Doppelt dämmt besser

Erfolgreiche WDVS-Aufdoppelung nach Brand. Trotz einem schwierigen Schadenbild konnte ein Totalabriss abgewendet werden.

Für 24 Mietparteien eines mehrgeschossigen Wohngebäudes in Ludwigshafen-Oggersheim begann das Jahr 2009 mit einem Schock: Eine Silvesterrakete hatte sich auf einen Balkon im vierten Stock des 1972 errichteten Hauses verirrt und dort abgestellte Gegenstände in Brand gesetzt. Das Feuer erfasste die Attika und breitete sich als Schwelbrand über das Kaltdach aus. Dabei wurde das 1998 aufgebrachte Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) im obersten Geschoss auf breiter Front zerstört. Das Löschmittel der Feuerwehr tat ein Übriges: Große Mengen Wasser und Schaum flossen im Zuge der 16 Stunden dauernden Brandbekämpfung ins Gebäudeinnere und setzten auch der WDVS-ummantelten Fassade zu: Das Putzsystem wurde in mehreren Partien hinter- und durchfeuchtet, so dass es sich teilweise vom aufgehenden Mauerwerk löste. Das komplexe Schadensbild erforderte eine ausgeklügelte Sanierung.

Durch den Schwelbrand war die Polystyroldämmung im obersten Stockwerk fast vollständig abgeschmolzen. Darunterliegende Bereiche der Fassade wiesen löschmittelbedingte Schäden auf. Nach eingehender Begutachtung des Schadenausmaßes und Prüfung mehrerer Sanierungswege entschied sich die SOKA-BAU als Eigentümerin der Liegenschaft für die weitreichendste Lösung. Dabei ließ sie über die eigentliche Instandsetzung hinaus eine energetische Ertüchtigung der Gebäudehülle durch Aufdoppelung des Capatect WDVS vornehmen – schon, um absehbare weitere Verschärfungen der Energieeinsparverordnung möglichst langfristig vorwegzunehmen. Mit der Genehmigungs- und Ausführungsplanung einschließlich Bauüberwachung wurde das Büro des Mannheimer Architekten Dipl.-Ing. Wolfgang Barthel betraut.

Begehung vor Ort erforderlich

An der Brandbekämpfung in Oggersheim waren insgesamt 54 Feuerwehrleute aus Ludwigshafen und dem benachbarten Frankenthal beteiligt. „Nach Abschluss der aufwändigen Löscharbeiten, an denen auch die Werksfeuerwehr der in Ludwigshafen beheimateten BASF mitwirkte, schien ein Totalabriss der Fassadenbekleidung wahrscheinlich. Der Balkon im obersten Geschoss, auf dem das Feuer ausgebrochen war, präsentierte sich in Gänze ausgebrannt. Die Kaltdachkonstruktion war durch den Schwelbrand schwer beschädigt worden und musste von der Feuerwehr geöffnet werden, um Glutnester auszuheben und einen Nachbrand zu verhindern“, berichtet Günter auf der Landwehr, gebietszuständiger Außendienstmitarbeiter des WDVS-Anbieters Caparol.

Blick hinter die Fassade

„Erfahrungsgemäß sind wir davon ausgegangen, dass die Wärmedämmschicht hinter der Putzschale im Bereich des Feuers abgeschmolzen war“, erläutert Diplom-Chemiker Dr. Jürgen Jager, techn. Kundenberater im Unternehmensbereich Fassaden- und Dämmtechnik bei Caparol. Der Experte aus Ober-Ramstadt/Hessen war zur Schadensbegutachtung hinzugezogen worden, um in enger Abstimmung mit dem Architekten geeignete Sanierungsvorschläge zu unterbreiten. Dabei stand das Ziel im Vordergrund, den vorübergehend ausquartierten Mietern alsbald den Wiedereinzug in ihre angestammten Wohnungen zu ermöglichen.

Bei näherer Betrachtung und der Entnahme von Bohrkern-Stichproben vor Ort offenbarte sich ein Schadensbild, das differenzierter ausfiel als zunächst erwartet: Durch Feuer-, Hitze-, Rauch- und Löschmitteleinwirkung waren zwar die Attika und die Dachkonstruktion weitgehend zerstört worden; auf die Wärmedämmung an den Außenwänden und das Putzsystem traf diese Diagnose allerdings nur in Teilbereichen zu. „Die eingehende Untersuchung auffälliger Befundstellen förderte einige aufschlussreiche Erkenntnisse über das tatsächliche Brandverhalten der verbauten WDVS-Elemente zu Tage, die wir so nicht ohne weiteres erwartet hätten. Insbesondere war keine Brandweiterleitung in der Dämmstoffebene feststellbar“, konstatiert Dr. Jager. 

Differenziertes Schadensbild

So entpuppte sich das vorhandene Wärmedämm–Verbundsystem mit seinen 80 mm dicken Polystyrol-Dämmplatten auch nach dem Brand in weiten Teilen als intakt. Zwar waren etliche der vormals weißen Dämmelemente in Brandherdnähe weggeschmolzen; dies betraf jedoch keineswegs die gesamte Fassadenfläche, sondern nur Bereiche oberhalb der Fensterstürze des vierten Geschosses. Die dort verbaute Polystyroldämmung konnte der Hitzeeinwirkung naturgemäß nicht standhalten, leitete den Brand in der Dämmebene je­­doch nicht in tiefer liegende Geschosse weiter. Vielmehr bildeten sich durch den ablaufenden Dämmstoff hinter der Putzschale diverse Taschen, die wie eine Barriere wirkten.

Ablösungen durch Löschwasser verursacht

In tiefer liegenden Fassadenbereichen war hauptsächlich das Löschmittel schadensursächlich gewesen: Die 16-Stunden andauernde Bewässerung durch die Feuerwehr hatte eine Durchfeuchtung des Putzsystems sowie stellenweise eine bräunliche Verfärbung des Oberputzes bewirkt. Die dahinter liegende Dämmung wies indessen überwiegend keine oder nur geringfügige Veränderungen auf.

Ein ähnlicher Befund zeigte sich auch in anderen Abschnitten der Fassade, die sich sowohl von der Größe her als auch durch das Ausmaß der Beschädigungen voneinander teils erheblich unterschieden: Im obersten Geschoss war die Dämmung fast vollständig weggeschmolzen. In anderen Fassadenabschnitten hinterließ das ablaufende Löschmittel auf der Putzoberfläche deutlich sichtbare Schlieren, während etliche Partien der gedämmten Fassade weitestgehend unbeschädigt blieben: Ein einheitliches Brandschadensbild für alle Ge­­bäudeaußenwände war in Ludwigshafen so­­mit nicht zu attestieren.

Große WDVS-Teilflächen unversehrt

 „Zwischen eindeutig losen Putzbahnen wies die WDVS-ummantelte Fassade in bauphysikalischer Hinsicht einen überraschend guten Zustand auf. Druckversuche mit dem Handballen hatten dort keine Auffälligkeiten ergeben“, bestätigt Architekt Wolfgang Barthel.

Die Befürchtung, die Putzschale hätte sich fast vollständig vom Putzträger gelöst, wurde durch die Begehung mit eingehender Untersuchung diverser Schadstellen widerlegt. Für die Wiederherstellung der Fassade boten sich vor diesem Hintergrund drei unterschiedliche Sanierungswege an:

– I. Rückbau und Neuaufbau: Grundsätzlich war ein Rückbau der gesamten Außenwanddämmung denkbar, zumal sich daran ein homogener Neuaufbau des WDVS angeschlossen hätte. Allerdings wäre die Applikation eines komplett neuen Dämmsystems keine Sanierungsmaßnahme im Bestand gewesen, so dass die Neubau-Anforderungen der Energieeinspar-Verordnung (EnEV in der Fassung von 2007) maßgeblich gewesen wären. Ob und in welchem Umfang sich die Brandschadenversicherung an den Kosten dieser Baumaßnahme beteiligt hätte, schien zumindest fraglich; durch eine juristische Klärung vor Inangriffnahme der Instandsetzung aber wäre der Wiedereinzug der Mieter möglicherweise erheblich verzögert worden. Deshalb kam der vollständige Rück- und Neuaufbau des WDVS in Ludwigshafen für die SOKA-BAU als Eigentümerin der Liegenschaft nur als ultima ratio in Betracht. Das Wohl der Mieter hatte Vorrang.

– II. Instandsetzung durch selektive Ergänzung: Alternativ bot sich eine exakte Bestandsaufnahme einschließlich Vermaßung und Markierung aller geschädigten Teilflächen an. Daran sollte sich der partielle Rückbau einer Musterpartie (nahe des Brandherdes zwischen den dortigen Balkonen) anschließen, um die bauphysikalische Grundlage für eine WDVS-Sanierung im Bestand sicher zu ermitteln.

Der Rückbau beschränkt sich bei dieser Vorgehensweise im Wesentlichen auf das Strippen von Putz und Armierungsschicht. An Probestellen innerhalb der Musterpartie ist außerdem die Funktionstüchtigkeit des Kleberbetts durch Entfernen der Dämmplatte zu überprüfen. Auch die Oberflächenqualität der Putzträgerplatte ließe sich nach dem Entfernen der Putz- und Armierungsschicht einer Zustandskontrolle unterziehen; etwaige Unregelmäßigkeiten wären durch Nachschleifen zu egalisieren und Fehlstücke an Schadstellen passgenau zu ergänzen. Die einwandfrei hergerichteten Dämmplatten sind abschließend mit einer Armierungsschicht vollflächig zu überziehen und mit einem neuen Dekorputz in passender Farbe zu bekleiden.

Für die intakt gebliebenen WDVS-Partien sah diese Sanierungsvariante eine Grundierung nebst Flächenspachtelung mit Gewebeeinlage analog zur Armierungsschicht des ursprünglichen WDVS sowie die Applikation eines passenden Dekorputzes vor.

– III. Sanierung plus energetische Ertüchtigung: Einen Schritt weiter ging Dr. Jager mit seinem dritten Vorschlag: Um ein einheitliches Fassadenbild und gleichzeitig einen optimalen energetischen Standard zu erzielen, schlug der Fachmann vor, die Fassadendämmung analog zum zweiten Sanierungsweg partiell instandzusetzen, zusätzlich aber mit 80 mm dicken Dalmatinerplatten (WLG 035) von Caparol vollflächig aufzudoppeln, Brandriegel einzuziehen, die Außenwände komplett neu zu armieren sowie abschließend flächendeckend zu verputzen. Der Vorteil dieser Variante lag darin, dass es sich um eine besonders zukunftsträchtige Sanierung im Bestand handelte, die zu einer erheblichen Verbesserung der Wärmedämmung und zu einer Optimierung des Energiebedarfs aller drei betroffenen Gebäude führt.

„Die Vorgehensweise des Aufdoppelns ist bekannt und erprobt. Eine Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) für dieses Verfahren ist vom Deutschen Institut für Bauphysik (DIBt) wie beantragt zuerkannt worden. Außerdem entspricht das Gebäude nach fachmännischer Ausführung der Dämmarbeiten auf lange Sicht den Anforderungen der EnEV, was den Bewohnern zusätzliche Energiesparpotenziale erschließt, ein Plus an Wohnkomfort mit sich bringt und zudem den merkantilen Wert der Immobilie deutlich steigert“, fasst Dr. Jürgen Jager die Vorzüge des dritten Wegs zusammen. Diese Sicht der Dinge überzeugte die SOKA-BAU, die den entsprechenden Auftrag zur Sanierung durch Instandsetzung plus Aufdoppelung an den auf WDV-Systeme spezialisierten Verarbeiterbetrieb Kurt Glöckler aus dem fränkischen Oberthulba vergeben ließ. Sämtliche Arbeiten wurden innerhalb kürzester Zeit fachgerecht erledigt, so dass die ersten Mieter bereits im März 2009 den Wiedereinzug in ihr neues altes Zuhause feiern konnten.

Der Vorteil lag darin, dass es sich um eine besonders zukunftsträchtige Sanierung im Bestand handelte, die zu einer erheblichen Verbesserung der Wärmedämmung und zu einer Optimierung des Energiebedarfs aller drei betroffenen Gebäude führt.

Die 16-Stunden andauernde Bewässerung durch die Feuerwehr hatte eine Durchfeuchtung des Putzsystems sowie stellenweise eine bräun­liche Verfärbung des Oberputzes bewirkt.

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