Denkmalschutz trifft auf Wärmenetz und Digitalisierung

Der Immobiliendienstleister Drees & Sommer (www.dreso.com) greift Themen auf, die die Branche bewegen.

In Wendlingen-Unterboihingen steht ein Stück Industriegeschichte: die ehemalige Spinnerei der Otto Textil GmbH. Wo vor nicht allzu langer Zeit noch die Maschinen ratterten, entsteht nun bis 2027 ein zukunftsweisendes, gemischt genutztes Quartier mit denkmalgeschützten Backsteinbauten und einem hochmodernen Energiekonzept für einen klimaneutralen Betrieb. Das „Neckarspinnerei Quartier“ zeigt, wie das Potenzial alter Flächen genutzt werden kann, um Raum zum Wohnen und Arbeiten zu schaffen – und gleichzeitig ein Stück Geschichte zu erhalten.

In Deutschland werden laut Umweltbundesamt derzeit rund 54 Hektar Neufläche für Siedlungs- und Verkehrsflächen erschlossen – pro Tag. Bis 2030 möchte die Bundesregierung den Flächenneuverbrauch auf 30 Hektar pro Tag senken, bis 2050 soll er im Rahmen einer Flächenkreislaufwirtschaft bei Netto-Null liegen. Dennoch muss gebaut werden – jedoch bevorzugt auf Brachflächen, sogenannten Brownfields, statt auf der grünen Wiese.

Der Deutsche Brownfield Verband schätzt das Potenzial stillgelegter Industrieflächen in Deutschland auf mehr als 150.000 Hektar. Diese sind häufig stadtnah gelegen und weisen Verkehrs-, Strom-, Wasser- sowie Dateninfrastruktur auf. Hürden können Altlasten im Boden oder – wie im Fall der Neckarspinnerei – bauliche Herausforderungen durch den Denkmalschutz sein. Umso mehr geht das Neckarspinnerei Quartier mit gutem Beispiel voran und zeigt auf, wie mit Brachflächenrevitalisierung der häufig so dringend benötigte Wohnraum geschaffen werden kann, bei gleichzeitiger Schonung von Umwelt und Ressourcen.

Den industriellen Charme erhalten

Der 1861 eröffnete Spinnerei-Standort, an dem bis 2020 noch produziert wurde, steht sowohl für regionale Wirtschaftsgeschichte als auch für zeitgenössische Industrie-Architektur. Seit sieben Generationen im Familienbesitz, ist es das Ziel der Eigentümer, der HOS-Gruppe, die Geschichte eines im 19. Jahrhundert visionären Textilunternehmens fortzuschreiben und mit dem historischen Gelände weiterhin einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Metropolregion Stuttgart zu leisten. So soll mit dem Neckarspinnerei Quartier ein zukunftsgerichtetes und produktives Mischquartier zum Wohnen und Arbeiten entstehen, mit Bereichen für Gastronomie, Kultur und Handel. Dazu ist ein modernes Mobilitätskonzept mit guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, das Radwege- und Fußgängernetz vorgesehen.

Der weitestgehend denkmalgeschützte Gebäudebestand weist eine hohe bauliche Dichte und beinahe dörfliche Strukturen auf. Durch die Erweiterung bestehender Gebäude, moderne Umbauten sowie Neubauten soll das Gelände weiter verdichtet und aufgewertet werden. Das angrenzende Neckarufer bietet Nutzern eine hohe Aufenthaltsqualität. Das Quartier wurde als offizielles Projekt für die Internationale Bau-Ausstellung (IBA) 2027 ausgewählt.

Zukunftsweisendes Energiekonzept

Eine Machbarkeitsstudie mit Schwerpunkt Energie und Mobilität liegt bereits vor. Im Fokus stehen Themen wie Klimaneutralität/Klimapositivität, Mobilität, Digitalisierung in Symbiose mit der Geschichte des Areals, dem historischen Gebäudebestand und den sozialen, gesellschaftlichen Mehrwerten. Neben der Machbarkeitsstudie läuft ein Förderantrag zur Wärmeversorgung und die Entwicklung der Energieversorgung rund um ein hocheffizientes Wärmenetz (4.0). Ein Laufwasserkraftwerk, das bereits 1861 das Areal mit Energie versorgte, wird Teil des Konzeptes sein.

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