Innen dämmen mit System

Innendämm-Systeme (IDS) bieten sich immer dann an, wenn die Gebäudefassade nicht verändert werden soll oder darf. Mit anwendungssicheren Lösungen stellen sie eine praktikable Alternative zur klassischen Fassa­den­dämmung dar.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat in einer im April 2016 veröffentlichten Studie überprüft, ob die Energiewende der Bundesregierung noch im Zeitplan liegt – und kommt zu teils ernüchternden Ergebnissen: Beim Klimaschutz etwa sei das Land weit von den selbst gesteckten Zielen entfernt, so die Wissenschaftler. Bis 2020 sollten die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 % sinken. Demnach hätte der CO2-Ausstoß bei der Stromerzeugung von 2000 bis 2014 um gut 24 % reduziert werden müssen. Bisher konnte die Branche den Ausstoß aber nur um knapp 6 % senken. Auch bei der Energieeffizienz ist Deutschland laut IW Köln heute längst nicht so weit, wie man sein wollte. Die zu niedrige Senkungsrate beim CO2 Ausstoß ist u.a. ein Ergebnis der nach wie vor zu geringen energetischen Sanierungsquote im Gebäudebereich. Obwohl Teile der professionellen Wohnungswirtschaft hier kontinuierlich engagiert sind, bleibt noch jede Menge zu tun. Kritikern, die mit einer Fassadendämmung stets den optischen Dämm-Einheitslook gleichsetzen, lässt sich inzwischen mit einer Fülle gelungener Objektbeispiele begegnen. Oder mit dem Einsatz von Innendämm-Systemen (IDS). Gerade bei Gebäuden mit historischen oder feingliedrigen Fassaden und bei gesetzlichen Einschränkungen wie Abstandsregelungen oder Vorgaben in Bebauungsplänen erweist sich die Innendämmung als eine praktikable Variante zur Dämmung von Außenwänden. Innendämm-Systeme empfehlen sich insbesondere

– für die energetische Sanierung denkmalgeschützter oder erhaltenswerter Fassaden wie Fachwerk, Sichtmauerwerk und Stuckfassaden;

– wenn durch Grenzbebauung oder die geforderte Einhaltung von Gebäudefluchten keine ausreichende Dämmstoffdicke auf der Fassade angebracht werden kann,

– wenn für eine Außendämmung kein ausreichender Dachüberstand vorhanden und herstellbar ist,

– für nur gelegentlich be­­­nutzte Räume wie Gästezimmer und Hobbyräume oder nur zeitweise genutzte Gebäude(teile).

Systeme zur Außenwanddämmung – sei es von außen oder von innen – haben eines gemeinsam: sie leisten viel mehr als nur einen Beitrag zur Energieeinsparung. Deshalb ist auch der Blick rein auf die vermeintliche Wirtschaftlichkeit solcher Systeme zu kurz gedacht. Zu individuell sind die Voraussetzungen am Gebäude, die Systemauswahl, die Ausführung und nicht zuletzt das Nutzerverhalten, um hier allgemeingültige Aussagen treffen zu können. Experten verbinden mit der Innendämmung gerade in Geschosswohnungsbauten in erster Linie die zusätzlichen Themen Behaglichkeit und Schimmelprävention – beides Faktoren, die für Bewohnern bzw. Mieter genauso erlebbar und wichtig sind wie niedrige Energiekosten. 

Die Erfahrung zeigt, dass in der Wohnungswirtschaft die Schimmelsanierung bzw. die Schimmelprävention oft an erster Stelle steht. Auch das kann eine gute Innendämmung leisten. Kalte Wandoberflächen werden eliminiert und damit dort ein Kondensatausfall, die Hauptursache für Schimmelbildung, vermieden. Werden die Wärmebrücken der Gebäude in diesem Zusammenhang energetisch bewertet und ggf. ebenfalls ertüchtigt, kann die Wohnungswirtschaft mit zufriedenen Mietern rechnen. Für die Analyse gilt es, fachmännisch zu beurteilen, woher der Schimmelbefall und der Feuchteeintrag kommen. Ist es eine klassische Wärmebrücke mit entsprechender Oberflächenkondensation oder ist an dieser Stelle ein unzureichender Schlagregenschutz der Fassade ursächlich verantwortlich? Bei der Innendämmung sind es im Allgemeinen die Wärmebrücken an einbindenden Massivbauteilen oder der richtige Anschluss des Systems an eine Holzbalkendecke, die besonderer Aufmerksamkeit und Planung bedürfen. Wirksamer Schlagregenschutz auf der Außenseite ist zwingende Voraussetzung beim Einsatz von IDS.

Bei der Verwendung von Innendämm-Systemen muss besonderes Augenmerk auf das Feuchtemanagement gerichtet werden. Wichtig ist, dass der Feuchtegehalt des Wandbildners nicht im Laufe der Zeit ansteigt. Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Arten von IDS: diffusionsdichte / diffusionsgebremste Systeme und kapillaraktive / diffusionsoffene Systeme.

Diffusionsdichte / diffusionsgebremste Systeme

Das Grundprinzip diffusionsdichter Systeme besteht darin, ein Eindringen von Feuchtigkeit von der Raumseite in den Wandaufbau grundsätzlich mit Hilfe geeigneter Materialien und Konstruktionen zu verhindern. Hierzu wird raumseitig vor der Dämmebene eine Schicht mit hohem Diffusionswiderstand aufgebracht. Diese Schicht kann aus dem Dämmstoff selbst, aus einer Dampfbremsfolie oder aus Beschichtungsstoffen mit vergleichbarer Wirkung bestehen.

Diffusionsgebremste Systeme weisen einen ähnlichen Aufbau auf wie diffusionsdichte Systeme. Der Diffusionswiderstand ist im Vergleich geringer und lässt einen Ausgleich zwischen unkritischen Feuchteeinträgen bei kühlen Außentemperaturen und Verdunstungen bei  sich ändernden Umgebungsbedingungen zu.

Kapillaraktive / diffusionsoffene Systeme

Sie erlauben einen Dampfdiffusionsstrom in die Wand hinein, nehmen die anfallende Feuchtigkeit auf und transportieren sie kapillar an die rauminnere Oberfläche der Außenwand zurück. Durch die sorgfältige Auswahl und Abstimmung der Systemkomponenten wird das Feuchteniveau in der Wand dauerhaft auf ein unkritisches Maß reduziert. Zudem bleibt die Wand diffusionsoffen und kann Feuchtespitzen aus der Raumluft abpuffern. So wird die relative Luftfeuchtigkeit im Innenraum auf natürliche Weise reguliert.

Unabdingbar für den erfolgreichen Einsatz von IDS sind die sorgfältige Analyse der jeweiligen Bestandssituation und die daraus resultierende Planung. Der Fachverband Wärmedämm-Verbundsysteme (FV WDVS) hatte 2012 die branchenweit erste „Technische Richtlinie für IDS“ veröffentlicht. Dieser Leitfaden wurde nun komplett überarbeitet und deutlich in Richtung Planer, Architekten und Fachhandwerk erweitert. Dabei hat der FV WDVS insbesondere die Kompetenzen und Erfahrungen der Systemanbieter berücksichtigt. Darüber hinaus haben ausgewiesene Innendämmexperten wie z.B. vom Fraunhofer Institut für Bauphysik aus Holzkirchen und der TU Dresden an der Richtlinie mitgewirkt.

Technische Richtlinie IDS 2.0

Im Oktober 2016 wird die neue Technische Richtlinie IDS 2.0 zur Verfügung stehen. Gegenüber der vorherigen Ausgabe sind die Kapitel umfangreicher und detailreicher geworden, denn die Beteiligten haben sich so nahe wie möglich an den Anforderungen der Praxis orientiert. Die Richtlinie 2.0 informiert zunächst über Rahmenbedingungen und Vorschriften, insbesondere bezogen auf den Wärme-, Feuchte- und Schallschutz. Es folgt ein Grundsatzkapitel mit detaillierter Beschreibung der Bestandteile eines IDS. Fast zwanzig Seiten nimmt der Bereich Planung eines IDS ein. Dieses Kapitel bildet den inhaltlichen Kern der neuen Technischen Richtlinie. Hier werden die Grundlagen und Voraussetzungen für eine fachgerechte Ausführung einer Innendämmung aufgezeigt, die dann auch die Ziele Energieeinsparung, Schimmelschutz und Behaglichkeitszuwachs erreicht. Beginnend bei der Bauzustandsanalyse zeichnet das Kapitel die wichtigsten Planungsschritte nach. Für die Objektbeurteilung enthält die Technische Richtlinie 2.0 eine Checkliste, mit der Planer und Fachhandwerk vor Ort arbeiten können. Klimarandbedingungen, Schlagregenschutz, Luftdichtheit und Konvektion, Mindestwärmeschutz und Wärmebrücken heißen die weiteren Schwerpunkte des Planungskapitels. Neu sind hier eigene Abschnitte zum Umgang mit Elektroinstallationen, Wandheizungen und zu Fachwerkkonstruktionen. Anschließend informieren die Autoren über die Verarbeitung und Nutzung von IDS. Das Abschlusskapitel bildet eine umfangreiche Zusammenstellung beispielhafter Konstruktionsdetails. Sie erläutern anschaulich die spezifischen Planungs- und Ausführungsanforderungen z.B. bei Wanddurchdringungen, Fensterlaibungen, Wand-, Decken- und Estrichanschlüssen, Rollladenkästen oder Flachdächern.

Die Technische Richtlinie 2.0 bietet fundiertes Fachwissen für anwendungssichere Systemlösungen bei der Innendämmung und stellt damit auch die Basis für das „Qualitätssiegel IDSysteme“ dar. Dieses Siegel erhalten ausschließlich Systemanbieter, die sich an die Vorgaben der Richtlinie halten und in der Lage sind, Planern und Fachhandwerkern entsprechende Unterlagen und individuelle Unterstützung zukommen zu lassen. Diese Systemhäuser bieten beispielsweise spezielle Wärmebrückenkataloge für Detaillösungen bei der Innendämmung an. Darin geht es u.a. um die Wärmebrückenreduzierung an einbindenden Massivbauteilen. Darüber hinaus sind die mit dem Qualitätssiegel zertifizierten Unternehmen auch bei der bauphysikalischen Beurteilung einer Maßnahme mit geschultem Personal behilflich.

Innendämm-Systeme als eine Form der energetischen Sanierung sind planbar, funktional und bei Beachtung der Verarbeitungsanleitungen anwendungssicher. Sie verschaffen Investoren und Eigentümern in der Wohnungswirtschaft sowie Planern, Architekten und Fachhandwerkern zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten und Flexibilität. Durch die Systemaufbauten, Dämmstoffe und Oberflächengestaltungen sind zahlreiche Features möglich. Das reicht bis hin zur dezenten Integration von Installationen, Lautsprechern und Flächenheizungen.

Man unterscheidet im Wesentlichen zwischen diffusionsdichten / diffusionsgebremsten Systemen und kapillaraktiven / diffusionsoffenen Systemen.

Im Juli 2016 wird die neue Technische Richtlinie IDS 2.0 zur Verfügung stehen.

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