Lösung im Sinne des Mieters

Interview mit Heike Clauss, Geschäftsführerin vom Verein „Barrierefrei Leben“.

Neben Bürgerinnen und Bürgern berät Ihr Zentrum künftig auch Wohnungsunternehmen. Was können die Unternehmen konkret erwarten?

Heike Clauss: Unser Verein Barrierefrei Leben ist seit über 25 Jahren Träger des Beratungszentrums für technische Hilfen und Wohnraumanpassung. Aufgabe des Zentrums ist die Beratung und Unterstützung von Privathaushalten. Aber besonders, wenn es um Umbaumaßnahmen geht, wird auch häufig das Wohnungsunternehmen einbezogen und man versucht, gemeinsam eine gute Lösung im Sinne des Mieters zu finden.

Seit 2019 ist Barrierefrei Leben zusätzlich einer von drei Trägern des Kompetenzzentrums für ein barrierefreies Hamburg. Mit dem Kompetenzzentrum beraten wir die öffentliche Hand, also Behörden und städtische Einrichtungen, aber auch Vereine, Stiftungen und die Privatwirtschaft. Barrierefrei Leben bringt in das Kompetenzzentrum zwei Architekt:innen-Stellen ein, die beim Hochbau und bei der Entwicklung barrierefreier Quartiere unterstützen. Wohnungsunternehmen, die neu bauen oder vorhandenes Immobilien barrierefrei umbauen möchten, können die Baupläne zur Sichtung einreichen und erhalten eine Stellungnahme mit Empfehlungen. Möglich sind auch Ortsbegehungen mit den Architekt:innen. Diese achten übrigens nicht nur auf die Anforderungen von Rollstuhl- oder Rollatornutzer:innen, sondern vermitteln einen ganzheitlichen Ansatz - den Barrierefreiheit ja ausmacht - an die Wohnungsunternehmen weiter.

Wie decken Sie das breite Themenspektrum fachlich und personell ab, damit eine ganzheitliche Beratung gelingt? Haben Sie Experten für jeden Teilbereich?

Heike Clauss: Wir beraten tatsächlich zu einem sehr breiten Themenfeld. Die Spanne reicht von Hilfsmitteln für das selbständige Leben und die Pflege zuhause, über Rollstühle und Rollatoren bis hin zum barrierefreien (Um-)Bauen und Quartiersmanagement. Um in allen Bereichen professionell agieren zu können, sind spezialisierte Expertinnen absolut notwendig. Wir arbeiten in einem interdisziplinären Team, bestehend aus einer Ergotherapeutin, einer Pflegefachkraft, drei Architektinnen und einer Verwaltungskraft zur Finanzierungsberatung.

Neu ist für uns der Bereich „Smart Home“. Wir finden es sehr wichtig, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung zu den Möglichkeiten und Chancen dieser digitalen Lösungen zu informieren. Sehr schnell haben wir aber gemerkt, dass man sich einen Überblick über den Markt und die Gebrauchstauglichkeit der smarten Lösungen nicht so nebenbei verschaffen kann. Wir freuen uns deshalb sehr, dass die Sozialbehörde Hamburg – Amt für Gesundheit ein zweijähriges Projekt fördert, in dem wir uns zunächst selbst schlau machen können, um dann die Informationen und Erfahrungen an Privathaushalte, die Pflege- und die Wohnungswirtschaft weiterzugeben.

Ist Ihr Zentrum über die reine Beratung hinaus bei der praktischen Umsetzung behilflich?

Heike Clauss: Hier ziehen wir in der Regel eine Grenze, wir beraten und geben Empfehlungen, aber wir planen nicht und wir organisieren die Umsetzung nicht. Wenn wir bei der Beratung von Privathaushalten allerdings erkennen, dass Menschen aufgrund des Alters, einer Einschränkung oder unzureichenden Deutschkenntnisse nicht selbst in der Lage sind, beispielsweise Angebote von Handwerkern einzuholen oder Angebote zu beurteilen, dann unterstützen wir im Einzelfall.

Umfasst Ihr Service die Klärung von Finanzierungsfragen oder welche Fördermittel es gibt?

Heike Clauss: Die Beratung zu Fördermöglichkeiten ist tatsächlich ein sehr wichtiger Aspekt. Wir unterstützen Privathaushalte indem unsere Fachkraft mögliche Fördertöpfe aufzeigt und bei Bedarf bei der Beantragung hilft. Wenn etwa Kranken- oder Pflegekassen die Förderung von Hilfsmitteln oder wohnumfeldverbessernden Maßnahmen ablehnen, unterstützen wir auch dabei, Widerspruch einzulegen.

Gilt Ihr Angebot ausschließlich für Hamburger Wohnungsunternehmen oder können sich auch Unternehmen aus anderen Städten und Bundesländern an Sie wenden?

Heike Clauss: Aufgrund unserer Förderung durch die Stadt Hamburg können wir leider nur Hamburger Unternehmen beraten. In einigen anderen Bundesländern gibt es aber auch bereits Fachstellen bzw. Kompetenzzentren, die zu Barrierefreiheit beraten. Und weitere neue Stellen, zum Beispiel in Baden-Württemberg, sind in Planung. Es ist toll, dass das Thema Barrierefreiheit nun anscheinend Fahrt aufnimmt!

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Beratung und Hilfen

Überblick über bundesweite Beratungsstellen
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnraumanpassung
www.wohnungsanpassung-bag.de

Planungshilfen für barrierefreies Planen und Bauen
Fachportal Nullbarriere.de
www.nullbarriere.de

Leitfaden Barrierefreies Bauen
Bundesministerium des Inneren und für Heimat
www.leitfadenbarrierefreiesbauen.de

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 1-2/2022 Wohnen im Alter

Wohnen ohne Stolperfallen und Barrieren

Am 16. September 2021 war großer Bahnhof auf dem Gelände der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg: Im Beisein von viel Prominenz aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft wurde...

mehr

Unterstützung für Kommunen und soziale Einrichtungen durch neues Zentrum KlimaAnpassung

Der Klimawandel ist deutschlandweit spürbar: Extremwetter wie Hitzewellen, Starkregen oder Überschwemmungen schaden Menschen, Umwelt und Infrastruktur. Folgen und damit verbundene Kosten tragen vor...

mehr
Ausgabe 10/2018 Zertifiziert

Barrierefrei geprüfte Türen

Schörghuber hat als einer der ersten Hersteller auf Barrierefreiheit geprüfte und zertifizierte Türlösungen auf den Markt gebracht. Diese sind als Komplettelemente, also Türblatt, Zarge,...

mehr
Ausgabe 10/2011

Barrierefrei und altersgerecht ...

Liebe Leserinnen und Leser, wir sprechen heute gerne von sogenannten Megathemen, kein schönes Wort für dringliche Aufgaben, die wir für heute und morgen bewältigen müssen. Es soll aber die...

mehr
Ausgabe 04/2014

Was bedeutet Barrierefreiheit in Zentimetern?

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels steigt die Nachfrage nach barrierefreiem Wohnraum. Die baurechtliche Situation stellt Planer und Architekten jedoch vor Herausforderungen, denn die...

mehr