Ur­­sprungs­plans durch neue Festsetzungen ersetzt, folgt daraus entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.


Bauplanungsrecht;

BauGB § 1 Abs. 1 Nr. 15, § 34

Zur Berücksichtigung natürlicher Über­­schwem­­­mungsgebiete in der Bauleitplanung

Zur Frage, ob Parkanlagen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB nur spezifisch als öffentliche Grünflächen festsetzungsfähig sind

BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 – 4 BN 10.11 –


Bauplanungsrecht; Raumordnungsrecht; großflächiger Einzelhandel

BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 2

Zur Beurteilung des Kaufkraftabflusses bei der Planung von Einzelhandelsvorhaben.

Zur Berücksichtigung der Belange von Nachbargemeinden gemäß § 2 Abs. 2 BauGB

BVerwG, Beschluss vom 3. August 2011 – 4 BN 15.11 –

Städtebaurecht; Normenkontrolle; planerisches Konzept der Gemeinde; mittelbare Betroffenheit 

VwGO  § 47 Abs. 2 Satz 1

BauGB § 1 Abs. 7

Die planende Gemeinde kann grundsätzlich solche Betroffenheiten unberücksichtigt lassen, die sich unmittelbar erst in anderen, regelmäßig späteren Planungen mit anderem Geltungsbereich realisieren; eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist geboten, wenn ein enger konzeptioneller Zusammenhang zwischen den Planungsbereichen besteht, auf den die Gemeinde erkennbar abstellt und der Grundlage ihrer Abwägung im vorausgehenden Planungsgebiet ist. Unter diesen Voraussetzungen sind die später betroffenen Grundeigentümer bereits im Normenkontrollverfahren gegen den vorausgehenden Bebauungs­­plan antragsbefugt.

BVerwG, Urteil  vom 16. Juni 2011 – BVerwG 4 CN 1.10 –

Aus den Gründen

Die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Annahme gestützt hat, dass die Antragsteller nicht antragsbefugt seien, halten einer bundesrechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Die Interessen von Grundeigentümern, deren Grundstücke außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans liegen, aber nach der planerischen Konzeption der Gemeinde für die verkehrliche Erschließung des Baugebiets in Anspruch genommen und deshalb in einem weiteren Bebauungsplan als Verkehrsfläche festgesetzt werden sollen, sind in eng begrenzten Ausnahmefällen bereits bei der Baugebietsausweisung abzuwägen; dann ist es auch geboten, den betroffenen Grundeigentümern hinsichtlich der Baugebietsausweisung eine Antragsbefugnis zuzubilligen. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier hinsichtlich der Bebauungspläne …. vor, weil zwischen diesen Bebauungsplänen und der Verkehrsflächenfestsetzung in einem weiteren Bebauungsplan ein enger konzeptioneller Zusammenhang besteht

Bauplanungsrecht; Beschluss:

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO sowie vorsorglich auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.

1. Soweit die Kläger Rügen vortragen, die sie wortgleich in dem Parallelverfahren BVerwG 4 BN 10.11 erhoben haben, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss vom heutigen Tage in jenem Verfahren verwiesen.

2. Auch soweit die Kläger Rügen im Zusammenhang mit der Behandlung ihrer Hilfsanträge erheben, bleibt die Beschwerde erfolglos.

2.1 Die auf den Hilfsantrag Nr. 4 bezogene Grundsatzrüge, mit der die Kläger geltend machen, ein nicht wirksam gemachter Bebauungsplan sei bis zu seiner wirksamen Bekanntmachung unerheblich, genügt nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Die Kläger beschränken sich darauf, die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, aus der Rückwirkung der Neubekanntmachung folge gerade, dass retrospektiv eine Pflicht, die Bauvoranfrage nach den Maßstäben des § 34 BauGB positiv zu bescheiden, nicht bestanden habe, als unzutreffend anzugreifen, weil sie meinen, sie sei mit Denkgesetzen nicht vereinbar. Sie scheinen indes die vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommene Rechtsprechung des Senats misszuverstehen. Mit der rückwirkenden Inkraftsetzung tritt der Bebauungsplan zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem er ursprünglich hätte in Kraft treten sollen. Damit wird dem Willen der Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Rechnung getragen. Die Rückwirkung nach Beseitigung von Form- oder Verfahrensfehlern bewirkt keine materielle Änderung des Bebauungsplans (Urteil vom 10. August 2000 – BVerwG 4 CN 2.99 – Buchholz 406.11 § 215a BauGB Nr. 7 S. 20 f.; Beschluss vom 16. Juni 2010 BVerwG 4 BN 67.09 BauR 2010, 1894 Rn. 8; vgl. auch Beschluss vom 20. September 2007 BVerwG 4 BN 20.07 BRS 71 Nr. 47). Bedient sich die Gemeinde des Mittels der Rückwirkungsanordnung zur Heilung von Form- oder Verfahrensfehlern, so stellt sie die Weichen für die städtebauliche Ordnung nicht im Nachhinein anders, sondern sie ersetzt lediglich einen formell fehlerhaften durch einen inhaltsgleichen fehlerfreien Plan mit der Folge, dass dieser Plan ab dem Zeitpunkt des ersten (scheinbaren) Inkrafttretens entgegenstehende Vorhaben ausschließt (Beschluss vom 1. Juni 2011 BVerwG 4 B 2.11 – juris Rn. 5).

2.2 Die – vorsorglich – auf die Hilfsanträge Nr. 2 und 3 bezogene Divergenzrüge scheitert daran, dass die Kläger lediglich Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auflisten, aber davon absehen, einen Rechtssatzwiderspruch durch Gegenüberstellung von Rechtssätzen aus dem angegriffenen Urteil aufzuzeigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. ↓

BERLIN

Berichtigung der Verordnung im Sinne des § 577a Absatz 2 BGB über den verlängerten Kündigungsschutz bei Umwandlung einer Miet­­wohnung in eine Eigentumswohnung (Kündigungsschutzklausel-Verordnung). Vom 06. September 2011; Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin

BRANDENBURG

Verordnung zur Änderung der Brandenburgischen Prüfsachverständigenverordnung. Vom 15. September 2011; Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg Teil II Nr. 51

Gebührenordnung für das amtliche Vermessungswesen im Land Brandenburg (Vermessungsgebührenordnung – VermGebO). Vom 21. September 2011; Gesetz- und Verordnungs­blatt für das Land Brandenburg Teil II Nr. 55

SACHSEN

Verordnung des Sächsischen Staatsministe­riums des Innern zur Durchführung des Sächsischen Vermessungs- und Katastergesetzes (Durchführungsverordnung zum Sächsischen Vermessungs- und Katastergesetze – SächsVermKatGDVO). Vom 06. Juli 2011; Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 7 S. 271

Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung. Vom 04. Oktober 2011; Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 10 S. 377

Gesetz über die Zuständigkeiten nach dem Schornsteinfeger-Handwerksgesetz und dem Schornsteinfegergesetz im Freistaat Sachsen (SächsSchfHwGzuG). Vom 04. Oktober 2011; Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 10 S. 378

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