Physik statt Chemie

Wenn Algen und Pilze sprießen

An den Putzoberflächen mancher hoch gedämmter Fassaden zeigen sich Verfärbungen, die durch Mikroorganismen hervorgerufen werden. Der grünliche Bewuchs ist ein optischer Mangel, der den Gesamteindruck einer Immobilie erheblich beeinträchtigen kann. Neben entsprechenden Nährstoffen benötigen diese Mikroorganismen vor allem Feuchtigkeit, um wachsen zu können. Das Klima, die zur Verfügung stehende Feuchtigkeit aus Tauwasser und Niederschlag, der Standort des Gebäudes, sowie die Ausbildung konstruktiver Details zählen zu den Faktoren, die das Algen- und Pilzwachstum begünstigen können.

In der Nähe zu Bächen, Seen oder in Nebelgebieten begünstigt der Feuchtigkeitsgehalt der Luft generell die Ansiedlung von Algen und Pilzen, in ländlichen Gegenden zudem der nährstoffreiche Staub von Äckern und Feldern. Wer seine Fassade dauerhaft sauber halten will, sollte allzu dichte Bepflanzung in unmittelbarer Hausnähe vermeiden.

Falsch geplante konstruktive Details bei Neubau- und Sanierungsmaßnahmen können das Algen- und Pilzwachstum ebenfalls begünstigen. Zu den häufigsten Fehlern gehört ein mangelhafter Schutz der Fassade durch fehlende oder zu gering bemessene Dachüberstände, Gesimse oder Fensterbänke. Eine fehlerhafte Wasserführung an der Attika von Flachdächern oder Dachterrassen ist ebenfalls oft verantwortlich für rasantes Wachstum der Mikroorganismen auf anhaltend feuchten Fassadenbereichen. Weiterhin ist ein vermehrtes Wachstum oft dort zu beobachten, wo feuchte Luft aus den Innenräumen auf die Fassade trifft, zum Beispiel über den Fensterstürzen besonders feuchter Räume oder an den Öffnungen von Entlüftungsrohren.

Fassadenbeschichtung beeinflusst Algenwachstum

Neben den beschriebenen klimatischen und konstruktiven Voraussetzungen spielen die Eigenschaften der Fassadenbeschichtung eine entscheidende Rolle für eine wartungsarme Fassade. Die sach- und fachgerechte Auswahl und Verarbeitung liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Planern, Bauleitern und Handwerkern. Die Wahl des richtigen Putzsystems muss Standortfaktoren, konstruktive und bauphysikalische Gegebenheiten berücksichtigen. Die verfügbaren Systeme haben unterschiedliche Wirkweisen. Diese werden im Folgenden näher vorgestellt.

Selbstschutz: der mineralische Putz

Mineralische Putze werden bereits seit über 40 Jahren auf Wärmedämmverbundsystemen erfolgreich eingesetzt. Ihr hoher pH-Wert bietet einen natürlichen Schutz vor Bewuchs. Dickschichtige Aufbauten vereinen hohe Wärmespeicherfähigkeit und eine verringerte Tauwasserbildung. Die hydrophile Oberfläche nimmt Feuchtigkeit auf, die Oberfläche ist daher kurz nach der Beregnung bereits wieder trocken. Algen und Pilzen wird so die Lebensgrundlage Wasser entzogen. Das Risiko eines starken Algenbewuchses wird allein durch die Auswahl eines mineralischen Systems bereits erheblich verringert.

Chemischer Schutz: der pastöse Putz

Pastöse Putze auf der Basis organischer Bindemittel sind leicht zu verarbeiten und verfügen daher bei Handwerkern über eine hohe Akzeptanz. Doch in Bezug auf die Algen- und Pilzproblematik sind ihre Eigenschaften problemfördernd. Durch ihren dünnschichtigen Aufbau besitzen sie nur eine geringe Wärmespeicherfähigkeit, kühlen nachts schneller aus und begünstigen so die Tauwasserbildung. Hinzu kommt ein ungünstiger Feuchtehaushalt. Wenn ein organischer Putz einmal Wasser aufgenommen hat, erfolgt die Austrocknung nur sehr langsam. Um dem entgegen zu wirken, werden diese Beschichtungen in der Regel hydrophob – sprich wasserabweisend – eingestellt. Lange Zeit galt diese Vorgehensweise als optimale Lösung gegen Algen- und Pilzbewuchs. Wie jedoch die Praxis zeigt, bleibt die Feuchtigkeit gerade auf diesen Oberflächen besonders lange stehen, etwa in Form von Taufilmen oder durch Tropfen in Vertiefungen der Putzoberfläche. Verschiedene Hersteller setzen daher auf den Abperleffekt, der Sporen und Nährstoffe mit dem Regen abwaschen soll, jedoch auf den rauen Putzoberflächen oftmals nur eine reduzierte und nicht flächendeckende Wirkung zeigt.

Um die genannten Nachteile zu kompensieren, enthalten übliche organische Fassadenputze eine biozide Filmkonservierung, die Algen und Pilze chemisch bekämpft. Es handelt sich hierbei zumeist um eine Kombination mehrerer toxischer Wirkstoffe, die einen umfassenden Schutz gegenüber den zahlreichen Algen- und Pilzarten gewährleisten sollen. Diese Mittel müssen wasserlöslich sein, um ihre Wirkung zu entfalten, werden daher jedoch nach relativ kurzer Zeit zu großen Teilen vom Regenwasser ausgewaschen. Die Schutzwirkung ist also nicht von Dauer. Um die Fassade dauerhaft sauber zu halten, muss periodisch ein erneuter biozidhaltiger Anstrich erfolgen, was sowohl unter ästhetischen als auch unter bauphysikalischen Gesichtspunkten nicht optimal ist. Mit jeder organischen Beschichtung erhöht sich der Tauwasserausfall im System. Nicht zuletzt sind die ausgewaschenen Biozide eine gravierende Belastung für Grund- und Fließgewässer.

Ein Putz für Fassaden- und Umweltschutz

Die Vorteile der mineralischen Putzsysteme und die leichte Verarbeitung eines pastösen Putzes vereint eine ebenfalls bewährte Putzlösung auf der Basis eines organischen, dünnschichtigen Systems. Dieses verfügt ähnlich wie mineralische Putze über eine hydrophile Oberfläche ohne den Einsatz der sogenannten bioziden Filmkonservierung. Wassertropfen werden durch die Beschaffenheit der Fassadenoberfläche gedehnt; dadurch erhöht sich die Verdunstungs- und Angriffsfläche. Gleichzeitig verfügen die Putze über eine ausgeprägte Kapillaraktivität, wodurch das Wasser von der obersten Putzlage gezogen und erst später, während der nächsten Trockenphase, wieder abgegeben wird. Algen und Pilzen wird damit auf natürliche Weise das Wasser und damit die Lebensgrundlage entzogen. So vereint diese Putzlösung das physikalische Wirkprinzip der mineralischen Lösungen mit den Verarbeitungsvorteilen der pastösen Systeme. Für die Entwicklung dieses Putzsystems, der „weber.pas top“-Produkte wurde Saint-Gobain Weber im Jahr 2010 mit dem Umweltpreis der Stadt Wien ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde das WDV-System „weber.therm A 200“ mit „weber.pas top“-Fassadenputzen mit dem Blauen Engel ausgezeichnet und für den vom Bundesumweltministerium ­ausgelobten Bundespreis Ecodesign nominiert.

Fazit/Ausblick

Einen bewährten Schutz gegen übermäßigen Algen- und Pilzbewuchs bieten konstruktive Maßnahmen, die vor Feuchtigkeit schützen. Daneben spielt auch die Wahl des ­Oberputzes eine bedeutende Rolle. Hier hat die Industrie in der Vergangenheit vor allem auf hydrophobierte Oberflächen und den Einsatz von Bioziden gesetzt. Der Verzicht auf wasserlösliche, grundwasserbelastende Stoffe erscheint jedoch insbesondere unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit unumgänglich. Eine langlebige und umweltschonende Alternative ist die Verwendung von hy­drophilen, minerali­schen oder ­organischen Beschich­tungen mit dau­erhaften, physikalischen Wirkprinzipien.

Zu den häufigsten Fehlern gehört ein mangelhafter Schutz der ­Fassade durch fehlende oder zu gering bemessene Dachüberstände, Gesimse oder Fensterbänke.

Neben klimatischen und konstruktiven Voraussetzungen spielen die Eigenschaften der Beschichtung eine entscheidende Rolle für eine ­wartungsarme Fassade.

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