Zwischen Autonomie und Schutz

Einrichtungen für Betreutes Wohnen müssen Sicherheit, Unabhängigkeit und effiziente Abläufe vereinen. Die dort lebenden Menschen sollen ihren Alltag möglichst eigenständig gestalten können, während Mitarbeiter rund um die Uhr verlässlichen Zugang benötigen. Im Interview erklärt Romano Smit, Key Account Manager von Winkhaus Niederlande, welche Anforderungen sich daraus für die Zutrittsorganisation ergeben und worauf Planer besonders achten müssen.

Welche besonderen Anforderungen stellen Einrichtungen für Betreutes Wohnen an die Zutrittsorganisation?

Romano Smit: Aus Sicht der Bewohner stehen drei zentrale Bedürfnisse im Mittelpunkt: Sicherheit, Privatsphäre und ein möglichst unkomplizierter Alltag. Viele Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, möchten möglichst selbstbestimmt woh-
nen, sind aber gleichzeitig auf ein geschütztes Umfeld angewiesen. Der Zugang zur eigenen Wohnung muss daher intuitiv und barrierefrei funktionieren, etwa über ein-
fach zu bedienende flächenbündige elektronische Schließzylinder, Türbeschläge oder Kartenleser. Die Umrüstung auf diese Lösungen muss per Plug-and-Play funktionieren, ohne neuen Verdrahtungsaufwand der Tür.
Für Pflegekräfte ist ein zuverlässiger Zugang, der immer funktioniert, entscheidend. Sie arbeiten zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten und müssen im Notfall schnell und ohne Hilfe in die Wohnung gelangen. Eine eindeutige Dokumentation der Zutritte ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern hilft auch, die Prozesse nachvollziehbar zu machen.

Welche Funktionalitäten sind derzeit für Betreiber solcher Einrichtungen entscheidend?

Romano Smit: Die Basis bildet heute meist ein elektronisches Zutrittssystem wie blueEvo von Winkhaus, das mit verschiedenen Identmedientypen bedient werden kann – ob klassischer Schlüssel, Ausweiskarte, Schlüsselanhänger-TAG oder Transponderarmband. Eine flexible Verwaltung ist dabei von entscheidender Bedeutung: Berechtigungen müssen schnell angepasst werden können, da sich Personalstrukturen häufig ändern und regelmäßig neue Menschen einziehen, die Betreuung benötigen. Wichtig ist zudem, dass Zutritte nachvollziehbar bleiben – nicht vorrangig aus Kontrollgründen, sondern um Prozesse sicher zu gestalten und gesetzliche Vorschriften zu erfüllen. Schnittstellen zu Pflege- und Personalsystemen erleichtern den Alltag, indem sie Informationen bündeln. Und im Notfall muss sich jede Tür sofort öffnen lassen – unabhängig vom Netzwerkstatus.

Welche typischen Benutzergruppen müssen in diesen Einstellungen berücksichtigt werden?

Romano Smit: Die Spannbreite ist groß. Neben den Menschen, die dort leben und ein sehr unterschiedliches Maß an Unabhängigkeit haben, benötigen Pflege- und Betreuungspersonal, Ehrenamtliche, externe Dienstleister und Angehörige Zugang, oft zu sehr unterschiedlichen Zeiten. Jede Gruppe bewegt sich mit verschiedenen Befugnissen und zu unterschiedlichen Zeiten im Gebäude. Ein Zutrittssystem muss diese Vielfalt strukturiert abbilden, ohne den Betrieb zu erschweren – also möglichst automatisiert, ohne manuellen Programmieraufwand von Offline-Komponenten.

Welche Herausforderungen ergeben sich für die Planung der Zutrittsorganisation? Was muss beachtet werden?

Romano Smit: Jede Tür hat eine eigene Funktion, egal ob Wohnbereich oder Technikraum. Daher muss sie in das Zutrittskonzept entsprechend eingebunden werden. Hinzu kommt die Dynamik des Alltags: Menschen ziehen ein oder aus, Dienstleister wechseln, Prozesse verändern sich. Systeme müssen daher leicht bedienbar und einfach anzupassen sein sowie in Ausnahmesituationen zuverlässig funktionieren. Schließlich müssen bei der Planung auch Datenschutz und gesetzliche Dokumentationspflichten berücksichtigt werden, da Einrichtungen für Betreutes Wohnen als kritische Infrastruktur gelten und entsprechenden gesetzlichen Vorschriften wie der NIS-2-Richtlinie unterliegen.

Gibt es bei den Planenden eine Präferenz bezüglich elektronischer, mechanischer oder hybrider Lösungen und wenn ja, warum?

Romano Smit: Elektronische Lösungen bieten die größte Flexibilität und werden daher zunehmend bevorzugt. Dennoch bleiben mechanische Systeme aufgrund ihrer Robustheit und geringeren Kosten relevant. Viele Einrichtungen entscheiden sich für Hybridkonzepte: Elektronik für den täglichen Betrieb insbesondere zum Schutz der Außenhülle und für die Wohnungsabsicherung sowie für Technikräume mit hohem Schutzbedarf und Mechanik als ergänzender Bestandteil – zum Beispiel für Lager- und Reinigungsräume oder als zuverlässige Backup-Ebene in Kombination mit elektronischen Türbeschlägen.

Wie hat sich die Nachfrage nach elektronischen Zugangslösungen für das Betreute Wohnen in den vergangenen Jahren entwickelt?

Romano Smit: Die Nachfrage ist deutlich gestiegen. Ein Grund dafür ist die zunehmende Digitalisierung, die neue Möglichkeiten eröffnet. Aufgrund von Personalengpässen müssen viele Einrichtungen ihre Prozesse effizienter gestalten. Auch die Pandemie hat Entwicklungen beschleunigt – etwa den Wunsch nach kontaktlosen Zugängen. Darüber hinaus spielen wirtschaftliche Überlegungen wie geringere Verwaltungskosten sowie strengere Sicherheits- und Datenschutzanforderungen eine Rolle.

Welche Trends sind bei der Zutrittskontrolle in Einrichtungen für Betreutes Wohnen zu erwarten?

Romano Smit: Die Verbreitung elektronischer Zutrittslösungen und damit die Digitalisierung der Berechtigungsvergabe wird weiter zunehmen – beispielsweise über die Anbindung an übergeordnete Managementsysteme für Personenstammdaten mit direkter Möglichkeit der automatisierten Berechtigungsvergabe. Wir sehen die Auto­matisierung somit mit sehr starkem Bezug zur Integration in Pflege- und Verwaltungsprozesse. Denkbar sind auch KI-gestützte Funktionen wie Auswertungen von regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben – zum Beispiel Reinigung, Wartung und Ähnliches.

Vielen Dank für das Gespräch.

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