Dachdecker-Verband warnt vor Engpässen bei Dämmstoff-Entsorgung

Anfang März 2016 ist die Novellierung der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) in Kraft getreten, die vor allem Polystyrol-Dämmstoffe betrifft, die das Flammschutzmittel HBCD (Hexabromcyclododecan) enthalten. Nach der sogenannten POP-Verordnung müssen Abfälle, die persistente organische Schadstoffe (POPs) enthalten, so verwertet werden, „dass die darin enthaltenen persistenten organischen Schadstoffe zerstört oder unumkehrbar umgewandelt werden“. Dies betrifft ab 30. September 2016 solche Kunststoffe, deren HBCD-Gehalt größer oder gleich dem HBCD-Grenzwert von 1.000 mg/kg ist. HBCD verzögert die Entzündung von Kunststoffen und verlangsamt die Ausbreitung der Flammen.

Von ungefährlich auf gefährlich gestuft

Polystyrol-Dämmstoffe – auch bekannt unter dem Herstellernamen Styropor –  sind durch die Novellierung als gefährliche Abfälle eingestuft worden. Diese müssen nun auf Baustellen bei Sanierungs- und Abbrucharbeiten getrennt gesammelt, dokumentiert und von Entsorgungsfirmen zur thermischen Verwertung gesondert abtransportiert werden. Die Bundesländer gehen aktuell davon aus, dass ausreichende Kapazitäten für die Entsorgung der HBCD-haltigen Abfälle vorhanden sind.

„Aus dem Markt werden uns allerdings ganz andere Hinweise gegeben. So wird aus zahlreichen Bundesländern gemeldet, dass derzeit so gut wie keine Möglichkeit besteht, HBCD-haltige Polystyrol-Dämmstoffe zu entsorgen, da den Müllverbrennungsanlagen entweder die rechtliche Genehmigung für die Entsorgung des jetzt gefährlichen Mülls fehlt oder weil die Anlagen ausgelastete sind“, beschreibt Josef Rühle, Geschäftsführer Technik beim Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), die Situation. Seine Forderung: „Wir brauchen dringend eine schnelle und pragmatische Lösung zur rechtssicheren Entsorgung der betroffenen Abfälle.“ Denn im schlimmsten Fall komme es zu Baustopps bei laufenden oder geplanten Projekten. Das treffe dann nicht nur die Dachdecker, sondern alle beteiligten Gewerke und natürlich auch den Bauherrn.

Außerdem sei zu befürchten, dass die Entsorgung deutlich teurer werde. Und betroffen sind nicht nur Monochargen, sondern auch solche HBCD-Dämmmaterialien, die als „gefährliche Bestandteile“ in Gemischen angeliefert würden. Auch diese würden seitens der Verbrennungsanlagen insgesamt als gefährlicher Abfall eingestuft und ebenfalls abgelehnt. „Der ZVDH hat in einem Schreiben alle Umwelt- und Wirtschaftsministerien der Länder auf die akute Entsorgungs-Notlage hingewiesen, bislang gab es leider wenig Rückmeldung“, zeigt sich Rühle enttäuscht. „Politisch undurchdachte Entscheidungen werden wieder auf dem Rücken der Handwerker ausgetragen. Sie bleiben im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Müll sitzen und wissen nicht wohin. Und die Verantwortlichen ducken sich weg!“

Müllheizkraftwerke blocken ab

Am 14. September 2016 hat die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) getagt und sich nochmals mit der Thematik befasst. Die Vertreter der Länder sehen keine Gefahr eines Entsorgungsengpasses. Hinsichtlich der Aktualisierung bestehender Genehmigungen von Abfallverbrennungsanlagen wird eine Anzeige nach § 15 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) als das geeignete Vorgehen benannt. Laut neuester Umfrage des Industrieverbands Hartschaum IVH sind rund 90 % von 80 befragten Müllheizkraftwerken (MHKW) derzeit nicht bereit oder in der Lage, HBCD-haltige Polystyrole thermisch zu verwerten.

Thematisch passende Artikel:

Langfristige Regeln für die Entsorgung HBCD-haltiger Abfälle

Das Bundeskabinett hat jetzt eine Verordnung beschlossen, die den Umgang mit Abfällen regelt, die persistente organische Schadstoffe (POP) enthalten. Das betrifft zurzeit vor allem Dämmplatten mit...

mehr

Hendricks begrüßt Bundesrats-Beschluss zum Moratorium bei Dämmstoff-Entsorgung

Zum Beschluss des Bundesrates für ein Moratorium bei der Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmplatten erklärt Umwelt- und Bauministerin Barbara Hendricks: „Das ist eine gute Nachricht für den...

mehr

Dachdeckerverband enttäuscht: Umweltminister erreichten keine Einigung bei Polystyrol-Entsorgung

Die Umweltminister der Bundesländer konnten sich auf der Umweltministerkonferenz (UMK), die jetzt in Berlin tagte, nicht auf eine einstimmige Empfehlung zur Rückstufung von HBCD-haltigem Polystyrol...

mehr

VdW Rheinland Westfalen: Geänderte Verordnung macht Dämmstoff-Entsorgung teurer und kann Wohnkosten erhöhen

Seit Oktober werden Dämmstoffe, die mit dem Flammschutzmittel HBCD behandelt wurden, als gefährlicher Abfall eingestuft. Viele Entsorger nehmen sie nun nicht mehr an. Alexander Rychter,...

mehr

BFW-Umfrage: Neue Regelung für HBCD-haltige Dämmabfälle führt zu Kostenexplosion und Sanierungsstillstand

„Sanierungsstillstand, Kostenexplosionen und Engpässe bei der Entsorgung: Das sind die Folgen der seit Oktober geltenden Regelung für HBCD-haltige Dämmabfälle“, erklärte jetzt BFW-Präsident...

mehr