Studie: Bodenpolitik wird für Kommunen zum Schlüsselinstrument der Stadtentwicklung

Kommunen können durch eine strategische Bodenpolitik die verloren gegangene Handlungsfähigkeit sowie Gestaltungsoptionen für die Stadtentwicklung zurückgewinnen. Dies zeigt eine neue Studie, die das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu, www.difu.de) in Kooperation mit 14 deutschen Städten durchführte.

Die Flächenreserven vieler Städte und Gemeinden sind nahezu aufgebraucht. Angesichts des anhaltenden Bevölkerungswachstums werden jedoch dringend geeignete Grundstücke benötigt, allein um den Bedarf an Kitas, Schulen, Bildungseinrichtungen und vor allem für die soziale Wohnraumversorgung zu sichern. Die weiterhin steigenden Bodenpreise führen dazu, dass auch die Finanzierung solch zentraler Aufgaben der Daseinsvorsorge zunehmend schwieriger wird. Dies betrifft zunächst Kommunen und Staat – letztendlich wird es jedoch von allen zu zahlen sein: VerbraucherInnen, NutzerInnen und SteuerzahlerInnen.

Damit wird die Boden- zur Schlüsselfrage für eine nachhaltige, am Wohl der Allgemeinheit ausgerichtete Entwicklung der Städte und Gemeinden. Aus diesem Grund untersuchte das Difu gemeinsam mit 14 Städten, welche Möglichkeiten und Chancen sich durch eine veränderte kommunale Bodenpolitik eröffnen können. An der vom Deutschen Städtetag unterstützten Studie beteiligten sich die Städte Berlin, Braunschweig, Dresden, Frankfurt, Hamm, Heidelberg, Karlsruhe, Leipzig, Mannheim, München, Nürnberg, Oldenburg, Potsdam und Stuttgart.

In seinem Ergebnisbericht gibt das Difu-Forschungsteam praktische Empfehlungen zur Implementierung bodenpolitischer Strategien in den Kommunen. Im Fokus steht dabei ein besseres Zusammenwirken von Liegenschaftspolitik, Stadtentwicklungspolitik und Stadtplanung. Denn für eine effektive, nachhaltige Bodenpolitik müssen räumliche Entwicklung und Liegenschaftspolitik eng aufeinander abgestimmt sein. Eine wirksame kommunale Bodenpolitik muss daher einer ressortübergreifenden kommunalen Gesamtstrategie folgen und die stadtentwicklungs- und liegenschaftspolitischen Strategien und Instrumente konsequent koppeln. Auch Bund und Länder sind gefragt.

Zentrale Schlussfolgerungen der Studie

Ausverkauf des kommunalen Liegenschaftsvermögens vermeiden
Zunächst geht es darum, den strategischen, operativen und finanziellen Nutzen zu ermitteln, der mit einer aktiven Liegenschaftspolitik verbunden ist. Gemeinwohl und Nachhaltigkeit sind hierfür die Leitlinien. Neben der Sichtung des Liegenschaftsportfolios und der Überprüfung aktueller Zweckbindungen gilt es, den Erhalt und die Erweiterung des nicht zweckgebundenen Liegenschaftsvermögens (Flächenreserve) im erforderlichen Umfang sowie die langfristige Sicherung der am Gemeinwohl orientierten Nutzung bei der Vergabe (Konzeptvergabe, Erbbaurecht etc.) in den Blick zu nehmen. „Städte müssen auch in 50 Jahren noch in der Lage sein, auf eigenen Flächen Entwicklungen zu betreiben, die von anderen Marktakteuren nicht zu erwarten sind.“, so Prof. Dr. Arno Bunzel, stellvertretender Institutsleiter des Difu. „Ein Ausverkauf des kommunalen Liegenschaftsvermögens ist keine Option. Ganz im Gegenteil – das kommunale Liegenschaftsvermögen ist als Grundlage für künftige Entwicklungen und Generationen zu erhalten und zu erweitern. Die Städte brauchen die Trumpfkarte des Bodenbesitzes angesichts der anhaltenden Dynamik auf den Immobilienmärkten“.

Weg vom Höchstgebotsprinzip hin zum „Bestgebotsprinzip“
Bei der Vergabe kommunaler Grundstücke sollte künftig das beste Konzept zum Zuge kommen und nicht mehr nach Höchstgebotsprinzip entschieden werden. Dies wirkt preisdämpfend und entspricht den Zielen des Gemeinwohls.

Regelungen des Erbbaurechts nutzen
Bei der Vergabe von Grundstücken sollten die Möglichkeiten des Erbbaurechts genutzt werden. Dadurch wird der Stadt beispielsweise die Möglichkeit eröffnet, bei Gewerbegrundstücken im Falle von Betriebsaufgaben neu über die Nutzung der Grundstücke zu entscheiden und das längere Brachliegen von Flächen zu vermeiden. Und bei der Vergabe von Grundstücken für den sozialen Wohnungsbau können zudem Mietpreisbindungen für die gesamte Dauer des Erbbaurechts erreicht werden, d.h. deutlich länger als beim Verkauf.

Verstärkt auf Baulandmodelle setzen
Baulandmodelle, bei denen die Kommune zwischenfinanziert, sind ein weiteres wichtiges Instrument. Hier können Ankaufsmöglichkeiten gleich integriert werden. „Die Nutzung von Baulandmodellen ist nicht nur legitim und im Interesse einer am Gemeinwohl orientierten Entwicklung, sie ist auch fair, da die Kosten der Baulandentwicklung aus der daraus folgenden Werterhöhung der Grundstücke finanziert werden“, so die Stadtforscherin Ricarda Pätzold, Mitautorin der Studie. „Bei konsequenter Handhabung ist auch bei Baulandmodellen mit einer preisdämpfenden Wirkung auf den Bodenmarkt zu rechnen.“ Die Stadt Münster betreibt beispielsweise gerade unter Nutzung von Baulandmodellen eine sehr erfolgreiche Bodenpolitik. Und die Stadt Ulm konzentriert seit mehr als hundert Jahren ihre Baulandpolitik auf Flächen, die sie vorher erworben hat. Das Ergebnis sind vergleichsweise geringe Preise für erschlossene Baugrundstücke.

Vorhandene Instrumente konsequent nutzen
Die Städte müssen das vorhandene rechtliche Instrumentarium konsequent nutzen. Gerade wenn das – grundsätzlich vorzuziehende – kooperative Vorgehen zu keinen befriedigenden Ergebnissen führt. Politisch Entscheidungstragende müssen sich mit Mut und Kraft gegen Widerstände durchsetzen, wenn dies im Interesse des Wohls der Allgemeinheit erforderlich ist – auch wenn dies angesichts der Zersplitterung der Parteienlandschaft in den Räten zunehmend schwerer zu werden scheint. Schließlich geht es hierbei um nicht weniger als die Wahrnehmung des mit der kommunalen Selbstverwaltung verbundenen Gestaltungsauftrags.

Rückenwind von Bund und Ländern notwendig
Schließlich adressiert das Forschungsteam auch Empfehlungen an Bund und Länder. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche kommunale Bodenpolitik müssen verbessert werden. Der Fokus liegt hier u.a. auf der Dämpfung der rasanten Entwicklung der Immobilienpreise und der Abkehr von der Vergabepraxis zum Höchstpreis als generelles Prinzip. Denn die öffentliche Hand darf den „Schatz“ ihres Liegenschaftsvermögens nicht achtlos weggeben und sie darf nicht selbst zum Preistreiber auf den Immobilienmärkten werden.

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