Ökologischer Dämmstoff

Häuser mit Hanffaser-WDVS saniert

Von einem „Kraut“ kann nicht die Rede sein und schon gar nicht von einer Droge: In der Nürnberger Gartenstadt kamen gleich an sechs in Reihe gebauten Wohnhäusern, die unter Denkmalschutz stehen, neuentwickelte Hanffaserdämmplatten zum Einsatz.

Der pfiffige Vorschlag, in der Nürnberger Gartenstadt Hanffaserplatten zur Fassadendämmung zu verwenden, kam von Murat Baydemir, Geschäftsführer der Firma Baydemir Stuck aus Oberasbach: „Ich bin stets auf der Suche nach neuen Ideen und Produkten, um mich von meinen Mitbewerbern abzuheben. 2014 habe ich erstmals von der Entwicklung eines neuen Dämmsystems von Caparol erfahren, das auf Hanf basiert. Nachdem ich mir auf Einladung des Unternehmens selbst ein Bild vom Anbau, der Ernte und Verarbeitung machen konnte, stand für mich fest, dass mein Betrieb diese Hanffaser-Dämmplatten anbieten wird“, berichtet der versierte Handwerksunternehmer.

Damit lag Murat Baydemir genau auf der Linie der „Gartenstädter“, wie sich die Anhänger der historischen Gartenstadtbewegung mit berechtigtem Stolz auf das einigende Wir-Gefühl auch heute noch nennen. Die Verantwortlichen der 1908 gegründeten Nürnberger Wohnbaugenossenschaft ließen sich zudem durch Herbert Linz, Verkaufsleiter Süd bei Caparol, eingehend über die Produktvorzüge und Systemeigenschaften unterrichten.

Als auch das Denkmalschutzamt der Stadt Nürnberg grünes Licht gab, die Fassaden von zunächst sechs Reihen-Einfamilienhäusern mit Hanffaserplatten auszustatten, konnte die Baydemir Stuck GmbH & Co. KG mit der Applikation beginnen: Die Häuser erhielten auf einer Fläche von 436 m² Außenwand 100 mm dicke Hanfdämmplatten, die mit einem mineralischen Dickputz beschichtet und im Anschluss mit Thermosan Fassadenfarbe NQG zweimal gestrichen wurden.

Innovation und Tradition verbinden

Die Entscheidung, Hanf als Fassadendämmstoff einzusetzen, entspricht der Naturverbundenheit der Gartenstädter. Sie halten die Philosophie der historischen Gartenstadtbewegung lebendig und machen sie in ihren Quartieren für jedermann erkennbar. Einen ganzen Stadtteil mit rund ums Jahr so liebevoll gehegten und gepflegten öffentlichen Grünanlagen und privaten Gärten sieht man wahrscheinlich nur in Nürnberg.

„Natürlich passen pflanzliche Dämmstoffe am besten zur traditionell ökologischen Ausrichtung unserer Genossenschaft. Deshalb hat uns der Vorschlag von Herrn Baydemir, unsere Häuser im Hirschensuhl mit Hanf zu dämmen, vom ersten Moment an fasziniert. Es dürften nicht die einzigen bleiben, zumal sich der Wohnkomfort, wie mehrere Bewohner übereinstimmend berichten, durch die energetische Sanierung spürbar verbessert hat. Auch der minimierte Heizwärmebedarf ist uns sehr willkommen“, sagt Architekt Dipl.-Ing. Johannes Soellner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Gartenstadt Nürnberg eG.

Vorteile erkennen und nutzen

„Wir sind Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen und geradezu neugierig, wenn es darum geht, eine Verbesserung des Wohnkomforts für unsere Mitglieder zu erzielen. Wirkungsvoller sommerlicher Hitzeschutz und gute Schallschutzeigenschaften sind uns daher bei der Wahl von Dämmmaterialien sehr wichtig. Auch deshalb haben wir uns für die Hanfdämmung von Caparol entschieden“, ergänzt Michael Steinhage, der bei Bau- und Modernisierungsmaßnahmen der Genossenschaft als Oberbauleiter fungiert.

Im Ergebnis kommt die Dämmmaßnahme sogar dem in der Energieeinsparverordnung formulierten Ziel für vergleichbare Gebäude außerhalb des Denkmalschutzes so nahe, dass eine über 100 mm hinausgehende Dämmplattendicke keine nennenswerte Verbesserung mehr mit sich gebracht hätte; wohl aber wäre sie auf Kosten historischer Fassadendetails gegangen, an deren Erhalt dem Denkmalschutzamt sehr gelegen ist.

„Die sanierten Häuser im Hirschensuhl sind ein schönes Beispiel, dass sich der Wunsch des Gesetzgebers, den Energiebedarf im Immobilienbestand zu senken und den Klimaschutz zu verbessern, mit den berechtigten Anliegen des Denkmalschutzes durchaus in Einklang bringen lässt. Das funktioniert unter der Voraussetzung, dass alle Beteiligten bereit sind, vernünftige Kompromisse einzugehen. Letztlich geht es ja darum, den Bewohnern der gedämmten Häuser einen Mehrwert zu bieten – was bei Modernisierungsmaßnahmen, die mit Sachverstand und Augenmaß durchgeführt werden, immer wieder mit Bravour gelingt“, resümiert Herbert Linz, Verkaufsleiter bei Caparol. 

Ein eigenes Haus im Grünen

Was den besonderen Charme des Wohnens in der Gartenstadt ausmacht, ist weit mehr als der kleine Garten hinterm Haus. Eine besondere Anziehungskraft geht auch von der Architektur der Gebäude aus, die in Nürnberg auf den originären Planungen von Prof. Richard Riemerschmid beruht. Von ihm übernahm ab 1912 das Architekturbüro Lehr & Leubert die gestalterische Federführung in der Gartenstadt; nach Entwürfen von Architekt Hans Lehr sind dort unter anderem die Häuser im „Hirschensuhl“ entstanden.

Einst war der Hirschensuhl ein Feuchtbiotop, in dessen Wasserlachen und Schlammpfützen sich Hirsche und anderes Wild aus den umgebenden Wäldern suhlten. Doch das ist lange her. Mit der im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert voranschreitenden Industrialisierung ging eine beispiellose Urbanisierung einher: Alles drängte in die Stadt, man musste wohnen, wo es Arbeit gab. Folglich wuchs der Wohnraumbedarf besonders in der näheren Umgebung von Fabrikanlagen, die damals – heute unvorstellbar – bevorzugt im Stadtzentrum errichtet wurden.

Mehr und mehr Grünflächen mussten der Bebauung weichen; die Wohnungsnot blieb nichtsdestotrotz ein Dauerzustand, der zu Überbelegungen führte und hygienische Missstände nach sich zog. Umso bedeutsamer wurde alsbald das soziale Grundanliegen der Gartenstadtbewegung, deren Ursprung in England liegt.

Auch in industrialisierten deutschen Großstädten fasste sie Fuß, allen voran Dresden und Nürnberg. Ihre Anhänger verfolgten das Ziel, ein lebenswertes, gesundes Wohnumfeld mit genügend Grünflächen zu schaffen; Arbeiter sollten sich von ihrer oft sehr schweren körperlichen Arbeit im Kreise der Familie erholen können. Auch bürgerlichen Haushalten mit begrenzten finanziellen Mitteln wollte und konnte die Gartenstadtbewegung bedarfsgerechtes Wohnen mit der Möglichkeit zur Selbstversorgung aus dem eigenen Garten bieten.

Neues Städtebau-Konzept

Die Natur in die zunehmend industrialisierte Stadt zurückgebracht zu haben, ist das städtebauliche Verdienst der Gartenstadtbewegung. Schon in den 1920er Jahren hat ihr die integrierte Landschafts- und Bebauungsplanung im In- und Ausland große Aufmerksamkeit beschert und im Nürnberger Stadtteil Gartenstadt den bis heute geltenden Ensembleschutz ermöglicht.

Die fortwährende Bau- und Instandhaltungsleistung der Genossenschaftsmitglieder lässt sich annähernd ermessen, wenn man sich folgende Fakten vor Augen führt: Mitte 2016 zählen 912 Einfamilien-Reihenhäuser zum Bestand der Gartenstadt Nürnberg eG; darunter sind nicht weniger als 890 anerkannte Baudenkmäler, von denen die ersten ab 1911 errichtet wurden. Auch in Wohneinheiten umgerechnet, macht die Bestandsaufnahme Eindruck: Von rund 2.500 Wohnungen, die die Gartenstadt Nürnberg eG verwaltet, befinden sich 1.600 in denkmalgeschützten Immobilien. Die genossenschaftlichen Wohneinheiten sind voll vermietet; die durchschnittliche Bleibedauer der Bewohner beträgt drei bis vier Jahrzehnte.

„Wirkungsvoller sommerlicher Hitzeschutz und gute Schallschutzeigenschaften sind uns sehr wichtig. Auch deshalb haben wir uns für die Hanfdämmung entschieden.“

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