Interview mit Axel Gedaschko

BBB: Die Bundesregierung will das KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ komplett streichen. Das würde die Schaffung seniorengerechter Wohnungen erschweren. Doch abgesehen davon: Ist es überhaupt realistisch, dass die Nachfrage an altersgerechten Wohnungen durch Bauen im Bestand überhaupt bedient werden kann?

AG: Man kann es schaffen, aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir müssen Anreize setzen, damit die Wohnungsunternehmen investieren. Es ist ein Bereich, der sich für die Wohnungsunternehmen häufig nicht  be­­triebswirtschaftlich rechnet. Deshalb bedarf es dieser Anreize. Und gesellschaftspolitisch ist das Thema unbedingt wichtig. Die Menschen wollen nicht in Heime, sie wollen so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung und den eigenen vier Wänden leben. Unsere Gesellschaft kann es sich auch gar nicht finanziell leisten, die künftig stark zunehmende Anzahl der älteren Menschen in Heimen unterzubringen. Deshalb müssen wir überlegen, ob es klug ist, beispielsweise sehr viel staatliches Geld für Heime auszugeben, oder es nicht viel klüger ist, mit sehr viel weniger Geld die vorhandenen, dafür geeigneten Gebäude umzubauen, so dass die Menschen hier entsprechend ihres eigenen Le­­bensentwurfs alt werden können. Natürlich bedarf es auch dann immer noch Heimplätzen, aber deutlich weniger, als wenn wir nicht handeln.

BBB: Wie sehen Ihre konkreten Forderungen aus?

AG: Erstens brauchen wir eine Fortführung des KfW-Programmes Altersgerecht Umbauen. Es wäre fatal, wenn es hier zu dem angekündigten Förder-Stopp käme. Zweitens brauchen wir eine viel stärkere – ggf. gesetzgeberisch untermauerte – Übereinkunft, dass die Krankenkassen einen größeren Beitrag leisten müssen, um die Wohnungen umzubauen, damit sie barrierefrei oder barrierearm gestaltet werden können. 

Drittens brauchen wir Landesgesetze, die diesen Weg eines begleiteten, altersgerechten Lebens in der eigenen Wohnung fördern und nicht behindern.↓

BBB: Die energetischen und demografischen Anforderungen sind hoch. Wann ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll zu sanieren und wann ist ein Abriss mit Erneuerungsbau klüger?

AG: Das ist immer eine Frage des jeweiligen Marktes. Viele Wohnungen, um die es jetzt geht, stammen aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Viele der Wohnungsgrundrisse entsprechen nicht mehr den Marktbedürfnissen. Bei einigen ist die Bausubstanz in einem schlechten Zustand, so dass sich eine Sanierung nicht mehr lohnt. Es gibt zwar keine generelle Antwort. Aber: Auch wenn es auf den ersten Blick aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht ratsam sein könnte, energetisch zu sanieren, kann es dennoch sein, dass die Variante Abriss und Neubau vorgezogen wird. Erstens um nachzuverdichten, zweitens um das ganze Portfolio zu modernisieren und einen Schub in das entsprechende Quartier zu bringen, also auch auf diese Art und Weise Quartiersentwicklung voranzutreiben. Hier können Akzente für die Zukunft gesetzt werden. Deshalb kann ich nur dazu ermutigen, auch über einen verstärkten Abriss und Neubauaktivitäten zur Quartiersoptimierung nachzudenken, denn diese Optimierung be­­deutet auch immer eine Aufwertung der eigenen Bestände.

BBB: In NRW fördert das Land unter be­stimmten Bedingungen den (Teil-) Abrisshochverdichteter Siedlungen der 1960er- und 1970er–Jahre, wenn dafür neue Wohnungen entstehen. 19,5 Mio. € sind im Fördertopf. Welche Punkte dieses Programms können sich andere Bundesländer abschauen?

AG: Die grundsätzliche Frage, wie wir mit diesen Altbeständen umgehen, ist ein Thema, das mehr und mehr in den Bundesländern ins Bewusstsein rückt und längst hochaktuell ist. Wir haben mittlerweile auch in den alten Bundesländern viele Regionen, wo heute schon Leerstände von deutlich über 10 % herrschen. Und sie werden weiter anwachsen. Wir müssen darüber nachdenken, was wir aus diesem Programm lernen können. Zunächst ist es sehr wichtig, dass es überhaupt einen Förder-Ansatz für den Rückbau gibt. Ich würde es sehr begrüßen, wenn dieser Ansatz offener wäre. Die Begrenzung auf bestimmte Baujahrgänge wird vielen Marktsituationen nicht gerecht. Sie bestehen unabhängig vom Baujahr der Gebäude. Nicht das Gebäudealter, sondern die Quartierssituation und die spezielle Lage sind entscheidend.

BBB: Bekommt das Thema genügend Aufmerksamkeit seitens der Politik?

AG: Nein. Viele lügen sich noch ein bisschen in die eigene Tasche. Es herrscht vielfach noch der Glaube, dass sie die eigentlich bekannte demografische Entwicklung schon nicht so schlimm treffen wird. Viele Bürgermeister stellen einen Plan auf, mit dem Bevölkerungswachstum erreicht werden soll. Das gleiche tun aber auch die benachbarten Bürgermeister, ohne dass die Gesammtbevölkerungszahl wirklich zunimmt. Also müssen wir das Thema realistischer und deutlich intensiver betrachten. Eine Durchschnitts-Länderstatistik, in der sich wachsende und schrumpfende  Bereiche nivellieren, reicht hier auch nicht aus. Nicht einmal die Kreisstatistiken werden der Wirklichkeit gerecht. Es gibt viele Kreise, in denen es noch wachsende Teilbereiche gibt, aber eben auch einen Teilbereich, der massiv einbricht. In einem solchen Fall gibt es, statistisch gesehen, kreisweit kein Leerstandsproblem. Die Realität ist aber eine komplett andere. Wir brauchen deshalb einen fokussierten Blick auf jede Gemeinde, jede Klein- und Mittelstadt, um den Handlungsbedarf tatsächlich feststellen zu können.

BBB: Welche Instrumente kann man den Unternehmen der Wohnungswirtschaft zur Verfügung stellen, damit sie sich den künftigen Herausforderungen meistern können?

AG: Wir haben ein hervorragendes Instrument, das sich in der Vergangenheit bewährt hat, wenn es darum geht, die deutschen Städte zu entwickeln: Die Städtebauförderung. Dieses Instrument hat in den letzten 40 Jahren dafür gesorgt, dass sich in den Städten nach dem Krieg auch an kritischen Stellen wieder lebenswerte Orte geformt haben. Wir müssen lernen, dass wir neben einigen Wachstumsinseln in einem Land mit teils drastisch schrumpfender Bevölkerung leben.  Geeignete Städtebauförderung be­­deutet daher, einen geordneten, strategischen Rück­bau von Städten und Gemeinden in ganz Deutschland staatlich zu unterstützen.

BBB: Unter uns: Wird Ihrer Meinung nach dem energetischen Aspekt zu viel Vorfahrt eingeräumt? Co2-Einsparungen sind wichtig für das Weltklima. Aber sind in diesem Bereich die Relationen verloren gegangen? Müsste man nicht andere, ebenso wichtige Themen wie das altersgerechte Wohnen stärker in den Fokus nehmen?

AG: Man kann und darf das eine nicht gegen das andere ausspielen. Ich glaube eher, dass in der Vergangenheit dem Be­­reich der Energieeffizienz zu wenig Bedeutung beigemessen wurde, wenn ich das gesamtstaatliche Handeln betrachte. Wir haben beispielsweise im Bereich der Fotovoltaik eine ­Förderung pro Jahr von über 5 Mrd. €, die zum Ziel hat, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Wenn nur die Hälfte dieses Betrags in die Energieeffizienz gesteckt worden wäre, hätte ein Vielfaches an CO2 eingespart werden können. Wir dürfen insgesamt auf diesem Feld die Ansprüche nicht überdrehen und müssen den Maßstab der Wirtschaftlichkeit beibehalten. Das Thema barrierefreies Bauen muss aber in einem Atemzug genannt werden. Denn wenn umgebaut wird, ist es vielfach gut, gleich beide Aspekte in der Modernisierung zu berücksichtigen.

BBB: Eine weitere Herausforderung ist der Denkmalschutz. Der Denkmalschutz wird in jeder Kommune unterschiedlich gehandhabt. Wie können Wohnungsunternehmen am besten mit diesen Behörden zusammenarbeiten?

AG: Grundsätzlich führt am Denkmalschutz kein Weg vorbei, eine gute Zusammenarbeit ist also wichtig. Auch wenn das Thema manchmal schwierig ist – die Denkmäler sind das gebaute Gedächtnis einer Nation. Das darf man nicht vergessen.↓

BBB: Die Frage ist auch, wie modern ein Denkmal sein darf.

AG: Gute Frage. Hier geht es um die Entscheidung zwischen einem dogmatischen und einem pragmatischen Umgang mit dem Denk­­malschutz. Man wird auf diese Frage nie die perfekte und generell passende Antwort finden. Das hängt beispielsweise auch davon ab, wie prägend ein Gebäude für eine Region ist. Wenn das Gebäude die Denkmalmaßstäbe erfüllt, dann ist es nun mal ein Denkmal. Der Punkt ist, dass man vor Ort mit den Gesetzen sehr unterschiedlich umgehen kann. Wenn man weiß, dass das Denkmal nicht erhalten werden kann, ist die Frage, ob man dann nicht auch den pragmatischen Weg wählen sollte.

BBB: Welche Tipps haben Sie für die Un­­ternehmen in der Wohnungswirtschaft?

AG: Man kann nicht gegen den Denkmalschutz arbeiten. Irgendwann holt einen das Thema ein. Klüger ist es, sich so früh wie möglich gemeinsam mit den Denkmalschützern Gedanken zu machen, wie Gebäudezweck, inhaltliche Ziele und Etat in Einklang gebracht werden können. Eine weitere Frage ist auch, ob der Staat mehr Mittel zur Verfügung stellen kann, um dem Denkmalschutz nicht nur Wertschätzung entgegenzubringen, sondern ihm auch eine Bedeutung im Etat zu geben. Angesichts der Schuldenbremsen ma­­che ich mir da allerdings nicht so große Hoffnungen.

BBB: Sie sind seit acht Monaten im Amt. Wie sieht Ihre erste Bilanz aus? Wie dürfen wir uns die Arbeit eines GdW-Präsidenten vorstellen?

AG: Die Wohnungswirtschaft ist ein Wirtschaftsbereich, der von sehr langfristigem Denken geprägt ist und in dem die Wechsel an den Spitzen der Unternehmen seltener stattfinden als in anderen Branchen. Die Menschen arbeiten anders, enger miteinander zusammen. In vielen Wirtschaftsbereichen regiert ein stärkerer Konkurrenzgedanke. Die Bereitschaft zur Kooperation und des gegenseitigen Lernens ist in der Wohnungswirtschaft deutlich stärker ausgeprägt. Dadurch haben wir eine Struktur in Deutschland, die sich selbst im Rahmen der Weltwirtschaftskrise stabil gehalten und weiterentwickelt hat. Es gab natürlich auch Finanzierungsprobleme, aber weitaus geringer als in den meisten anderen Branchen. Die Bereitschaft zur Kooperation erleichtert die Verbandsarbeit.

BBB: Das klingt nach einem positiven Einstieg in die Branche.

AG: Absolut. Es bringt Spaß und ich kann morgens in den Spiegel sehen und weiß, dass ich etwas für eine gute Sache mache.

BBB: Herzlichen Dank für das Gespräch.

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