Unscheinbar, aber wichtig –Dichtstoffe in der Fassade

Man sieht sie meist gar nicht, und doch sind sie unverzichtbar. Dichtstoffe für die elastische Verfugung von Bauteil- und Anschlussfugen sorgen für den notwendigen Bewegungsausgleich bei Fassadenteilen. Nur so sind langfristig schadensfreie Fassaden möglich. Moderne Dichtstoffe sind das Bindeglied zwischen Funktion und Ästhetik – so der Fachausschuss Baudichtstoffe der Deutschen Bauchemie. Der nachfolgende Beitrag vermittelt dazu Grundlagen.

Moderne Wohn-Architektur ist vielfältig. Neben verputzten und verklinkerten Fassaden prägen gerade in Metropolen auch Glasfassaden das Stadtbild. Daneben findet man Kombinationen unterschiedlicher Fassadenmaterialien wie etwa Beton, Holz und Metall. Auch High-Tech-Fassaden mit integrierten Solarmodulen, die steigenden Energiepreisen und wachsendem Umweltbewusstsein Rechnung tragen, werden in Zukunft auch im Wohnungsbau eine immer größere Rolle spielen.

Die Ästhetik eines Gebäudes ist wichtig. Doch auch andere Faktoren spielen bei modernen Neubauten sowie bei der Renovierung von Bestandsgebäuden eine ausschlaggebende Rolle: In erster Linie soll die Gebäudehülle dauerhaft funktionsfähig sein. Durch steigende Energiekosten und ein wachsendes Umweltbewusstsein gerade auch im Hinblick auf die Energieeinsparverordnung gewinnen außerdem Wärmedämmung und Dichtigkeit eines Gebäudes zunehmend an Bedeutung und sind ein häufiger Grund für Modernisierungsmaßnahmen an der Fassade. Diese Anforderungen können nur durch den Einsatz von geeigneten Fassadendichtstoffen erfüllt werden.

Welche Aufgabe hat der Dichtstoff?

Der elastische Dichtstoff verbindet die Bauteile aus gleichem oder unterschiedlichem Material, z. B. zwischen Fenster und Fassade und nimmt die Bewegungen der einzelnen Bauteile auf, die beispielsweise durch Windlasten, Schwingungen oder durch die temperaturbedingte Ausdehnung der angrenzenden Bauteile entstehen. Je nach Material, das für die Fassade verwendet wird, werden an den Dichtstoff unterschiedliche Anforderungen gestellt. Auch die Fugendimensionierung muss abhängig von den jeweiligen Anforderungen geplant werden.

Die Dehnfähigkeit und das Rückstellvermögen eines Dichtstoffs sind maßgeblich für die dauerhafte Bewegungsaufnahme. Infolge von Temperaturwechseln ändern sich die Bauteildimension und dadurch auch die Fugenbreite. Diese Verformungen müssen durch den Dichtstoff ausgeglichen werden. Das erfordert den Einsatz hochwertiger Materialien, die eine ausgezeichnete Haftfähigkeit sowie ein hohes Bewegungsaufnahmevermögen aufweisen.

Bei nicht ausreichendem Dehn- und Haftvermögen kann es zur Rissbildung innerhalb des Fugendichtstoffs oder zur Ablösung an den Fugenflanken kommen. Entstehen Risse, kann Feuchtigkeit, z. B. Niederschlag, in die Gebäudehülle eintreten und so erhebliche Folgeschäden auslösen: Neben Schimmelbildung und anderen Baumängeln hat die Feuchtigkeit in der Wand auch einen negativen Einfluss auf das Wärmedämmverhalten der Gebäudehülle und damit verbunden auf den Energieverbrauch des Gebäudes. Die dichten Fugen sorgen somit auch für gute bauphysikalische Eigenschaften eines Gebäudes. Doch nicht nur der Eintritt von Feuchtigkeit in den Baukörper wird mithilfe geeigneter Dichtstoffe verhindert: Zugluft und Schall bleiben ebenfalls draußen.

Auch für die Sicherheit eines Gebäudes ist die Verwendung eines geeigneten Dichtstoffs wichtig, denn die Aufnahme der Bewegung verhindert, dass Zwängungskräfte entstehen, die wiederum zum Bruch von Fassadenbauteilen führen könnten.

Planung der Fugendimension

Damit ein Dichtstoff die gestellten Anforderungen optimal erfüllen kann, müssen Fugenplanung, Materialauswahl und Ausführung der Fuge fachgerecht durchgeführt werden. Die Fugengeometrie muss abhängig von Material und Größe der angrenzenden Bauteile geplant werden. Bei Sonneneinstrahlung im Sommer können Fassaden-oberflächen, je nach Material, Temperaturen zwischen 80 und 100 °C erreichen. Dadurch findet eine Ausdehnung der Bauteile statt, die Fuge wird schmaler. Die Fugenplanung muss solche und andere Szenarien berücksichtigen. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Dichtstoff in der Lage ist, die Bewegung der Bauteile aufzunehmen. Die konstruktive Auslegung von Fugen in Mauerwerks- oder Betonfassaden erfolgt gemäß der DIN 18540.

Ebenfalls berücksichtigt werden muss die Art der Fassadenkonstruktion, bei der zwischen ein- oder mehrschalig hinterlüfteten Fassaden unterschieden wird. Beispiele dafür sind Lochfensterfassaden, Pfosten-Riegel-Fassaden sowie Structural Glazing (verklebte Glasfassaden ohne sichtbare Rahmenteile), für die unterschiedliche bauphysikalische Anforderungen gelten und daher unterschiedliche Dichtstoff-Materialien zum Einsatz kommen.

Auswahl des Dichtstoffs

Die Auswahl eines geeigneten Dichtstoffes erfordert eine frühzeitige Planung und muss zudem von den jeweiligen Anforderungen abhängig gemacht werden. Bei Anschluss– und Bauteilfugen werden Dichtstoffe mit einer hohen maximal zulässigen Gesamtverformung (nach ISO 11600 bis zu 25 %) eingesetzt. Neben den physikalischen Eigenschaften des ausgehärteten Dichtstoffs spielt auch die Verträglichkeit mit verschiedenen Materialien eine entscheidende Rolle. Dichtstoffe haften auf den meisten bauüblichen Untergründen, wobei die einschlägigen Hinweise der Dichtstoffhersteller zu beachten sind. Oft ermöglicht erst eine Vorbehandlung des Untergrundes die stabile Haftung zwischen Dichtstoff und Bauteil.

Es wird empfohlen, bei anspruchsvollen Anwendungen z.B. bei Naturstein- und Glasfassaden, die Dichtstoffauswahl gemeinsam mit den Herstellern zu treffen. Denn auch für anspruchsvolle Untergründe gibt es Lösungen. Mit Hilfe spezieller Testverfahren kann dann die gezielte Auswahl eines Dichtstoffes für die jeweilige Anwendung erfolgen.

Um die dauerhafte Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Fassade zu gewährleisten, müssen Planer bzw. Fassadenbauer und Dichtstoffhersteller von Anfang an eng zusammenarbeiten und für den konkreten Fall den optimalen Dichtstoff ermitteln.

Entscheidend ist neben der Fugenplanung und Auswahl des Dichtstoffs auch die fachgerechte Ausführung der Fuge. Dabei sind unbedingt die Angaben des Herstellers wie auch der empfohlene Temperaturbereich bei der Ausführung zu beachten.

Werden beim Bau Fugenplanung, Dichtstoffauswahl und Fugenausführung in geeigneter Weise berücksichtigt, leistet der Dichtstoff einen wichtigen Beitrag zu Lebensdauer und Qualität des gesamten Gebäudes. Durch eine regelmäßige Überprüfung der Funktionsfähigkeit kann der hochwertige Dichtstoff beim richtigen Einsatz über Jahrzehnte die gestellten Anforderungen erfüllen.

Je nach Material, das für die ­Fassade verwendet wird, werden an den Dichtstoff unterschiedliche Anforderungen gestellt.

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