Energieeffzienter Aufzug spart Strom

In Pforzheim wurde ein Wohnhochhaus aus den 1970er Jahren im bewohnten Zustand generalsaniert und aufgestockt. Entstanden ist ein „Effizienzhaus Plus“, dessen Energiebedarf lediglich 10 % der ursprünglichen Werte beträgt. Auch der Aufzug wurde erneuert und energieeffizient ausgestattet.

Dem Wohnhochhaus an der Pforzheimer Güterstraße, unmittelbar am Hauptbahnhof, sieht man seine Geschichte nicht an: Eine moderne Fassade aus hellen Betonwerksteintafeln und großzügige Loggien auf der Südseite versprechen zeitgemäßen Wohnkomfort. Auf dem Dach dreht sich eine Windkraftturbine. Doch darunter verbirgt sich alte Bausubstanz, die in den Jahren 2014 bis 2015 umfassend saniert wurde. Eigentümer ist das Wohnungsunternehmen Pforzheimer Bau und Grund GmbH.

Bei dem Gebäude handelt es sich um ein 1972 von der Deutschen Bundesbahn errichtetes Wohnhochhaus mit 16 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit im Erdgeschoss. Es befindet sich seit 2009 im Besitz der „Pforzheimer“ und wurde 2010 im Rahmen der lokalen Klimaschutzinitiative „Pforzheim sonnenklar“ für die energetische Sanierung zum Niedrig-energiehaus ausgewählt. „Zunächst hatten wir andere Gebäude im Blick“, berichtet Lothar Hein, technischer Leiter der Pforzheimer Bau und Grund. „Doch das Wohnhochhaus an der Güterstraße eignete sich aufgrund seiner zentralen Lage besser als Leuchtturmprojekt.“

Vor der Sanierung zeigte sich das Gebäude mit einigen Mängeln an Fenstern und Fassade. Hinzu kamen ein nach heutigen Maßstäben unzureichender Energiestandard mit mangelhafter Dämmung und ineffizienten Nachtspeicherheizungen. Auch die kleinen Balkone erwiesen sich als nicht mehr zeitgemäß. Doch handelte es sich um eine solide Grundsubstanz mit gut geschnittenen Wohnungen von rund 90 Quadratmetern. „Damals wie heute ist das Haus zum Großteil noch von den Erstmietern bewohnt. Darauf mussten wir bei der Sanierung besondere Rücksicht nehmen“, ergänzt Lothar Hein.

Die Pforzheimer Bau und Grund beauftragte das Büro Freivogel Architekten aus Ludwigsburg mit der Planung. Das Gesamtkonzept von Lothar Hein sah dabei von Anfang vor, das Erscheinungsbild und die Nutzung regenerativer Energien zu verbinden. Dabei sollten die technischen Komponenten die äußere Gestalt nicht dominieren. Das überzeugte auch die Deutsche Energie-Agentur (dena), die das Konzept aus über 400 Bewerbern für das Förderprogramm „Zukunft Haus“ auswählte. Zusätzliche Unterstützung erfolgte über die KfW mit einer Förderung von 100.000 €/Wohneinheit und entsprechendem Tilgungszuschuss.

Sanierung im bewohnten Zustand

Großen Wert legte die Wohnungsgesellschaft darauf, dass die Mieter in ihren angestammten Wohnungen bleiben können und das soziale Umfeld weitgehend erhalten bleibt. Selbst die Baumaßnahmen wurden im bewohnten Zustand durchgeführt. Lediglich im obersten Geschoss musste eine Bewohnerin aus Sicherheitsgründen umquartiert werden. Darüber hinaus sollten die Eingriffe innerhalb der Wohnungen auf ein Minimum beschränkt bleiben. Besonders der Austausch der Heizung stellte das Planungsteam vor Herausforderungen, wie der technische Leiter berichtet: „Mit einer Deckenheizung konnten wir schließlich eine Lösung finden, bei der Einbaumöbel der Mieter bestehen bleiben konnten.“

Für die Gebäudehülle entwickelten Freivogel Architekten eine Betonwerksteinfassade mit dreifachverglasten Fenstern, die komplett von außen um den Bestand herumgezogen wurde. Große vorgestellte Loggien ersetzen die alten Balkone. Dem Wunsch der Wohnungsgesellschaft nach mehr vermietbarer Fläche kamen die Architekten durch eine Aufstockung nach. Auf diese Weise entstanden zwei neue Dachgeschoss-Wohnungen mit Aussicht über die Stadt und den Schwarzwald. Gleichzeitig verbessert sich die Gebäudeproportion durch das erhöhte Loftgeschoss spürbar.

Tragedienst während Aufzugsmontage

Der rund 40 Jahre alte Aufzug wurde entfernt und nach der Aufstockung durch eine Systemlösung des Herstellers Schindler ersetzt. Lediglich die alten Schachttüren blieben erhalten. Während des Aufzugsaustauschs richtete die Pforzheimer in Zusammenarbeit mit der Arbeiterwohlfahrt einen Tragedienst ein. Der besondere Service ermöglichte mobilitätseingeschränkten Personen auch in den obersten Geschossen den problemlosen Zugang zu ihren Wohnungen und half bei schweren Einkäufen. „Hier kam uns auch zugute, dass Rückbau und Montage der Aufzugsanlage nur knapp sechs Wochen in Anspruch nahmen“, ergänzt Lothar Hein.

Mit dem Schindler 6300 entschied sich die Pforzheimer für ein einbaufertiges Aufzugsmodell, das sich trotz seines hohen Standardisierungsgrades durch eine hohe Anpassungsfähigkeit auszeichnet. So nutzt der neue Aufzug die Platzverhältnisse im Schacht mit einer Kabinengröße von etwa 1,20 m x 2,10 m bestmöglich aus. Auf die ursprünglich vorhandene Trenntüre in der Kabine, die bei älteren Anlagen den Transport einer Krankentrage ermöglicht, ohne dass die Tragkraft des Aufzugs erhöht werden muss, konnte dank moderner Antriebstechnik verzichtet werden. So wurde die Förderkapazität auf 1125 Kilogramm bzw. 15 Personen erhöht. Auch ein separater Maschinenraum ist nicht mehr erforderlich. Der getriebelose Antrieb ist aufgrund seiner geringen Größe direkt im Schacht angeordnet. Die moderne Antriebstechnologie sorgt zudem für ein hohes Maß an Laufruhe, was gerade bei Wohnhäusern ein besonders wichtiges Kriterium ist.

Mit regenerativen Energien zum Nullenergiestandard

Der nahezu klimaneutrale Betrieb des Wohnhochhauses wird durch regenerative Energieträger erreicht. Zur Wärmeerzeugung wurden Solar/Luftabsorber unsichtbar in die Fassade integriert. Ein großer Eisspeicher unter dem Parkplatz speichert die gewonnene Energie. Den Strombedarf decken Photovoltaikmodule und eine Kleinwindkraftanlage mit 5 KW Leistung auf dem Dach. In der Summe bringen die Maßnahmen das Gebäude auf den Standard eines Nullenergiehauses mit einem Jahresheizwärmebedarf von nur 12 KWh/m2a bei einem Primärenergiebedarf von nur 30 KWh/m2a.

Energieeffizienter Aufzug

Entsprechend den Anforderungen wurde auch der Aufzug möglichst energiesparend konstruiert. So sorgen neuartige Tragmittel anstelle herkömmlicher Stahlseile für eine direkte Kraftübertragung ohne Energieverluste und höheren Fahrkomfort. Ein Standby-Modus schaltet die LED-Beleuchtung sowie Ventilator und Türantrieb bei Nichtbenutzung automatisch ab. Hinzu kommt eine kontrollierte Schachtentlüftung, die unnötige Wärmeverluste über die Gebäudehülle vermeidet. Auch optisch harmoniert der neue Aufzug mit dem Gebäudekonzept. Die Kabinenwände sind in einem zurückhaltenden Blauton gehalten. Ein Spiegel an der Seitenwand sowie Tableaus aus weiß hinterlegtem Glas runden das Erscheinungsbild ab.

Das gelungene Gesamtkonzept des Projektes überzeugte bereits zahlreiche Jurys. Neben dem Deutschen Architekturpreis, und dem Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg wurde das Pforzheimer Niedrigenergiehochhaus kürzlich mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet und wird so seinem Anspruch als Leuchtturmprojekt mehr als gerecht.

Der Aufzug wurde energiesparend konstruiert: Neuartige Tragmittel anstelle herkömmlicher Stahlseile sorgen für eine direkte Kraftübertragung ohne Energieverluste und höheren Fahrkomfort.

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