Buildair: Leittagung zur Gebäude-Luftdichtheit bündelte Expertenwissen

135 Experten für Luftdichtheit, Lüftung und Thermografie trafen sich Anfang Juni zum 8. Internationalen Buildair-Symposium im Congress Centrum Hannover. Die Leittagung der Branche bot wieder ein abwechslungsreiches Vortragsprogramm und eine informative Poster- und Firmenpräsentation. Bevor jedoch der fachliche Teil der Tagung begann, ließen die Organisatoren Highlights der vergangenen 20 Jahre Revue passieren.

„Dieses Jahr wird die Idee 20 Jahre alt, einen Erfahrungsaustausch zum Thema Luftdichtheit der Gebäudehülle und deren Messung ins Leben zu rufen.“ Mit diesen Worten begann Wilfried Walther vom Energie- und Umweltzentrum am Deister e·u·[z·] den Rückblick. Die Zeitskala seiner Präsentation zeigte die Entwicklung vom nationalen BlowerDoor-Symposium zur internationalen Leittagung Buildair. Anfang der 1990er Jahre kristallisierte sich heraus, dass nicht das auf solare Gewinne maximierte, sondern das verlustminimierte Bauen zur gewünschten Energieeinsparung führt. Das wiederum funktioniert nur mit luftdichten Gebäudehüllen. Deren Umsetzung, dafür erforderliche Materialien und Technologien, prägten die Tagung ebenso wie die Messtechnik zur Ergebniskontrolle und Konzepte zur optimalen Belüftung. Und auch rechtliche Fragestellungen waren und sind Bestandteil jeder Veranstaltung. Seit 2006 bereicherten Fachleute aus anderen europäischen Ländern mit ihren Erfahrungen und Lösungsansätzen den Erfahrungsaustausch.

Wilfried Walther, selbst einer der Initiatoren und bis heute fachlicher Leiter des Symposiums, rief zahlreiche fachliche Höhepunkte in Erinnerung und sprach auch über persönliche Erfahrungen und Begegnungen in 20 Jahren Buildair-Symposium. Er dankte den Kooperationspartnern, die die Tagung in ihren Ländern zu steigender Bekanntheit verhelfen und damit zu steigender internationaler Beteiligung beitragen. Den Medienpartnern dankte er für die langjährige gute Zusammenarbeit. Sein besonderer Dank galt natürlich den Sponsoren, ohne die die Tagung so nicht vonstatten gehen könnte: pro clima Moll bauökologische Produkte GmbH (Schwetzingen), proKlima - Der enercity-Fonds (Hannover) und Platin-Sponsor BlowerDoor GmbH (Springe)
 
Das Vortragsprogramm des Buildair-Symposiums 2013 war gespickt mit praxisorientierten Referaten zur Luftdichtheitsmessung bei großen Gebäuden und in der Altbausanierung, zur Bewertung von Leckagen, zu Gebäudepräparation, Fensterfalzlüftern und Infiltrationsberechnungen. Mehrere Blöcke widmeten sich der Qualitätssicherung, dabei ging es um Erfahrungen und Ergebnisse bei Luftdichtheitsmessungen ebenso wie um thermografische Methoden. Informationen zum aktuellen Stand der Regelwerke und zu juristischen Aspekten rundeten das Programm ab.
 
Als einer der ersten Referenten trat Ulf Köpcke ans Rednerpult und zog eine juristische Bilanz in Sachen Luftdichtheit im Bauwesen. Eigentlich ein trockenes Thema, doch Ulf Köpcke verstand es, die rechtlichen Sachverhalte fesselnd darzustellen. Ausgehend von Jevons Paradoxon („Je effizienter ein Rohstoff genutzt werden kann, umso mehr steigt der Verbrauch dieses Rohstoffes“) ging er zunächst auf drei (nicht) häufig gestellte Fragen zur juristischen Beurteilung der Luftdichtheit von Gebäudehüllen ein. Im zweiten Teil seines Vortrages untersuchte er, ob das staatlich erzwungene Bau-Soll zu Gebäudeeffizienz und Luftdichtheit tatsächlich durch überragende Gemeinwohlbelange gerechtfertigt ist. Die Antwort darauf verblüffte - nachzulesen in den Tagungsunterlagen.

Lars Due von der dänischen Isolink berichtete über seine Vorgehensweisen bei der Bestimmung der Luftdichtheit von großen Gebäuden. Die Gebäude mit Innenvolumen zwischen 50.000 und 300.000 Kubikmeter wurden dabei einem traditionellen BlowerDoor-MultipleFan-Test unterzogen, wobei aus Kostengründen die Anzahl der Gebläse knapp nach dem zu erfüllenden Grenzwert bestimmt wurde (Fall 1). Im Fall 2 wurde eine Schutzdruckmessung vorgenommen, um Kosten einer sehr aufwendigen Abdichtung zwischen den Gebäudeteilen zu umgehen. Die Unterdruckmessung wurde mit einer begleitenden Leckageortung mittels Thermografie durchgeführt und daraus eine Checkliste für die Arbeiten an den weiteren acht Gebäudeteilen erstellt. Im dritten Fall wurde eine Messung gezeigt unter Zuhilfenahme der ohnehin vorhandenen Förderleistung durch Ventilatoren (Rauchgasabzug). Der 4. Fall demonstrierte schließlich Messungen von Fassadenabschnitten (raumweise) am Objekt (Lochblendenmessmethode).

Mit Spannung erwartet hatten viele Teilnehmer Vorträge, die die Kernkompetenz erweiterten. Friedemann Stelzer berichtete darüber, wie ein Jahrhundertwende-Altbau in bewohntem Zustand jetzt im EnerPHit-Standard modernisiert wurde. Energetisches Ziel war dabei, dass jede Wohnung nicht mehr als 1,5 t CO2-Ausstoß pro Jahr verursachen sollte. Das erstaunliche Fazit seiner Berechnung und Messungen: Dieses Ziel kann erreicht werden, obwohl die wärmetechnische Sanierung und Luftdichtung „von außen“ realisiert wurde und obwohl es eine große Leckage (erhaltenswerte Holzhaustüre) im Eingangsbereich gab. Eine einzelne große Leckage im unteren Gebäudeteil wirkt sich anscheinend nur unmerklich auf den Heizwärmebedarf aus, anders als es nach gängigen PHPP-Berechnungen zu erwarten wäre.

Thomas Runzheimer gab seine Erfahrungen bei der Dachsanierung von außen weiter. Anhand unterschiedlicher Objekte zeigte er, dass „durch eine mit OSB-Platten flächig neu ausgebildete luftdichtende Schicht oberseitig der vorhandenen Sparrenlage und Überdämmung“ sehr gute Ergebnisse in Bezug auf die Luftdichtheit erzielt werden kann. Er verwies darauf, dass zum einen ungünstige Witterungsverhältnisse das Kleben und Dichten stark beeinflussen können, und zum anderen die baubegleitende Prüfung zur Qualitätssicherung zwar sehr notwendig, aber schwer zu realisieren ist.

Paul Simons stellte die Frage in den Raum, wie groß Leckagen und Lufteintrittsstellen in Gebäudehüllen sein dürfen, um den Vorgaben der DIN 4108-2 zu entsprechen. Mittels  dem in dieser Norm angegebenen Fugendurchlasskoeffizienten ließen sich die Leckagegrößen mit allgemein üblichen Formeln recht schnell abschätzen. Die anschließende Diskussion der Tagungsteilnehmer förderte stark divergierende Meinungen zu einer solchen „Daumenrechnung“ zutage: Während die einen den Grenzwert anzweifelten und auf exaktere Berechnungen pochten, freuten sich andere über die unkomplizierte Methode, die ihnen die Arbeit vor Ort erleichtert.

Unterschiedlichen Methoden der Andichtung von Holzbalkenköpfen und deren Auswirkungen auf den Leckagestrom wendete sich Søren Pepers Vortrag zu. Identisch vorbereitete Musterbalken wurden dafür mit unterschiedlichsten Dichtungsmaterialien präpariert. Das niedrigste Messergebnis erzielte der Musterbalken, der über einen Injektionskanal mit einer Dichtmasse versehen worden war. Die Untersuchungen des Passivhaus-Instituts zur Luftdichtheit handelsüblicher OSB-Platten bestätigten die Aussagen auf vergangenen Symposien (2010), die besagen, dass OSB-Platten eine gewisse Luftdurchlässigkeit besitzen können, die beim Einsatz in luftdichten Gebäuden (z. B. Passivhaus) zu Problemen führen können. Peper schlug vor, die Hersteller zu Angaben bezüglich der Luftdichtheit zu verpflichten.
 
Der Frage, wie ein Gebäude nach EnEV 2014 für die Luftdichtheitsmessung zu präparieren ist, wendete sich der Vortrag von Oliver Solcher zu. Er stellte heraus, dass - für den Fall der Bestätigung des derzeitigen EnEV-Entwurfes - eine Checkliste unmissverständlich klären muss, wie die unterschiedlichen Öffnungen eines Gebäudes zu präparieren sind, damit Messdienstleister die Chance bekommen, vergleichbare Messergebnisse zu erzielen.

Auch die Posterreferenten und die Aussteller warteten mit innovativen Entwicklungen auf. Carsten Schmelczyk stellte ein völlig neues Verfahren zur Wohnungsbelüftung vor, dass Aktivitäts- und Ruhephasen der Bewohner sowie deren Abwesenheit berücksichtigt. Reiner Osterland berichtete über ein neues Gerät, das mittels Thermografiekamera Leckagen in Lüftungskanälen orten kann und diese anschließend gleich beseitigt. Wilfried Walther hat einen Amortisationstrainer (EXCEL-Tool)  entwickelt, der alle Einflussfaktoren der Energie- und Investitionskosten bei der energetischen Sanierung einbezieht und die Kostenkurve zweier Maßnahmen der nächsten 30 Jahren gegenüberstellt und auswertet. Dieses Werkzeug befähigt Bauplaner, Energieberater und andere Multiplikationen Sicherheit in der Beurteilung zu geben, mit welchen Randbedingungen eine Investition wirtschaftlich ist.

Viele weitere interessante Themen kamen in den Vorträgen zur Sprache, auf die hier leider aus Platzgründen nicht eingegangen werden kann. Allen, die gern mehr wissen wollen und die nicht an der Tagung teilnehmen konnten, seien die Tagungsunterlagen (Tagungsband mit Kurzfassungen aller Vorträge in Deutsch und Englisch sowie CD mit den Vollversionen in Originalsprache) empfohlen, die zum Preis von 23 bzw. 35 € beim e·u·[z·] erworben werden können.

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