BVMB fordert „Leitplanken“ für Nachhaltigkeit: Verband erinnert öffentliche Auftraggeber an ihre Verantwortung

Nachhaltigkeit ist aktuell in aller Munde – insbesondere auch im Bereich des Bauens. Gerade die mittelständischen Baufirmen nehmen dieses Thema sehr ernst und erproben innovative Wege, um den Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht werden zu können. „Zuerst ist der Blick beim Thema Nachhaltigkeit auf die öffentlichen Auftraggeber zu richten“, betont Daniel Jonas, Abteilungsleiter für Straßen-, Tief- und Ingenieurbau bei der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen. (BVMB, www.bvmb.de). Sie müssten durch ihre Vorbildfunktion wichtige Leitplanken setzen und dürften dieses bedeutende Zukunftsthema nicht einseitig auf die Baufirmen abwälzen. BVMB-Hauptgeschäftsführer Michael Gilka fordert in diesem Zusammenhang insbesondere, die Anforderungen so anzulegen, dass nicht mittelständische Bauunternehmen einseitig benachteiligt werden.

In vielen Vergabeverfahren spielt Nachhaltigkeit keine Rolle

Wenn Mitte November der Arbeitskreis Straße/Brücke der BVMB in Sulzbach tagt, wird erneut das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle spielen. „Es ist nicht so, dass die mittelständischen Bauunternehmen hier nicht längst am Ball wären und aktiv daran arbeiten, das Bauen noch nachhaltiger zu gestalten“, stellt Daniel Jonas klar. Im Gegenzug weist er darauf hin, dass vor allen Dingen bei den öffentlichen Auftraggebern, die in einer Vorbildfunktion stehen, das Thema Nachhaltigkeit vielfach noch ein Schattendasein führt.

„Der größte Hebel liegt im Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers und damit in der Bedarfsermittlung: Im Rahmen der Planung und der Aufstellung einer eindeutigen Leistungsbeschreibung können Umwelt- und Klimaaspekte einfließen. Es ist Sache des Auftraggebers, ob er bereits in dieser Phase umweltbezogene Aspekte berücksichtigt. Hiervon machen die öffentlichen Auftraggeber noch immer zu wenig Gebrauch“, so Jonas. Der Verband appelliert insoweit insbesondere an die öffentlichen Bauauftraggeber, mehr Mut zur Nachhaltigkeit an den Tag zu legen.

Auch ein aktuell diskutiertes „Schattenpreismodell“, bei dem der Angebotspreis mit einem fiktiven CO2-Preis beaufschlagt wird und dann der niedrigste Wertungspreis den Zuschlag erhalten soll, hält Jonas nur bedingt für ein geeignetes Instrument: „Das hört sich zunächst einfach an, könnte die Baufirmen aber über Gebühr belasten“. Im Detail würde das bedeuten, dass der Unternehmer neben seiner Kalkulation parallel eine weitere CO2-Kalkulation durchführen müsste, wenn er sich im Wettbewerb besserstellen möchte. Das würde unter Umständen einen erheblichen Mehraufwand bedeuten.

Nachhaltigkeit darf nicht zum Nachteil für Mittelstand werden

Aktuell, so Jonas weiter, kursieren zahlreiche Versuche, in der Bauwirtschaft mehr Nachhaltigkeit zu praktizieren. „Nicht alles, was derzeit so im Umlauf ist, ist aber tatsächlich für die Praxis umsetzbar“, kritisiert BVMB-Hauptgeschäftsführer Michael Gilka. Wenn etwa emissionsfreie Baumaschinen oder kurze Transportwege als Kriterien gefordert werden, fällt es überregional tätigen Großunternehmen in der Regel leichter, derartige Anforderungen zu erfüllen. „Nachhaltigkeit darf aber nicht zum Nachteil für die Baumittelständler werden. Sie sind es, die die große Stütze der deutschen Bauwirtschaft abbilden, und für sie trägt gerade der Staat eine hohe Verantwortung“, betont Gilka.

Daniel Jonas ergänzt: „Aufwand und Nutzen müssen in vernünftigem Verhältnis stehen. Das gilt auch mit Blick auf den Prüfungs- und Kontrollaufwand beim Auftraggeber, der schnell sehr hoch werden kann – doch schon jetzt beklagen wir aufgrund sinkender Personalkapazitäten in der Verwaltung zu wenige Ausschreibungen. Es gilt daher mit Blick auf Nachhaltigkeitsaspekte die wesentlichen Hebel in einem Bauprojekt zu identifizieren. Die Angebote müssen über eindeutige Bewertungssysteme vergleichbar sein – und zwar schnell und einfach. Dazu wird die entsprechende Fachkompetenz in den ausschreibenden Stellen vorausgesetzt und auch ein Stück weit Risikobereitschaft“.

Nachhaltigkeit kostet Geld

Gilka gibt zu bedenken: „Die Haushaltslage ist vom Bund bis hinunter zu den Kommunen angespannt. Wir befürchten, dass das Geld, welches aktuell für Baumaßnahmen in den öffentlichen Haushalten zur Verfügung steht, nicht dafür ausreichen wird, um das gleiche Bauvolumen mit mehr Nachhaltigkeit umzusetzen“. Insoweit stelle sich die Frage, ob die Auftraggeber bereit seien, die zur Verfügung stehenden Mittel aufzustocken, um den Mehraufwand und die erhöhten Kosten zu vergüten. „Wird dann weniger für das gleiche Geld gebaut? Dann würde das Thema Nachhaltigkeit zum Rohrkrepierer für die Bauunternehmen werden – das kann nicht sein“, ergänzt Daniel Jonas.

Thematisch passende Artikel:

BVMB befürchtet Bauengpässe bei Kommunen: Verband fordert schnelle Regelungen für Folgen des Ukrainekriegs

Die Situation der Bauwirtschaft ist aktuell sehr belastend für die Bauunternehmen. Die Auftragslage ist noch gut, aber Baufirmen haben immer mehr mit den dramatischen Preissteigerungen bei Baustoffen...

mehr

Bauunternehmen beweisen zwar„Nehmerqualitäten“, dennoch ist die Stimmung durchwachsen

Der Bau ist seit Monaten in den Negativschlagzeilen: Kostenexplosionen und Lieferverzüge bei Baustoffen wegen des Kriegs in der Ukraine, der Wohnungsbau liegt am Boden, die Kommunen halten sich...

mehr

Mittelstand als Konjunkturmotor der Bauwirtschaft: BVMB startet mit klaren Forderungen ins Jahr 2021

Corona hat 2020 das ganze Land nicht nur in eine Schockstarre versetzt und wirtschaftlich in vielen Bereichen keinen Stein auf dem anderen gelassen. Viele Wirtschaftsbereiche haben empfindliche Dellen...

mehr

„Städte und Gemeinden müssen ihrer Vorbildfunktion gerecht werden“: BVMB warnt vor Stillstand bei Baumaßnahmen

Bei den Stadt- und Gemeinderäten im ganzen Land geht es aktuell ums Geld: Zu Beginn des neuen Jahres müssen sie ihre Jahreshaushalte aufstellen. Für die Städte und Gemeinden ist es aktuell ein...

mehr

Konkrete Maßnahmen gefordert: BVMB drückt beim Wohnungsbau aufs Tempo

Immer mehr Wohnungen in Deutschland droht der Leerstand. „Das ist eine fatale Entwicklung“, mahnt Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen...

mehr