Deutsches Energieberater-Netzwerk: „Aufgabe der Klimaziele 2020 wäre Armutszeugnis für neue GroKo“

Die sich in den Berliner Sondierungsgesprächen abzeichnende Aufgabe der bis zum Jahre 2020 von den bisherigen Bundesregierungen gesetzten deutschen Klimaziele durch eine neue Große Koalition zwischen CDU, CSU und SPD wäre nach Auffassung des Deutschen Energieberater-Netzwerks (DEN) ein Armutszeugnis. Vorsitzender Dipl.-Ing. Hermann Dannecker: „Eine neue Regierung, die so unambitioniert startet, hat klimapolitisch so gut wie keine Autorität. Sie wird ihrer Verantwortung gegenüber folgenden Generationen nicht gerecht. Deutschland ist dabei, seine führende Rolle beim Klimaschutz zu verspielen.“

Für Dannecker gehört die Formel vom „Klimaschutzweltmeister Deutschland“ nun endgültig der Vergangenheit an. Die Bundesrepublik hatte in den vergangenen Jahren immer wieder angekündigt, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 % senken zu wollen. Nun – so berichten Medien aus der bei den Sondierungen zuständigen Arbeitsgruppe – wolle man sich am Ziel einer Reduktion von 55 % im Jahr 2030 orientieren. Die zunächst für 2020 gesetzten Margen wolle man nur noch „so schnell wie möglich“ erreichen.

Dannecker: „Die Parteien haben im Wahlkampf noch an den Zielen für 2020 festgehalten. Ein Symbol – ja. Aber ein wichtiges Symbol. Jetzt soll das alles nicht mehr gelten mit der Begründung, diese Ziele seien unrealistisch und man wolle sich jetzt ehrlich machen. Dann sollte man auch so konsequent sein zuzugeben, dass die bisherige Große Koalition klimapolitisch versagt hat. Sie ist immer wieder eingeknickt vor der Industrielobby und den Gewerkschaften und hat sich nicht getraut, das Ende der Kohleverstromung einzuläuten. Warum sollte sich diese Hasenfüßigkeit jetzt ändern? Warum sollte man einer neuen GroKo klimapolitisch vertrauen? Man scheint weiter auf alte Technologien zu setzen, um vor Wirtschaftsverbänden und vor Gewerkschaften erst einmal Ruhe zu haben. Das hat mit Innovation und Zukunftsperspektiven nichts zu tun. Das strömt den Mief des Status quo aus.“

Der Ingenieur weist darauf hin, dass Deutschland mit solchen Entscheidungen auf internationaler Ebene dramatisch an Einfluss verliere: „Sollten diese Vereinbarungen Grundlage für einen Koalitionsvertrag werden, erwiese man Deutschland einen Bärendienst. Wer nimmt uns bei den nächsten Klimaverhandlungen noch ab, wirklich an einer Verbesserung interessiert zu sein? Dem Wackelkandidaten Deutschland werden andere Länder folgen. Was wir jetzt brauchen, wäre ein ambitionierter Plan zum Ausstieg aus der Kohleverstromung.“

Mit dem in Rede stehenden Konsens, die deutschen Klimaziele 2020 aufzugeben, falle die bisherige Bundesregierung hinter eigene Erkenntnisse zurück. Immerhin seien aus dem Bundeswirtschaftsministerium bis zu 7 Gigawatt Kohlestrom als verzichtbar bezeichnet worden. Dannecker: „In den Jamaika-Verhandlungen war es für die Union kein Problem, gegenüber den Grünen weitreichende Zugeständnisse beim Ausstieg aus der Kohle zu machen. Jetzt soll das alles Makulatur sein? Das Festhalten an diesen alten und sterbenden Technologien zeigt, wie wenig man in Union und SPD auf die Leistungskraft der deutschen Wirtschaft vertraut. Lieber bedient man die Wünsche der alten Lobbyverbände aus Verkehr, Kohle und Landwirtschaft.“

Für den DEN-Vorsitzenden zeigt die geringe Wertschätzung der eigenen Klimaziele auch die Schwäche der Bundeskanzlerin. „Angela Merkel als Klimakanzlerin? Das ist nun endgültig Geschichte. Wer solche Entscheidungen an den Anfang seiner Regierungstätigkeit setzt, sollte sich zu Recht vor Neuwahlen fürchten.“
 

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