Sanierungskonzepte

„Für jedes Gebäude die beste Lösung finden“

Im dritten und letzten Teil unserer Serie zur Energiewende in der Wohnungswirtschaft dreht sich in erster Linie alles um die Themen Fernwärme und einen Vergleich der Sanierungskonzepte in einem typischen Gebäude des Baubestands.

Ist Fernwärme nicht die bestmögliche Lösung für die Wohnungswirtschaft? Schließlich findet kaum eine Investition in die Heiztechnik statt, die die Liquidität beeinflusst.

Zugegeben: Auf den ersten Blick sieht der Anschluss an ein Fernwärmenetz verlockend aus. Bedeutet er doch, dass keine Investitionen in die Heiztechnik stattfinden müssen und auch die Wartungskosten entfallen. Betrachtet man jedoch die mit einem Anschluss an Fernwärmenetze einhergehenden langfristigen Bindungen, kann die Rechnung auch in den Augen der Mieter rasch anders aussehen. Denn ein Wechsel sowohl des Fernwärmeanbieters als auch der Energiequelle ist in keiner Form möglich – langfristig. Auch die technische Gebäudeausrüstung zur Wärmeversorgung geht in ihrer kompletten Struktur verloren. Eine Eigenversorgung ist dann ebenfalls nicht mehr kurzfristig umsetzbar, sondern mit erheblichem Aufwand verbunden.

Ein weiteres, wichtiges Argument ist die Entwicklung der Kosten in Fernwärmenetzen. Sind die Gebäude einmal an ein Fernwärmenetz angeschlossen, sind durch die Höhe der Nebenkosten in erster Linie die Mieter dem Fernwärmeanbieter mit einer einzigartigen Monopolstellung in jeder Hinsicht ausgeliefert. Wohin das führt, zeigen zahlreiche Beispiele – so aus Freiburg. Hier werden pro kWh Heizwärme 21,1 Cent verlangt. Der aktuelle kWh-Preis für Erdgas liegt derzeit bei rund 5 bis 6 Cent. Welche Außenwirkung das auf potenzielle Mieter hat, ist deutlich.

Das Problem dabei: Wärmenetze und Fernwärme lassen sich generell nicht „über einen Kamm scheren“. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof seine Definition von Fernwärme Ende 2011 recht weit gefasst: „Wird Wärme von einem Dritten nach unternehmenswirtschaftlichen Gesichtspunkten eigenständig produziert und an andere geliefert, so handelt es sich um Fernwärme. Auf die Nähe der Anlage zu den versorgenden Gebäuden oder das Vorhandensein eines größeren Leitungsnetzes kommt es nicht an.“

Betrachtet man dazu parallel, aus welchen Quellen Wärmenetze tatsächlich gespeist werden, lässt sich die Dimension des Wirtschaftszweiges Fernwärme erst richtig einschätzen. Das Spektrum reicht von alten Kohle-Kraftwerken, die Abwärme noch gewinnbringend verkaufen wollen bis hin zu modernen und hoch effizienten Kalt-Nahwärmenetzen auf der Basis erneuerbarer Energieträger. Die tatsächlichen Wärmequellen dabei: Braunkohle, Kohle, Gas, Öl, Biomasse, Müll, Industrie-Abwärme, Geothermie, Solarthermie, Kraft-Wärme-Kopplung und Power to heat.

Weiterhin spielen die Temperaturen im Wärmenetz eine wichtige Rolle. Diese reichen von 180 °C bei Hochdruck-Heißwasser über 160 °C bei Hochdruck-Dampf bis hin zu Kaltwasser mit 15 bis 25 °C. Die Wärmeverluste, und damit die Effizienz sowie Nachhaltigkeit des Wärmenetzes bei diesen sehr unterschiedlichen Temperaturen sind schnell nachvollziehbar. Ebenso einfach fällt die Betrachtung der einzelnen Wärmequellen. Die Wärmeträger unterscheiden sich in ihrer Ökobilanz in puncto Klimaschutz mehr als nur deutlich. So lässt sich der CO2-Ausstoß eines Braunkohle-Kraftwerkes kaum mit Verfahren der Geothermie vergleichen oder gar gleichstellen.

Und Wärmenetze können in der Tat positiv zur Klimawende und dem Umweltschutz beitragen – z. B. in Form von kalten Nahwärmenetzen. Hierbei dient beispielsweise ein Flächenkollektor oder eine Tiefenbohrung als Energiequelle. Über ein Verteilernetz wird dann rund 15 bis 30 °C warmes Wasser an die Verbrauchsorte transportiert und dort dezentral durch Wärmepumpen auf die benötigten Temperaturen für die Heizwärme- und Warmwasserversorgung gebracht. Das Ergebnis: höchste Effizienz und ein Primärenergiefaktor bis hin zu 0,0. Ergänzt durch Photovoltaik und Batteriespeicher ergeben sich Plusenergie-Modellprojekte. Mittlerweile existieren mehr als 200 derartiger Nahwärmenetze in Deutschland. Mit durchschlagendem Erfolg. Zum Nutzen der Anwender und der Umwelt. Die Gemeinde Wüstenrot in Baden-Württemberg sei hier als eines der vielen überzeugenden Beispiele genannt.

„Generell ist es aus unserer Sicht wichtig, dass für jedes Gebäude die beste Lösung gefunden wird. Und das kann auch Fernwärme sein. Dazu gehört für uns aber die realistische Aufklärung zur jeweiligen Technologie und nicht einseitig getriebenes Interesse“, beschreibt Christian Krüger, Leiter Key Account Management Bau- und Wohnungswirtschaft bei Vaillant Deutschland. „Deswegen beleuchten wir Modelle zur Wärmeversorgung von allen Seiten – eben weil wir nicht von einer einzigen Technologie getrieben werden, die wir unbedingt anbieten müssen. Grundsätzlich lässt sich jede Technik schlechtreden – und wenn man nur eine Technologie zur Verfügung hat, ist diese immer die beste Wahl für den Anbieter – aber nicht unbedingt für das jeweilige Objekt. Deswegen empfehlen wir immer, sich an einen Systemanbieter zu wenden, der neutral und sachlich beraten kann.“

Ein typisches Bestandsgebäude aus den 1970er Jahren mit acht Mietwohnungen soll grundlegend saniert werden. Derzeit wird es mit dezentralen Heizwertgeräten mit Wärme versorgt. Welche Optionen bestehen und wie entscheidet die Wohnungswirtschaft derzeit?

·Die am häufigsten gewählte Sanierungsmethode ist derzeit der Ersatz der Heiz- durch dezentrale Brennwertgeräte. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Der Aufwand ist sowohl für die Mieter als auch den Vermieter überschaubar. Die bestehende Infrastruktur kann weitestgehend genutzt werden. Lediglich der Kamin muss durch den Einbau eines kondensattauglichen Abgasweges ertüchtigt werden. Auch in den Wohnungen muss ein Weg für die jeweilige Ableitung des Kondensates geschaffen werden. Am Ende steht ein modernes Heizsystem mit geringstmöglichem Aufwand, das eine fühlbare Reduzierung der Energiekosten bewirken kann. Es kann für jedes benötigte Temperaturniveau genutzt werden und auch die Legionellen-Problematik ist kein Thema.

·Die zweite Option ist derzeit die Zentralisierung der Wärmeversorgung mit einem oder mehreren Gas-Heizgeräten in Kaskade. Das zentrale Heizgerät wird in einem für die Techniker jederzeit zugänglichen Raum aufgestellt. Deswegen sind Terminabsprachen mit den Mietern für Wartungen nicht mehr erforderlich. Wird eine Kaskade verwendet, wird der Mieter selbst den Ausfall eines Heizgerätes nicht mehr spüren, weil das oder die anderen Heizgeräte die Last mit übernehmen können. Die Investition und die Wartungskosten sind beispielsweise bei zwei zentralen Heizgeräten in Kaskadenschaltung zudem deutlich geringer als bei acht dezentralen Anlagen. Nachteil ist, dass ein entsprechender Raum im Gebäude zur Verfügung stehen muss. Auch an die notwendige Verrohrung vom Keller in die Wohnungen muss gedacht werden.

Soll das Gebäude in seiner Effizienz noch weiter aufgewertet werden, ist die Ergänzung der Wärmeerzeugung durch eine Solarthermieanlage gefragt. Nach außen wie nach innen entsteht durch die sichtbar installierten Solarmodule eine positive Wirkung für die Wohnungsgesellschaft.

·Die dritte Möglichkeit ist der Einsatz einer Wärmepumpe plus elektrischen Durchlauferhitzern. Auch aufgrund der aktuellen Diskussion um die Energieeinsparverordnung (EnEV) sind Wärmepumpen im Neubau immer gefragter. Im Baubestand bedeuten sie eine Sanierung, die auch Fassade und Fenster / Türen mit einbeziehen sollte, um eine Vorlauftemperatur zu erreichen, die durch Wärmepumpen wirtschaftlich bereitgestellt werden kann. Dabei werden im Markt Konzepte angeboten, die u.a. die notwendige Verrohrung in die Fassadendämmung integrieren. So werden fertig vorkonfektionierte Dämmplatten eingesetzt und die energetische Sanierung schneller und kostengünstiger umgesetzt. Um gleichzeitig ein hohes Temperaturniveau für Warmwasser effizient zu erzeugen und in puncto Legionellenschutz auf der sicheren Seite zu sein, wird immer öfter auf elektrische Durchlauferhitzer zurückgegriffen. Weil die Wärmepumpe die Durchlauferhitzer mit 35 Grad warmem Wasser versorgt, muss nur eine geringe Nacherwärmung erfolgen.

Die Frage der Energiequelle für die Wärmepumpen wird derzeit intensiv diskutiert. „Zunächst sollte in jedem Fall die Verwendung von Grundwasser und Erdreich als Wärmequelle geprüft werden“, beschreibt Krüger. „Denn hier ist auch im Winter bei hohem Heizwärmebedarf immer ein konstantes Temperaturniveau vorhanden. Es ist nachvollziehbar, dass im Winter, wenn die Luft kälter ist, eine Wärmepumpe mit der Energiequelle Luft intensiver arbeiten muss als eine Erd-Wärmepumpe.“

Eine Bohrung ist dabei nicht unbedingt das Maß der Dinge. Denn mittlerweile werden z.B. auch Körbe angeboten, die versenkt werden können. Neue Flächenkollektoren verbrauchen nicht mehre große Flächen, sondern werden unter-, bzw. übereinander angeordnet. Besonders überzeugend sind die aktuellen Förderbedingungen für Wärmepumpen, die auf das Erdreich oder Grundwasser als Energiequelle setzen. Dennoch hat eine Luft-Wärmepumpe unbestreitbar den Vorteil in puncto einfacher Installation und geringer Investitionskosten auf ihrer Seite. Zudem sind Luft-Wärmpumpen durch neue Technologien in den letzten Jahren in ihrer Effizienz deutlich verbessert worden.

·Die letzte Position verbindet die Wärme- mit der Energieversorgung. Das schafft ein neues Feld in der technischen Gebäudeausrüstung. Mit dem Einsatz eines Blockheiz-Kraftwerkes muss sich der Vermieter gleichzeitig die Frage stellen, ob er Strom seinen Mietern anbieten oder in das Netz einspeisen möchte. Diese Problematik ist in der Fachpresse bereits hinreichend diskutiert worden und bietet zahlreiche Kritikpunkte hinsichtlich des rechtlich einfachen Stromverkaufs an die Mieter.

„Hier besteht ohne Zweifel noch Nachbesserungsbedarf seitens des Gesetzgebers, um den Stromverkauf an die Mieter weiter zu vereinfachen und rechtssicher zu machen“, sagt Krüger. „Wichtig ist in jedem Fall, dass eine Heiztechnologie immer zum Gebäude passen muss. In einem sanierten und gedämmten Gebäude wird deutlich weniger Wärmeenergie auf einem geringen Temperaturniveau benötigt. Das sind keine optimalen Einsatzbedingungen für die Kraft-Wärme-Kopplung, die sich vor allen Dingen durch lange Laufzeit und hohe Stromerzeugung rentiert sowie der erzeugte Strom auch selber genutzt wird.“

·Ein eigenes Thema ist dementsprechend auch der Einsatz von Photovoltaik-Modulen und ggf. von Batteriespeichern in der Wohnungswirtschaft. „Der Energie- und der Strommarkt wachsen zusammen und das wird auch in der Wohnungswirtschaft so passieren. Deswegen ist es um so wichtiger, dass hier die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden“, beschreibt Krüger. „In unseren Gesprächen sehen wir, dass die Wohnungswirtschaft diesen Trend erkannt hat, derzeit aber oft wegen der unsicheren Rechtslage noch zögert, Photovoltaik-Anlagen einzusetzen. Der Durchbruch wird dann kommen, wenn sowohl die Investition als auch der Aufwand so gering sein wird, dass es sich lohnt, den Schritt zu gehen. Das ist z. B. dann der Fall, wenn es Dienstleister geben wird, die einem die Arbeit rund um das Thema Photovoltaik abnehmen.“ Beispiele dafür gibt es bereits in landwirtschaftlichen Betrieben, in denen Dienstleister die Dachflächen anmieten und sie für den Einsatz von Photovoltaik-Anlagen nutzen - dies jedoch noch zu den Rahmenbedingungen hoher Einspeisevergütungen.

Welche Technologie sollte für die Wärmeerzeugung in erster Linie im Neubau eines Mehrfamilienhauses eingesetzt werden?

Zunächst sollte hier die Frage geklärt werden, ob nicht nur die Wärme-, sondern auch die Stromerzeugung eine Rolle spielen soll. Am besten ist es dann, nach dem Ausschlussprinzip vorzugehen. Dabei kommt es sowohl auf die Architektur als auch die Wünsche des Vermieters an. Nach den derzeitigen Trends wird die Entscheidung zwischen einer zentralen Gas-Brennwert-Kaskade und einer Wärmepumpe getroffen werden. Dabei wird gerade im hochwertigen Neubau die Wärmepumpe im Sommer zusammen mit einer Photovoltaik-Anlage zur Kühlung eingesetzt.

Fazit

Die Energiewende in der Wohnungswirtschaft – sie ist schon längst abgeschlossen, im vollen Gang, startet gerade erst, ist nur in den Köpfen präsent. Die Meinungen dazu sind genauso vielfältig, wie die unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedingungen mit denen die Wohnungswirtschaft real umgehen muss. Dabei ist die energetische Sanierung oft ein Muss – um Leerstände zu reduzieren, zu vermeiden oder schlichtweg die Bausubstanz zu erhalten und aufzuwerten.

Die Fragen, was dabei an erster Stelle stehen sollte und wie die Wohnungswirtschaft hier tatsächlich entscheidet, zeigen, dass es weder das EINE Objekt noch die EINE Lösung gibt. Jedes Objekt sucht sich seine Wärme- und Energieversorgung selber aus – genauso wie ggf. sein Dämmkonzept. Deswegen sollte in der Beratung stets auf breit aufgestellte Systemanbieter gesetzt werden, die aus dem breiten Strauß der zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten diejenige auswählen können, die tatsächlich am besten geeignet ist.

Jedes Objekt sucht sich seine Wärme- und Energieversorgung selber aus – genauso wie ggf. sein Dämmkonzept.

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