Energetisches Vorbild: Berliner Schloss spart richtig Energie

Bundesminister Dr. Peter Ramsauer startete zusammen mit Staatsminister Bernd Neumann und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit im Juni 2012 die Gründungsarbeiten zum Bau des Humboldtforums im ehemaligen Berliner Schloss.

Im Mai diesen Jahres wird die Bundesregierung zusammen mit dem Senat von Berlin und allen Projektbeteiligten feierlich den Grundstein für den größten deutschen Kulturbau im Herzen Berlins legen. Trotz Rekonstruktion großer Teile der Außenfassade unterliegt auch diese Baumaßnahme den geltenden baupolitischen Anforderungen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) zur Senkung des Energiebedarfs und zum Einsatz erneuerbarer Energien. Auch das Humboldtforum soll energetisch der Vorbildfunktion für Gebäude des Bundes, selbst unter der spezifischen Aufgabenstellung Bauen im historischen Kontext, gerecht werden.

Der Planungsfortschritt der für den Bau verantwortlichen Bauherrin Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum bestätigen diese Zielsetzung: Der Jahres-Primärenergiebedarf sowie der mittlere Wärmedurchgangskoeffizient der gesamten Gebäudehülle unterschreiten die geltende Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) für Gebäude um mehr als 30 %. Diese Werte werden erzielt durch die Nutzung großer Anteile regenerativer Energie in der Gebäudetechnik. Diese Vorgabe des BMVBS wird vom Architekten Franco Stella und allen beteiligten Ingenieuren erfolgreich umgesetzt. Ich wage somit die These: In der deutschen Hauptstadt wird das energieeffizienteste Schloss in historischer Kubatur wieder aufgebaut, das jemals in der Welt realisiert wurde.

Umweltfreundliche Wärmeversorgung

Die Wärmeenergie wird zu 85 % gedeckt aus energiesparender und Klima schonender Kraft-Wärme-Kopplung des örtlichen Fernwärmenetzes. 15 % werden mittels Wärmepumpen aus geothermischen Erdschichten erzielt. Der Kältebedarf im Winter wird zu 100 % über Geothermie und der Nutzung der saisonalen Winterkälte abgedeckt. Der Kältebedarf im Sommer wird zu 15 % über Geothermie abgedeckt und zu 50 % durch elektrisch betriebene Kältemaschinen erzeugt. Für Spitzenlasten werden 35 % mittels eines Eisspeichers bereit gestellt. Die Realisierung der regenerativen Energieform Erdwärme aus Geothermie im Projekt Humboldtforum entspricht der bau- und energiepolitischen Position der Bundesregierung.

Sparsamkeit war auch bereits zu preußischen Zeiten Thema auf der damaligen politischen Agenda. Der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. übernahm nur sehr unwillig das von seinem Vater angefangene Schlossbauvorhaben. Er vollendete den repräsentativen Bau mit dem zweiten Schlosshof nach dem Entwurf von Eosander von Göthe. Dabei fiel der Innenausbau unter seiner Regentschaft, wie auch bei seinen anderen Bauten Schloss Rheinsberg oder Caputh, zunächst sehr sparsam aus. So prägten das Erscheinungsbild der Innenräume einfache Holzdielen und lediglich geputzte Wände.

Außenwände wurden damals mit massiven Ziegelsteinkonstruktionen ausgeführt. Diese Bauweise mit bis zu 4 m Dicke im Keller würde auch heute noch für ausreichenden Wärmeschutz sorgen. Das moderne Traggerüst für den Neubau Berliner Schloss - Humboldtforum wird eine Betonkonstruktion sein. Vor diese Konstruktion wird eine 60 cm starke Ziegelsteinfassade gestellt. Sie trägt die Sandsteinvorlagen und Fenstereinfassungen aus Naturstein. Beide Konstruktionsschichten sind durch eine Kerndämmung und eine Luftschicht voneinander getrennt. Die geschlossenen Außenwände beim Berliner Schloss mit einer Fläche von insgesamt 60.000 m2 weisen einen um 31 % niedrigeren Wärmedurchgangskoeffizienten auf als in der EnEV 2009 gefordert. Bei den zeitgenössischen Vorhangfassaden im Schlossforum wird der in der EnEV 2009 vorgegebene Wert sogar um 37% unterschritten. Dieser öffentliche Fußgängerdurchgang quer durch das Gebäude, vom Lustgarten im Norden zum Schlossplatz im Süden, nennt der italienische Architekt die „Uffizien von Berlin“.

Auch bei den Fenstern wird die Vorgabe der EnEV 2009 um 34 % unterboten. Wobei gerade die Fensterkonstruktion eine Herausforderung an die Planer darstellt. Die Fenster müssen sich nach außen in die historische Fassadenrekonstruktion einpassen. Gleichfalls müssen sie ebenso Anforderungen an die Farbwiedergabewerte der anschließenden Museums- und Ausstellungssäle erfüllen. Die historische Fassadenkonstruktion bedingt den Einbau der Fenster schlüssig an die Mauerwerkskonstruktion. Die Fensterrahmen stehen daher in der Achse der Kerndämmung und müssen somit sehr hohe Anforderungen an die thermische Trennung erfüllen. Die Fensteranforderungen an Farbwiedergabeindex, an geeignete Glasstärken, an Einfärbungen und an Wärme- bzw. Sonnenschutz erforderte eine große Anzahl von theoretischen und experimentellen Variantenuntersuchungen.

Das Raumklima muss stimmen

Die Konservatoren der Staatlichen Museen zu Berlin stellen hohe Anforderungen an Raumlufttechnik von Ausstellungsräumen. Es gilt, die hochempfindlichen Exponate der beiden Hauptnutzer des Humboldtforum, des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst, dauerhaft zu erhalten. So darf die Temperatur in den Ausstellungssälen nicht über 25 °C steigen. Gleichzeitig ist eine mittlere relative Luftfeuchtigkeit von 52 % mit einer maximalen Toleranz von +/-3 % sowie mit einer Toleranz bei der Innentemperatur von nur +/-1 K sicherzustellen.

Die Herausforderung zur Umsetzung dieser hohen Anforderungen wird deutlich, wenn man sich die ebenfalls hohe Besucherannahme anschaut. Für drei repräsentative Räume im Ausstellungsbereich wurde deshalb eine Computersimulation errechnet. Die Simulation ergab, dass die geplante Bauteilaktivierung über die Decken, mit Abluft über eine Schattenfuge und bei Zuluftführung über Bodeneinlässe, die geforderten Werte liefert. Zudem wurde deutlich, dass aufgrund der hohen Wärmedurchgangskoeffizienten der Außenwandkonstruktion in den Ausstellungsräumen fast ausschließlich innere Wärmelasten bestimmend sein werden. Während der Öffnungszeiten der Ausstellungen besteht hier daher ganzjährig Kühlbedarf. Die Bauteilaktivierung auf energetisch optimalem Niveau wird diese Herausforderung kennzeichnen.

Was das bezogen auf die Einhaltung der Vorgaben der EnEV 2009 bedeutet, zeigt sich aber erst bei der Produktion der erforderlichen Wärme-, Kälte- und Raumluftkapazitäten. Das Humboldtforum bezieht 85 % Wärmeenergie aus Fernwärme. Deshalb ist der zulässige Jahres-Primärenergiebedarf um 30 % zu unterschreiten. Dies wird mit 31 % Unterschreitung erfüllt.Vor dem Hintergrund des 85 %tigen Bezugs von Fernwärme konzentriert sich die Reduzierung des Primärenergieverbrauchs besonders auf die energieintensive Kälteproduktion und die Raumlufttechnik. Hier sind die Verbraucher von Kälteenergie zunächst in zwei Temperaturniveaus getrennt. Auf diese unterschiedlichen Niveaus können die jeweiligen Kältemaschinen optimal ausgerichtet werden. Zur weiteren Optimierung des Kälteprozesses werden die Rückkühler als Hybrid-Kühler mit Nutzung der adiabatischen Verdunstungskälte eingesetzt. Die hybride Bauform ist notwendig, damit bei sommerlichen Spitzentemperaturen die Kältemaschinen ohne Leistungseinbußen betrieben werden können.

Zur weiteren Absicherung der Kälteversorgung der Museumsflächen und zur Reduzierung der elektrischen Leistungsspitze des Humboldtforums wird ein Eisspeicher installiert. Für die Versorgung der kältetechnischen Grundlastabnehmer (IT-Technik, Medientechnik) wird eine Erdsonden gekoppelte Wärmepumpe mit einer Kälteleistung von 400 kW installiert. Die Erdsondenfelder in je 100 m Tiefe werden als saisonaler Energiespeicher ausgeführt. Das heißt, die Bohrungen werden sehr kompakt gesetzt.

Erst Kaiser Wilhelm II. hat zum Ende des 19. Jahrhunderts eine damals moderne Heizungs-, Warmwasser- und Sanitärtechnik in das Schloss einbauen lassen. Teile der großen historischen Ventilatoren für die Warmluftheizung wurden während der Ausgrabungen im verschütteten Kellerbereich gefunden. Sie werden mit anderen historischen Originalfunden im „Archäologischen Fenster des Schlosses“ im Untergeschoss des Humboldtforums ausgestellt werden. Moderne Haustechnik und barocke Fassade passten bereits vor 130 Jahren gut zusammen.

Diplom-Ingenieur, Diplom-Kaufmann Rainer Bomba, Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

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