Neue Wege der Fassadendämmung

In einer Serie mit dem BMUB präsentieren wir Aktuelles aus der Bauforschung. In Teil 3 stellen wir das Forschungsprojekt „WDVS-Modulation“ vor.

Das Dämmen von Fassaden ist eine unbestreitbare Notwendigkeit und vor allem im Gebäudebestand gehören Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) zu den bestimmenden Baumaterialien unserer Zeit. Doch moderne Systeme zur Wärmedämmung bieten derzeit nur beschränkten Spielraum für eine individuelle Gestaltung und die heute schon vorhandenen gestalterischen Möglichkeiten dieser Systeme werden in Planung und Ausführung nicht ausgeschöpft. Dieser fortschreitende Prozess birgt das Risiko, dass der Charakter des Stadtbildes vielerorts in Beliebigkeit verwandelt wird.

Gegenstand des Forschungsvorhabens

Das Forschungsprojekt begreift die energetische Ertüchtigung der Gebäudehülle nicht nur als Ingenieurleistung, sondern auch als gestalterische Aufgabe und Chance. Konkret geht es darum, durch eine dreidimensionale Modulation der Dämmschicht sowohl die Fassadengestaltung zu individualisieren als auch die Leistung des Systems zu verbessern.

Im Hinblick auf ein konkretes Untersuchungsobjekt werden Wege erarbeitet, gestalterische Aussagen mit der Nutzung von WDVS zu verbinden. Dabei geht es nicht um ein „Aufhübschen“ der Systeme, sondern um eine Weiterentwicklung von deren ästhetischen Potentialen und Konsequenzen.

Die meisten Versuche der architektonischen Gestaltung von WDVS scheitern an dem Versuch, geputzte Massivbauoberflächen nachzuahmen. Bereits die technischen Gegebenheiten des Materials verhindern eine entsprechende Analogie.

Das im Rahmen dieses Forschungsvorhabens verfolgte Konzept setzt daher nicht beim Putz an, sondern bei der darunter liegenden Wärmedämmung. Deren Eigenschaften kommen einer Bearbeitung durchaus entgegen: Ihrer Verformung steht nichts im Weg, sofern man waagrechte Flächen und die daraus resultierende Feuchteproblematik vermeidet. Würde die Dämmung entweder dreidimensional modelliert oder zugeschnitten, würde die Oberfläche des Hauses zu einer gestaltbaren Ebene, die wesentlich subtilere Abstufungen zuließe als man sie vom Massivbau her kennt.

Statt auf die Mimikry von Putzbauten setzt das Forschungsprojekt auf eine ästhetische Lösung, die sich aus den Qualitäten des WDVS selbst entwickelt. Es versucht nichts weniger als dessen Funktion innerhalb der Fassadengestalt ablesbar zu machen. Ausgangspunkt für die daraus folgenden Überlegungen ist der unterschiedliche Wärmedurchgang verschiedener Bauteile einer Bestandsfassade. Wird die Dimensionierung des Dämmstoffs den ungleichen Wärmedurchgangskoeffizienten angepasst, entsteht eine Modulation der Oberfläche, die sich aus den unterschiedlichen thermischen Zuständen der Gebäudehaut ableitet.

Hierfür berechnet ein Computerprogramm auf der Basis von thermografischen Aufnahmen Wärmedurchgänge und Mängel in der thermischen Hülle, Temperaturverteilungen und Wasserdampfdiffusionsströme des Gebäudes und simuliert diese in einem dreidimensionalen Modell. Grundsätzlich ließe sich diese vom Wärmedurchgang durch die Fassade abgeleitete Modulation bereits als Relief des Dämmstoffes wiedergeben. Allerdings wären die dabei entstehenden Flächen zweifach gekrümmt und daher nur mittels eines aufwendigen Prozesses herstellbar. Eine Realisierung sähe sich zudem mit dem Problem konfrontiert, dass es bisher keine dreidimensional verformbaren Putzgewebe gibt. Das Forschungsprojekt untersucht daher Modulationen, die einerseits ausgehend von dem beschriebenen Modell den Wärmedurchgang abbilden, andererseits aber eine einfachere Fertigung versprechen.

Ressourcen werden eingespart

Die Simulation des Wärmedurchgangs wird so zur Grundlage variantenreicher Entwurfsmöglichkeiten. Es entsteht nicht nur ein völlig neues Erscheinungsbild von Fassaden, sondern zugleich eine Einsparung von Ressourcen, da stets nur so viel Dämmung eingesetzt wird, wie an der jeweiligen Stelle nötig ist. So nimmt die Funktion des WDVS Gestalt an. Nach Fertigung der Dämmstoffblöcke müssen diese, wie auch bei herkömmlichen WDVS, am Objekt fixiert, armiert und verputzt werden.

In den Verarbeitungsversuchen wurden verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Methoden verputzt, um eine technische wie auch gestalterische Verifikation zu gewährleisten. Bei Verwendung geeigneter Werkzeuge und Materialien konnte auch hier das gewünschte Ergebnis erzielt werden. Insbesondere an die handwerkliche Ausführung werden dabei höhere Anforderungen gestellt als bei konventionellen Systemen. Diese sind jedoch als umsetzbar anzusehen. Somit wurde im Sinne einer materialgerechten Ästhetik ein Impuls für eine Weiterentwicklung des Produktes WDVS unter grundlegend neuen gestalterischen Aspekten gesetzt.

Fazit

Abschließend ist festzuhalten, dass der Gestaltungsspielraum für WDVS sehr groß ist. Das Forschungsvorhaben entwickelte in diesem Rahmen eine Methodik zum Entwurf einer modulierten Gebäudeaußenhaut mittels WDV-System. Alle entworfenen Varianten konnten aus EPS-Dämmstoff produziert werden, zwei von ihnen sind mittels der heute verfügbaren Armierung und Schlussbeschichtung als umsetzbar einzustufen. Dies zeigt, dass WDVS als eigenständiges Material agieren kann und eine weitere intelligente Auseinandersetzung damit notwendig und möglich ist, um die Potentiale vollständig auszuloten.

Somit wurde ein erster Impuls für eine Weiterentwicklung des Produktes WDVS unter grundlegend neuen gestalterischen Aspekten gesetzt. Das Ziel einer materialgerechten Ästhetik ist damit ein Stück näher gerückt.

Faraneh Farnoudi,
Architekturbüro Hild + K, München
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