Forderungen der Gebäude-Allianz zur Bundestagswahl: klimaneutral und sozialverträglich

Vor dem Hintergrund des Pariser Abkommens kommt dem Gebäudebereich eine besondere Rolle zu. Aufgrund des bislang hohen Energieverbrauchs und hohen Anteils an Treibhausgasemissionen für Gebäudetemperierung und -automation sind die Einsparpotenziale enorm. Wie im Klimaschutzplan 2050 und der Energieeffizienzstrategie Gebäude verankert, ist das Ziel ein klimaneutraler Gebäudebestand 2050.

Dabei dürfen Klimaschutz und bezahlbares Wohnen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr geht es darum, wie Klimaneutralität und Sozialverträglichkeit im Einklang die Entwicklung von Neubauten und die Sanierung von Bestandsbauten bestimmen. Dazu gilt es, einen politischen Rahmen zu spannen, der die Klimaziele angemessen berücksichtigt, Sozialverträglichkeit garantiert und die maßgeblichen Gewerke entsprechend qualifiziert. Die Verzögerung der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes eröffnet nun die Chance, ebendiesen politischen und ordnungsrechtlichen Rahmen in der neuen Legislaturperiode zu spannen und eine Vorreiterrolle im Klimaschutz im Gebäudesektor zu übernehmen.

Die Gebäude-Allianz, eine verbandsübergreifende Initiative, die vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) koordiniert und von mehr als 30 Umweltorganisationen, Verbraucherinitiativen, Verbänden, Gewerkschaften und Unternehmen getragen wird, stellt dazu folgende Forderungen an die neue Bundesregierung:

1. Pariser Klimaschutzziele ernst nehmen und danach handeln!

Der gebäuderelevante Teil des Klimaschutzplans 2050 und die Energieeffizienzstrategie Gebäude (ESG) müssen zeitnah mit ergebnisorientierten Maßnahmenpaketen konkretisiert werden. Die Ziele der ESG müssen dabei vor dem Hintergrund der Pariser Vereinbarungen angepasst und derart umgesetzt werden, dass eine Sozialverträglichkeit im Gebäudesektor gewährleistet wird.

Durch Energieeinsparung, Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien muss die Wärme- und Kälteversorgung nahezu vollständig dekarbonisiert werden. Der Brennstoffoffenheit sind damit engere Grenzen gesetzt, als von der Bundesregierung bislang angenommen. Denn die bestehenden Ziele für den Gebäude- und Wärmebereich wurden vor den Pariser Vereinbarungen zum weltweiten Klimaschutz formuliert. In der Konsequenz dürfen spätestens 2050 (so gut wie) keine fossilen Energieträger im Gebäudebereich mehr verwendet wer-den. Um dem Klimaschutz und dem energiepolitischen Zieldreieck dabei Genüge zu tun, sind Energieverbrauch und Treibhausgas-Emissionen im Gebäudesektor generell im gesamten Lebenszyklus zu betrachten.

2. Gebäudeenergiegesetz (GEG) sofort angemessen ausgestalten!

Um Planungssicherheit für die Marktakteure zu gewährleisten, muss die Verabschiedung des GEG bereits zu Beginn der neuen Legislaturperiode Priorität haben. Hierzu gehört auch die Festlegung von Niedrigstenergie-Standards, durch die alle Neubauten ab 2019/2021 den Anforderungen der Energie- und Klimaschutzziele 2050 gerecht werden. Dies ist bereits heute wirtschaftlich, vermeidet spätere, teure Nachrüstungen und begrenzt durch niedrige Verbräuche und eigene Erzeugung die Systemkosten der Energiewende.

Die Gebäude-Allianz ist offen für die Nutzung aller Technologien, die den energie- und klimapolitischen Zielen entsprechen.

Ohne die Berücksichtigung des Gebäudebestands sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Deshalb fordern wir auch im Sinne der Vereinfachung des Gesetzes die Streichung zahlreicher bestehender Ausnahmeregelungen. Verbleibende Ausnahmetatbestände sollen an Bedingungen wie z.B. die Erstellung eines (geförderten) individuellen Sanierungsfahrplans geknüpft werden. Langfristig sollte eine generelle Pflicht zum individuellen Sanierungsfahrplan, zunächst durch eine degressive Förderung unterstützt, eingeführt werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass einkommens- bzw. vermögensschwache Bevölkerungsgruppen eine Sanierung auch bei öffentlicher Förderung einfach nicht finanzieren können. Daher muss die finanzielle Leistungsfähigkeit dieser Haushalte hinsichtlich einer Pflicht berücksichtigt werden.

Das GEG sollte eine Stärkung des Vollzugs durch finanzielle Unterstützung der Länder sichern sowie die Kommunen verpflichten, kommunale Wärmepläne zu erstellen. Diese und weitere Maßnahmen tragen dazu bei, dass das GEG einen langfristigen und stabilen ordnungspolitischer Rahmen für Verbraucher, Investoren, Industrie, Handwerk sowie Planer und Architekten bietet.

3. Sozialverträglichen Klimaschutz sichern!

Die Anstrengungen in Richtung klimaneutraler Gebäudebestand müssen gerecht verteilt werden. Hierzu braucht es langfristig gesicherte, zielorientiert ausgestaltete Rahmenbedingungen, die Eigentümer/Vermieter, Mieter und Staat angemessen an den Kosten wie an den Erträgen und Vorteilen energetischer Sanierungen beteiligen (Drittelmodell).

Aus Sicht der Mieter ist Warmmietenneutralität bei energetischen Modernisierungsmaßnahmen anzustreben, durch verbesserte Förderungen und eine Begrenzung der Mieterhöhungsspielräume. Mietsteigerungen aufgrund energetischer Modernisierungen müssen bei Transferleistungsbeziehern über ein Klimawohngeld bzw. einen Modernisierungszuschlag kompensiert werden. Klimaschutz und bezahlbares Bauen und Wohnen dürfen dabei keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden. Die Schaffung von Wohnraum in den Ballungszentren muss mit den Erfordernissen des langfristigen Klimaschutzes einhergehen.

4. Attraktives Investitionsklima schaffen und zielgenau beraten!

Zum Erreichen der Energieeinsparziele im Gebäudebereich ist ein attraktives Investitionsklima notwendig. Um die energetische Modernisierung des Gebäudebestandes in Deutschland erreichen zu können, bedarf es klarer marktwirtschaftlicher Anreize. Die Politik wird aufgefordert, mit innovativen, umweltökonomischen Instrumenten starke Anreize für Investitionen in den ökologischen Umbau unserer Städte zu formulieren. Staatliche Energiepreisbestandteile sind hinsichtlich ihrer Anreizwirkung für Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien zu überprüfen und ggf. weiterzuentwickeln.

Die Förderung der energetischen Gebäudesanierung muss weiterentwickelt und verstetigt, die bestehenden Instrumente besser verzahnt werden. Ein dauerhafter und berechenbarer Finan-zierungsmechanismus muss dabei vor allem direkt die bestehenden Hemmnisse adressieren und sich verstärkt an nachweisbaren Ergebnissen über den Gebäude-Lebenszyklus orientieren.

Die Investitionsbereitschaft muss in der Breite durch auf die Bedürfnisse der Gebäudeeigentümer abgestimmte Anreizprogramme stimuliert werden. Diese sollten die Umsetzung der Empfehlungen aus den individuellen Sanierungsfahrplänen sinnvoll unterstützen und durch ihre klare Struktur, schlanke Prozesse und eine einheitliche Anlaufstelle nutzerfreundlich ausgestaltet sein. Zusätzlich sind auch gewerkeübergreifende, qualitätsgesicherte und neutrale Information und Beratung zu stärken und der Aufbau regionaler Beratungs- und Modernisierungsnetzwerke zu fördern.

Die energetische Modernisierung des Bestandes ist zusätzlich durch die Einführung einer steuerlichen Förderung für energetische Modernisierungsmaßnahmen im EFH/ZFH und kleinen MFH-Bereich voranzutreiben. Ein langfristiger und stabiler Förderrahmen für Verbraucher, Investoren, Industrie, Handwerk sowie Planer und Architekten fördert ebenfalls die Erhöhung der Sanierungsquote.

5. Gewerke qualifizieren und Qualität sichern!

Es braucht eine große Qualifizierungsoffensive, um mit exzellent ausgebildeten Fachkräften die Steigerung der Sanierungsrate und eine qualitativ hochwertige Planung und Ausführung zu sichern.

Dazu müssen Berufsbilder für Modernisierung und gewerkeübergreifende Kooperation entwickelt und bestehende Aus- und Weiterbildungen qualitativ weiterentwickelt werden. Dies hilft auch, Bauberufe attraktiv zu halten, die Ausbildungszahlen zu steigern und so den nötigen Nachwuchs zu sichern.

Eine Ausweitung der Baubegleitung sowie verstärkte Anstrengungen zur Qualitätssicherung von Beratung und Umsetzung sind notwendig. Niedriginvestive Maßnahmen zur Steigerung der Transparenz von Energieverbräuchen sollten zudem Standard werden, um eine solide Datenbasis für kontinuierliche Beratung und Ergebniskontrollen zu haben.

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