Aufzugsnachrüstung: Wenn der Platz fehlt

Aufzugsnachrüstung innerstädtisch: Bei kleineren Wohnobjekten und beengten Grundstücksverhältnissen sind flexible und platzsparende Lösungen gefragt.

Ein beträchtlicher Teil älterer Geschosswohnungsbauten verfügt nach wie vor nicht über einen Aufzug. Besonders im individuellen Geschosswohnungsbau in den urbanen Vierteln der Städte besteht noch erheblicher Nachholbedarf. Dabei nur an Rollstuhlfahrer und ältere Bewohner in den oberen Etagen zu denken, wäre zu kurz gegriffen. Gerade junge Familien schätzen die hohe Wohnqualität der Altbauquartiere und den Komfort des Aufzugs, wenn es um den Transport von Kinderwägen, Einkäufen oder Getränkekisten geht.

Hoher Standardisierungsgrad

„Bei der tendenziell kleinteiligen und engen innerstädtischen Bebauung kommt es auf flexible und platzsparende Lösungen an“, berichtet Ahmet Gür vom Aufzugsunternehmen Merkur Schoppe, einem Berliner Anbieter, der zum deutschlandweiten Haushahn-Netzwerk gehört. Der Vertriebsleiter hat bereits eine Reihe von Nachrüstungsprojekten in der Hauptstadt betreut.

Hersteller wie Haushahn bieten je nach Bedarf verschiedene Nachrüstungsmöglichkeiten, die außerhalb oder innerhalb des Ge­­bäudes für die gewünschte vertikale Mobilität sorgen. Neben der eigentlichen Anlage wird auch die erforderliche Schachtkonstruktion geliefert. Ein hoher Standardisierungsgrad sorgt für schnelle Montagezeiten. „Alle Teile sind im Werk vorkonfektioniert und werden auf der Baustelle nur noch montiert“, ergänzt Ahmet Gür. „So wird der Aufzug inklusive der Abnahme durch eine zugelassene Überwachungsstelle innerhalb von acht Wochen vor Ort montiert und übergeben.“

Nachrüstung an der Außenfassade als Regelfall

Bei einem Projekt des Berliner Büros Gärtner Architekten im begehrten Ortsteil Prenzlauer Berg haben Gür und sein Team den Aufzug außenseitig nachgerüstet. Eine durchaus typische Lösung, wie der Vertriebsleiter be­­richtet: „Bei rund 80 % aller Altbauten wird der Aufzugsschacht an der Hoffassade errichtet.“ Zum Einsatz kommt meist eine vollverglaste Stahlkonstruktion, mit der unnötige Verschattungen benachbarter Wohnungen vermieden werden. Aber auch geschlossene oder teilverglaste Schächte lassen sich optisch ansprechend realisieren.

Außenseitige Aufzugsnachrüstungen sind in der Regel genehmigungspflichtig. Baurechtliche Regelungen wie Abstandsflächen oder die notwendige natürliche Belichtung von Aufenthaltsräumen müssen eingehalten werden. Ähnlich wie Erker oder Balkone können allerdings auch Aufzugsschächte – bei Einhaltung gewisser Höchstmaße und Mindestabstände – als Vorbauten gelten, die über die Außenwand hinausragen dürfen. Nicht zuletzt müssen Feuerwehrzufahrten gewährleistet bleiben. Für Ahmet Gür lautet die Frage daher oft: Wie viel Aufzug lässt sich bei einer durchschnittlich verfügbaren Tiefe von rund 1,50 m realisieren?

Der Haushahn-Ingenieur kann dabei auf Modelle zurückgreifen, die durch eine kompakte Technik breitere Kabinen in engen Schächten ermöglichen. An der Danziger Straße in Prenzlauer Berg fiel die Entscheidung zugunsten eines Aufzugs vom Typ lifeLine mit einer Nutzlast von 400 kg oder 5 Personen. Im Vergleich zu älteren Modellen bietet die Anlage bei gleichen Schachtmaßen einer Person mehr Platz. Der Raumgewinn wird unter anderem durch eine platzsparend im Schachtkopf montierten Motor erreicht. Zusätzlich ermöglicht die Tragriementechnologie, die statt der sonst üblichen Stahlseile eingesetzt wird, kleinere Treibscheiben. Dadurch wird auch eine möglichst geringe Geräuschentwicklung und hohe Laufruhe erzielt.

Zugang zum Aufzug

Zusätzlich zum Anbau des Schachtes müssen auf den Etagen die entsprechenden Zugänge geschaffen werden. Eine direkte Erschließung der Wohnungen durch einen Aufzug, wie es in amerikanischen Filmen immer wieder gezeigt wird, ist in Deutschland allerdings unüblich. Und es gibt gute Gründe dafür: So ist beispielsweise schon aus versicherungstechnischen Gründen eine separate Wohnungstür vorgeschrieben. Auch die Anforderungen an den Brandschutz sind ohne zusätzliche Maßnahmen nicht zu erfüllen.

Der Zugang zum Aufzug sollte daher immer zum Treppenhaus oder Flur eines Penthouses erfolgen. Nicht selten macht in diesem Punkt der gegebene Grundriss einer komplett barrierefreien Zugänglichkeit einen Strich durch die Rechnung. „Üblicherweise liegen die Zwischenpodeste der Treppenläufe an der Außenfassade“, berichtet Ahmet Gür. In diesen Fällen wird meist jedes zweite Podest durch den Aufzug angefahren.

Die Bewohner müssen dann nur noch jeweils ein halbes Geschoss auf- oder abwärts zu ihren Wohnungen überwinden. „Dennoch bedeutet der Aufzug gerade für die oberen Etagen einen erheblichen Komfortgewinn und zugleich wird ein barrierearmes Wohnumfeld erreicht, das für viele bereits eine erhebliche Verbesserung darstellt.“ Gärtner Architekten gehen bei ihren Projekten häufig einen Schritt weiter und binden jedes mögliche Treppenpodest an den Aufzug an. Dadurch werden mehr Wohnungen über eine halbe Treppe abwärts erreichbar – eine Lösung, die von vielen als komfortabler empfunden wird als der Aufstieg.

Nachrüstung im Treppenhaus

Eine Lösung zur Nachrüstung innerhalb des Gebäudes bot sich bei einem Altbau in Kreuzberg. Hier konnten Gärtner Architekten mit einem Schachtgerüst im Treppenauge planen. Mit dieser Möglichkeit, die aufgrund der Gegebenheiten deutscher Altbauten seltener anzutreffen ist, kann nach Fertigstellung des Objektes ein barrierearmer Zugang zu allen Geschossen erreicht werden.

Geeignet sind vor allem Gebäude mit einem innenliegenden Treppenhaus und einer dreiläufigen Treppe. Zwar ist der Luftraum zwischen den Läufen meist sehr eng bemessen, ein einbaufertiger Aufzug wie der Haushahn lifeLine kann ihn allerdings aufgrund seiner flexibel anpassbaren Tür- und Kabinenmaße optimal ausfüllen. Um den Aufzug auch optisch zu integrieren, haben Gärtner Architekten die Lage der Kämpfer des Schachtgerüsts an die historischen Treppenläufe angepasst.

Letztendlich gilt: Die derzeit in vielen Städten praktizierte Nachverdichtung bietet auch die Chance, durch den Einbau von Aufzügen den seit langem geforderten barrierearmen Wohnraum im Bestand zu schaffen. Die Aufzugsunternehmen unterstützen diese Entwicklung mit Modellen, die sich trotz eines hohen Standardisierungsgrads maßgeschneidert an die Gegebenheiten anpassen lassen. „Zumindest bei unseren Berliner Altbauten mit ihren markanten Hinterhöfen sind Aufzugsnachrüstungen daher in der Regel gut zu realisieren“, resümiert Ahmet Gür seine Erfahrungen in der Hauptstadt.

Die in vielen Städten praktizierte Nachverdichtung bietet die Chance, durch den Einbau von Aufzügen den seit langem geforderten barrierearmen Wohnraum im Bestand zu schaffen.

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