Megatrends: Was die ­Wohnungswirtschaft verändert

Digitalisierung und demografischer Wandel stellen die Wohnungswirtschaft vor gewaltige Herausforderungen. Ideen sind ebenso gefragt wie mehr Flexibilität. Das gilt auch für die Unternehmenssoftware, die als zentrale „Schaltstelle“ in Zukunft viele Aufgaben und Dienste integrieren muss.

Demografische Vorausberechnungen beruhen auf komplexen Annahmen. Mit verlässlichen Zahlen sind sie nicht zu verwechseln. Doch dass die Bevölkerung Deutschlands schrumpft und unsere Gesellschaft immer älter wird, ist als Trend nicht mehr aufzuhalten. Bis zum Jahr 2050 könnte der aktuellen Projektion des Statistischen Bundesamtes zufolge die Einwohnerzahl Deutschlands von 81,3 auf 76,1 Millionen sinken. Durchschnittlich 200.000 Einwanderer pro Jahr sind da schon mit eingerechnet. 43 Millionen Erwerbstätigen dürften dann 21 Millionen Rentner gegenüberstehen; aktuell liegt das Verhältnis bei rund 50 zu 17 Millionen.

Während Großstädte und Ballungsräume von Binnenwanderung und Migration profitieren, trifft der Wandel ländliche Kommunen in strukturschwachen Regionen am härtesten. Schon heute geht die Bevölkerungszahl in über 70 % aller Kreise und kreisfreien Städte zurück, worauf der GdW in seiner Statistik „Wohnungswirtschaftliche Daten und Trends 2015/2016“ hinweist. Eine neue Leerstandswelle droht demnach insbesondere im Osten Deutschlands.

Wo immer mehr Menschen ab­­wandern, verschlechtert sich die infrastrukturelle Versorgungslage, was die Regionen noch unattraktiver macht. Dieser Entwicklung etwas Positives abzugewinnen, fällt schwer. Und doch: Deutschland als „Pionier“ beim weltweiten demografischen Wandel habe die Chance, so Reiner Klingholz vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, „sich früher als andere mit den neuen Bedingungen zu arrangieren und dabei etwas Neues zu schaffen.“*

Mieterservices für generationengerechtes Wohnen

Für die Wohnungswirtschaft geht es um mehr als barrierefreies Bauen, es geht um Ideen. In seiner Studie „Wohntrends 2030“ bringt der GdW dazu viele Vorschläge ins Spiel. Beispiel Gesundheitstrend: Dank unserer gesunden Lebensweise werden wir immer älter und wollen möglichst lange fit bleiben. Die Krankenkassen bieten weniger Leistungen, dafür boomt der von den freiwilligen Beiträgen der Kunden finanzierte zweite Gesundheitsmarkt. Fitnessstudio und Sportangebote, Bioladen und Gesundheitsdienstleistungen im Quartier werden nachgefragt sein.

Für ältere Menschen wird das Quartier dank Nachbarschaftshilfe, generationenübergreifendem Wohnen, Seniorengenossenschaften oder ‑hausgemeinschaften attraktiver. Wird neu gebaut, dann haben flexible Grundrisse Zukunft, um Wohnungen je nach Lebenssituation zu vergrößern oder zu verkleinern – wenn Nachwuchs kommt, ein Home-Office benötigt wird, die Kinder ausziehen oder der Lebenspartner stirbt. Dank altersgerechter Technologien, wie beispielsweise ein Notfall-Assistenzsystem, können Mieter mit eingeschränkter Mobilität lange unabhängig und selbstbestimmt in ihren Wohnungen bleiben. Services in diesem Bereich könnte das Wohnungsunternehmen über ein Mieterportal anbinden, die Abrechnung über die wohnungswirtschaftliche Softwarelösung abwickeln, zum Beispiel zusammen mit den Betriebskostenabrechnungen. Voraussetzung ist, dass die genutzte Software flexibel ist und mitwächst – also vom Anbieter zukunftsfähig weiterentwickelt wird. Da dürfte man bei den wohnungswirtschaftlichen Systemlösungen etablierter Anbieter – wie Haufe, Aareon oder GAP-Group – auf der sicheren Seite sein.

Digitalisierung: ‚Smart‘ muss es gehen

Die Standards der großen Player Google, Apple & Co. formen die Anforderungen der zukünftigen Mietergeneration an Kommunikation und Services. Sofort, von überall aus und maximal bequem möchte der Nutzer auf Dienste und Daten zugreifen: ob er den Handwerker bestellt, eine Rechnung bezahlt oder den Energieverbrauch in seiner Wohnung steuert. Dementsprechend dürften Wohnungsunternehmen in Zukunft immer mehr Services per App oder online anbieten. Die Anwendungen sind an das Softwaresystem gekoppelt und binden die Kundenprozesse kostensparend in die angrenzenden Abläufe ein. Auch hier dient das Mieterportal als Beispiel. Derzeit können sich Nutzer bereits Formulare herunterladen, ihre Daten oder Bankverbindung ändern und vieles mehr. Solche Services steigern nicht nur die Kundenzufriedenheit, sondern helfen auch, Kosten in der Verwaltung zu sparen.

Doch Abläufe müssen nicht nur ‚smart’ funktionieren, der Mieter möchte auch verschiedene Optionen angeboten bekommen. Diese Erwartungshaltung resultiert aus der Lebenswelt, in der die jüngeren Generationen aufgewachsen sind. Die sogenannte „Generation Y“ der zwischen 1980 und 2000 Geborenen und die nächste „Generation Z“ sind mit Digitalisierung und Multioptionen des Internets groß geworden – aber auch mit Globalisierung und tiefgreifenden Umbrüchen in der Arbeitswelt. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann nennt die Generation Y die „heimlichen Revolutionäre“. Sie sind geprägt von Pragmatismus und dem Gefühl: Alles ist möglich, nichts ist sicher, aber es wird immer weitergehen. Sie sind gut ausgebildet, wollen sich verwirklichen und Beruf und Familienleben in Einklang bringen. Und von Kindheit an sind sie es gewohnt, bei allen Entscheidungen einbezogen zu werden.

Die Lebens- und Arbeitswelt der

Generation Y

Diese Lebenseinstellung schlägt auch auf das Verhältnis zum Arbeitgeber durch. Flexible Arbeitsmodelle haben Zukunft. Unabhängig von klassischen Arbeitszeiten wird mehr Zeit im Home Office oder mobil gearbeitet. Der eigene Arbeitsplatz verschwindet; dafür arbeiten virtuelle Teams per Videokonferenz und über projektbasierte Tools zusammen. Das hat sowohl für die Wohnungsunternehmen als Arbeitgeber als auch für die Gestaltung Quartiergestaltung Relevanz.

Was die Kommunikation betrifft, wird in der jüngeren Generation zunehmend weniger telefoniert. Doch der tägliche Umgang mit sozialen Netzwerken und Instant-Messaging-Diensten ist selbstverständlich. Instagram etwa wächst gerade in Deutschland enorm, bereits 9 Millionen Nutzer hat der Dienst nach eigenen Angaben hierzulande und wird vor allem bei den 14- bis 29-Jährigen immer populärer.

Den WhatsApp Messenger – unter Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren eine der beliebtesten Apps – nutzen der ARD/ZDF-Onlinestudie 2015 zufolge bereits 44 Prozent der Internetnutzer in Deutschland täglich. Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, muss die Kommunikation zwischen Mietern und Wohnungsunternehmen in Zukunft schneller, personalisierter und individueller werden. Starre Öffnungszeiten oder eine eingeschränkte telefonische Erreichbarkeit sind mit den Ansprüchen der Digital Natives kaum mehr zu vereinbaren. Haben sie eine Anfrage, erwarten sie eine Reaktion innerhalb weniger Stunden.

Die Kunden über soziale Netzwerke zu bedienen, ist nicht nur eine wichtige Aufgabe für Wohnungsunternehmen. Damit eröffnet sich auch die Chance, die Zielgruppen noch transparenter und bedarfsgerechter zu informieren. Neue Wege in der Kommunikation gilt es nicht nur bei Bestandsmietern, sondern auch in der Vermarktung zu beschreiten.

Die reine Auflistung von Objektdaten und Ausstattung, dazu ein paar klassische Bilder, werden den Interessenten der Zukunft weniger reizen als Videos, eine interaktive Umgebungskarte oder eine App, die die virtuelle Begehung des Gebäudes ermöglicht. Und der Nutzer will Kommentare zum Immobilienangebot abgeben können, um Umgebung, Infrastruktur oder Einkaufs- und Ausgehmöglichkeiten zu bewerten.

Vernetzung vieler Dienste in der Zentrale

Die Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche wird also ihre Abbildung in den Prozessen der Wohnungswirtschaft finden. Schon heute werden immer mehr Aufgaben automatisiert und verknüpft. Digitale Steuerung kommt in der Haustechnik zum Einsatz: Vernetzte Heiz-, Lüftungs- oder Beleuchtungssteuerungen steigern die Energieeffizienz eines Gebäudes. Abläufe im Außendienst, wie die Prüfung der Verkehrssicherheit, die Wohnungsvermarktung oder die Vermietung werden durch mobile Applikationen abgedeckt.

Die Software Haufe wowinex beispielsweise entwickelt sich in diese Richtung. Sie verfügt bereits über eine angebundene mobile Wohnungsübergabe und wird nach Angaben von Haufe demnächst um eine mobile Verkehrssicherung und Auftragserfassung erweitert.

In Zukunft müssen die Softwarelösungen durch Schnittstellen noch offener werden, um mobile Anwendungen und Webservices flexibel anbinden und Daten mit Dienstleistern und Partnern problemlos austauschen zu können.

Dass die Zukunft mit der Ge­­nerierung enor­­mer Datenmengen einhergeht, liegt auf der Hand. Wie die sensiblen Daten der Mieter sinnvoll zu handeln sind, ob sie in der Cloud liegen oder auf ei­­genen Servern, und wie sie geschützt werden können, dazu sind klare Strategien gefragt.

Doch wie wird unsere Welt in 20, 30 Jahren wirklich aussehen? Sind Datenbrille und Smartwatch dann wieder verschwunden? Prägt autonomes Fahren das Bild unserer Städte?

Die Unternehmen des Silicon Valley geben zweifelsohne das Innovationstempo vor und drängen in immer mehr Märkte. Dennoch: Das gesamte Feld sollte man ihnen nicht kampflos überlassen.

*Quellen„Wohnungswirtschaftlichen Daten und Trends 2015/2016“, Hrsg. GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.
„Wohntrends 2030“, Hrsg. GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V, 2013
Alexander Heintze: „Megatrends in der Wohnungswirtschaft“, Haufe Kundenmagazin „update“, Ausgabe 4, 2015
Reiner Klingholz: „Deutschlands demografische Herausforderungen. Wie sich unser Land langsam aber sicher wandelt“, Hrsg. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2016
ARD/ZDF-Onlinestudie 2015 (www.ard-zdf-onlinestudie.de)

Wo immer mehr Menschen abwandern, verschlechtert sich die

infrastrukturelle Versorgungslage, was die Regionen noch

unattraktiver macht.

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