Rauchwarnmelder: Inspektion aus der Ferne - Fortschritt oder Sackgasse?

Eine Ferninspektion von Rauchwarnmelder (RWM) unter Verzicht auf die Sichtprüfung vor Ort ist derzeit nicht normgerecht möglich. Ob damit Kosten eingespart werden können, ist ebenfalls offen. Eines steht aber fest: Im Vergleich zu Wärme- oder Wasserzählern stellen Sicherheitsprodukte wie RWM höhere Ansprüche an Inspektion und Wartung.

Viele Unternehmen der Wohnungswirtschaft erhoffen sich durch die Ferninspektion von Rauchwarnmeldern eine Senkung des Verwaltungsaufwands und der Betriebskosten. Zusätzliche Sensoren in den Meldern sollen Funktionsfähigkeit und Installationssituation der Melder prüfen und dadurch die jährliche Inspektion durch Fachkräfte vor Ort überflüssig machen. Die Ergebnisse der automatischen Prüfung werden dabei regelmäßig per Funk ausgelesen und zentral ausgewertet. Die Befürworter einer Ferninspektion verweisen auf die guten Erfahrungen, die bei der Fernauslesung von Verbrauchsdaten gemacht werden.

Rauchwarnmelder sind Sicherheitsprodukte

Die Ferninspektion von Rauchwarnmeldern lässt sich mit einer Fernauslesung jedoch in keinster Weise vergleichen. RWM warnen Wohnungsbewohner frühzeitig vor einem Feuer und können somit lebensrettend sein. Es handelt sich um Sicherheitsprodukte, an die der Gesetzgeber – im Gegensatz zu Wär­­me- und Wasserzählern – besondere Anforderungen stellt, um eine zuverlässige Funktion im Gefahrenfall zu gewährleisten. In den meisten Bundesländern sind RWM deshalb nach der Anwendungsnorm DIN 14676 zu installieren und zu betreiben. Die Norm legt Anforderungen an Geräte, Montage und Instandhaltung sowie an die Qualifikation der beteiligten Fachfirmen fest. Sie gilt als anerkannte Regel der Technik, die sich langjährig bewährt hat und von der überwiegenden Mehrzahl der Brandschutzexperten akzeptiert wird. Anerkannte Regeln der Technik werden vor Gericht häufig als Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt, wenn es beispielsweise um die Klärung von Haftungsfragen geht.

Ferninspektion nicht normgerecht

Nach der aktuell gültigen Fassung der DIN 14676 vom September 2012 ist eine Ferninspektion unter Verzicht auf die jährliche Sichtkontrolle vor Ort nicht zulässig, auch wenn anderslautende Informationen im Markt kursieren. Die DIN 14676 schreibt im Kapitel 6.2 ausdrücklich eine Inspektion und Wartung vor. Dazu gehören neben der Funktionsprüfung des RWM durch Betätigen des Testknopfes auch das Reinigen der Raucheindringöffnungen sowie gegebenenfalls der Austausch des RWM bei funktionsrelevanten Beschädigungen. Es ist leicht ersichtlich, dass diese Tätigkeiten mit einer reinen Datenauslesung aus der Ferne nicht abgedeckt werden können.

Auch das Ersetzen des Wortes „Sichtkontrolle“ durch „Kontrolle mit Anforderungen“ in der aktuellen Fassung der DIN 14676 führt nicht dazu, dass eine Ferninspektion normenkonform möglich wäre. Ursprünglich hatte der Normenausschuss zwar geplant, Anforderungen an eine Ferninspektion in einen Anhang der Norm niederzulegen und damit zuzulassen. Die Arbeit daran wurde jedoch wegen unzureichender Informationen und Erfahrungen zu diesem Thema eingestellt.

Keine Richtlinie vom Normenausschuss

Wie kritisch der Normenausschuss im DIN/DKE[1] den Informationsstand zum Thema Ferninspektion sieht, ist daraus abzulesen, dass die Erstellung einer „DIN SPEC“ abgelehnt wurde. Eine DIN SPEC ist eine Spezifikation unterhalb einer Norm und dient dazu, neue Technologien mit einem gewissen Maß an Sicherheit schnell in den Markt zu bringen. Sie kann von Unternehmen beantragt werden und an ihrer Erstellung muss die breite Fachöffentlichkeit nicht einbezogen werden. Aber dazu sah sich der Normenausschuss im DIN/DKE außerstande.

Nach mehreren Versuchen wurde ein anderes Prüfinstitut beauftragt, gemeinsam mit einigen RWM-Herstellern und Messdienstleistern ein Regelwerk zur Ferninspektion zu erarbeiten. Acht von zehn Herstellern haben diesen Arbeitskreis jedoch kürzlich verlassen, weil sie überzeugt sind, dass zuerst eine stabile normative Grundlage durch Überarbeitung der DIN 14676 geschaffen werden muss, bevor genaue Anforderungen an eine Ferninspektion entwickelt werden können. Ein konkreter Antrag wird derzeit beim DIN gestellt.

Kostenvorteile fraglich

Die Befürworter einer Ferninspektion führen außerdem gerne die zu erwartenden Kostenvorteile durch den Wegfall von Terminabstimmungen mit Mietern an. Doch bis jetzt ist völlig ungeklärt, ob sich das überhaupt in niedrigeren Kosten wiederspiegelt. Werden nämlich am RWM Funktionsstörungen aus der Ferne entdeckt, ist der Betreiber in der Pflicht, diesen Mangel unverzüglich abzustellen. Das geht wiederum nur durch den Besuch einer Fachkraft vor Ort. Wie oft solche Termine notwendig sein werden, ist schwer abzusehen. Die Kosten für solche kurzfristigen Serviceeinsätze sind vermutlich sogar höher als für langfristig geplante im Rahmen der alljährlichen Inspektion.

Problem Umnutzung

Die Funktionsfähigkeit von RWM hängt von vielen Faktoren ab. Sie dürfen weder beschädigt, beschmutzt oder überklebt sein und sie müssen sich am ursprünglichen Montageort mit dem richtigen Abstand zu Wänden, Decken und Einrichtungsgegenständen be­­finden. Gerade im privaten Wohnumfeld finden regelmäßig zahlreiche Veränderungen statt, und wenn es nur das Umstellen von Möbeln ist. Eine Umnutzung von Räumen ohne RWM kann gar nicht erkannt werden, da gar kein RWM und damit auch keine Überwachungsvorrichtung im Raum vorhanden ist. Das betrifft zahlreiche Fälle, in denen beispielsweise ein zusätzliches Kinderzimmer eingerichtet oder Wohn- und Schlafzimmer getauscht werden. Die Konsequenz wäre, vorsichtshalber alle Räume mit RWM auszustatten, was wiederrum zu höheren Kosten führt.

Wer haftet?

Wegen der fehlenden normativen Grundlage und der Umnutzungsproblematik bleibt denjenigen, die trotzdem zum jetzigen Zeitpunkt den Verzicht auf die jährliche Sichtprüfung propagieren, gar nichts anderes übrig, als die Verantwortung für die ordnungsgemäße Installation und Funktionsfähigkeit der RWM an die Mieter zu delegieren. Das äußert sich beispielsweise in vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Mietern, Umnutzungen oder bauliche Veränderungen dem Betreiber zu melden. Selbst das Umstellen von Möbeln könnte die Funktion der RWM beeinträchtigen und müsste angezeigt werden. Doch ab wann ist eine Veränderung meldepflichtig? Die Bewohner sind in vielen Fällen fachlich gar nicht in der Lage, das zu beurteilen. ↓

Knackpunkt Datenschutz

Ebenfalls ungeklärt ist die Frage des Datenschutzes, denn die meisten RWM sind in der verfassungsrechtlich besonders geschützten Wohnung installiert. Jedes technische Verfahren zur Ferninspektion sammelt Daten über das Verhalten der Bewohner und ermöglicht  so theoretisch das Anlegen von Nutzerprofilen. Zudem ist ein Fernzugriff möglich. Werden die Daten fernausgelesen und gespeichert, liegen Informationen aus dem privaten Wohnumfeld auf fremden Servern, wo sie der Kontrolle der Bewohner entzogen sind. Schon heute werden Fragen gestellt, wie: „Kann ich abgehört werden?“ oder „Ist im RWM eine Kamera eingebaut?“

Fazit

Von einer Ferninspektion von RWM unter Verzicht auf die jährliche Sichtprüfung vor Ort ist nach aktueller Sachlage abzuraten. Sie ist weder normenkonform noch sind entscheidende Kostenvorteile erkennbar.

Stattdessen sind bei Produkten, die die Si­­­­cherheit von Menschen beeinflussen, Kontrollen durch geschultes Fachpersonal unersetzlich: Der Schornsteinfeger prüft regelmäßig den Kamin, Autos müssen zur Hauptuntersuchung. Niemand käme auf die Idee, diese Inspektionen durch Fernauslesen elektronischer Speicher einzusparen und auf eine Sichtprüfung zu verzichten. Auch für Rauchwarnmelder fehlt bisher jeder Beweis, dass eine Ferninspektion den geforderten Sicherheitsstandards gerecht wird.

[1] DIN: Deutsches Institut für Normung. DKE: Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE

Rauchwarnmelder sind Sicherheitsprodukte, an die der ­
Gesetzgeber – im Gegensatz zu Wärme- und Wasserzählern – besondere Anforderungen stellt.

Laut gültiger Fassung der DIN 14676 ist eine Ferninspektion unter Verzicht auf die jährliche Sichtkontrolle vor Ort nicht zulässig.

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