BBSR-Bericht: Gleichwertige Lebensverhältnisse - nur mit Unterstützung der Kleinstädte

24,4 Millionen Menschen lebten zum Jahresende 2019 in Kleinstädten – und damit fast so viele wie in den 80 deutschen Großstädten (26,6 Millionen). Die geografische Lage von Kleinstädten, zentral oder peripher, erklärt Unterschiede in den lokalen Standort- und Lebensbedingungen. Unabhängig von ihrer Lage tragen Kleinstädte maßgeblich zu gleichwertigen Lebensverhältnissen bei als Wohnorte, aber auch als wirtschaftliche Zentren in den Regionen. Viele heimliche Weltmarktführerhaben hier ihren Sitz. Aufholen müssen die Kommunen vor allem bei der Versorgung mit schnellem Internet. Das geht aus dem Bericht „Kleinstädte in Deutschland“ hervor, den das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) heute veröffentlicht hat.

Hohe Bevölkerungszuwächse in Kleinstädten in zentralen Lagen

Die meisten im Umland der Großstädte gelegenen Kleinstädte verzeichneten in den letzten zehn Jahren Bevölkerungsgewinne. Zwischen 2009 und 2019 erzielte die Kleinstadt Kelsterbach im Umland von Frankfurt am Main das stärkste an ihrer Bevölkerung gemessene Wachstum (29 Prozent). Es folgen Schönefeld im Umland Berlins sowie Aschheim im Umland Münchens (jeweils 27 Prozent). Dagegen ging die Bevölkerungszahl in Kommunen abseits der Ballungsräume weiter zurück. Ausnahmen bilden die Kleinstädte in strukturstarken ländlichen Regionen Süddeutschlands, die trotz ihrer peripheren Lage an Bevölkerung gewannen. In Ostdeutschland konzentriert sich das Bevölkerungswachstum auf die Großstädte, abgesehen von der Umgebung Berlins. Insgesamt stieg die Bevölkerungszahl in den Kleinstädten zwischen 2009 und 2019 um 1,2 Prozent beziehungsweise 291.000 Einwohner.

Bevölkerung in peripher gelegenen Kleinstädten überdurchschnittlich alt

Unterschiede zwischen zentral und peripher gelegenen Kommunen zeigen sich auch in der Alters- und Sozialstruktur der Bevölkerung: In den zentral gelegenen Kleinstädten ist die Bevölkerung im Schnitt jünger (44,6 Jahre) als in peripheren (45,9 Jahre) und in sehr peripheren (47,9 Jahre). Kleinstädte im Umland der Kommunen weisen auch einen überdurchschnittlichen Anteil an Haushalten mit höherem Einkommen auf. In den meisten Kleinstädten verteilen sich die Einkommensklassen dagegen gleichmäßig. Vor allem in Ostdeutschland liegen zahlreiche Kleinstädte, in denen es überdurchschnittlich viele Haushalte mit geringem Einkommen gibt.

Kleinstädte wirtschaftlich bedeutsam - viele heimliche Weltmarktführer finden sich in Kleinstädten

Kleinstädte sind nicht nur Wohnorte, sondern für die Region auch als Wirtschaftsstandorte und Arbeitsmärkte sehr bedeutsam. In zentralen Lagen sind die Kommunen häufiger Sitz hoch innovativer Unternehmen und Arbeitsorte für Beschäftigte in wissensintensiven Branchen. Entsprechend stieg dort in den vergangenen Jahren die Zahl der Beschäftigten in wissensintensiven Berufen.

Die Bedeutung von Kleinstädten als Wirtschaftsstandort zeigt sich auch bei den Hidden Champions – also überwiegend mittelständischen Betrieben, die auf den Weltmärkten sehr erfolgreich sind. 518 dieser 1.691 Betriebe haben ihren Stammsitz in Kleinstädten, davon wiederum 174 in peripherer Lage. Die Unternehmen befinden sich vor allem in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern. In peripheren Lagen sind sie überwiegend in Baden-Württemberg und Bayern zu finden. In Ostdeutschland gibt es wiederum nur sehr wenige dieser Unternehmen.

Digitale Transformation – Breitbandausbau als Voraussetzung

Defizite legt die Studie bei der Versorgung mit schnellem Internet offen – einem bedeutenden Standortfaktor: 76 Prozent der Kleinstadt-Haushalte wurden im Jahr 2020 mit einer Bandbreite von 100 Mbit/s versorgt, in den Großstädten waren es dagegen 96 Prozent. In peripher gelegenen Kleinstädten lag der Wert knapp 8 Prozentpunkte niedriger (71,5 Prozent) als in zentral gelegenen (79,2 Prozent). Nur 35 % der Kleinstadt-Haushalte verfügten im Jahr 2020 über eine Bandbreite von 1.000 Mbit/s (Großstädte: 82 %).

Personelle Engpässe schränken Gestaltungsmöglichkeiten ein

Die personellen Engpässe in den Stadtverwaltungen schränken Gestaltungsmöglichkeiten ein. Die Kleinstädte bilden keine Ausnahme. Das betrifft nicht nur Planungsprozesse, sondern auch die Umsetzung. Die COVID-19-Pandemie hat auch in den Kleinstädten finanzielle Einbußen bewirkt – bei gleichzeitig hohen pandemiebedingten Ausgaben. Wie sich die Pandemie mittel- bis langfristig auf die die kommunale Finanzbasis auswirken wird, ist noch nicht abzusehen. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass wichtige Investitionsvorhaben gestreckt oder gar gestrichen werden.

Information und Austausch stärkt Kleinstädte in der Wahl von Handlungsstrategien

Handlungsmöglichkeiten für die Kleinstädtesieht der Bericht vor allem in der interkommunalen Zusammenarbeit, gesamtstädtisch angelegten Entwicklungskonzepten und neuen Kooperationsformen von Stadtgesellschaft, lokaler Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Damit die Kleinstädte von der verstärkten Nutzung digitaler Lösungen profitieren können, muss die Breitbandversorgung dort vorrangig ausgebaut werden. Die Forschungsarbeit informiert darüber hinaus über die Stadtentwicklungspolitik des Bundes und die Forschung des BBSR zur Unterstützung der Kleinstädte. Konzepte der Großstädte lassen sich nicht ohne Weiteres auf Kleinstädte übertragen. Die laufende Pilotphase der „Kleinstadtakademie“ (2019 bis 2022) zeigt den Bedarf einer dauerhaften, institutionalisierten Unterstützung der Kleinstadtentwicklung.

Interessierte können den Bericht kostenfrei im BBSR anfordern, E-Mail Eine digitale Version gibt es unter www.bbsr.bund.de

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