Caparol Werkstofftag 2014: Wenn nicht außen, dann von innen

Eigentlich müsste die energetische Ertüchtigung der Gebäudehülle für jeden Haus- und Wohnungseigentümer eine Selbstverständlichkeit sein. Schließlich stammen rund zwei Drittel der klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen aus beheizten Wohngebäuden. Doch in Deutschland kommt bei jedem achten Haus eine Fassadendämmung nicht in Betracht – weil das betreffende Objekt unter Denkmalschutz steht, die Abstandsflächen zur Straße nach Applikation eines WDVS zu gering wären oder bei der Überbauung der Grundstücksgrenze Ungemach mit Nachbarn droht. In solchen Fällen bietet sich das raumseitige Dämmen der Gebäudeumfassungswände als Alternative an. Um das facettenreiche Wesen der Innendämmung ging es denn auch beim Caparol-Werkstofftag am 6. November, zu dessen Auftakt Caparol-Firmenchef Dr. Ralf Murjahn rund 120 Teilnehmer in Ober-Ramstadt willkommen hieß.

In seiner Ansprache ging Dr. Murjahn auf die Negativberichterstattung in Sachen WDVS ein, der Unternehmen der Branche mit Ulrich Wickert als Gesicht und Stimme der aktuell größten Kampagne für Wärmedämmung Fakten entgegensetzen, um die Debatte zu versachlichen. Generell lassen sich auch durch das Dämmen der Kellerdecke, der obersten Geschossdecke oder der Umfassungswände eines Gebäudes von der Raumseite her erfreuliche Energiesparresultate erzielen – vor allem im Winter.

Das sah auch Stefan Ehle so. Der Vorsitzende des Ausschusses Technik, Werkstoff und Umwelt (TWU) im Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz betonte, dass eine Innendämmung bei fachgerechter Ausführung keine risikobehaftete Angelegenheit ist. „Wer die Bauphysik beherrscht und beim Einbau beherzigt, kann durch das Angebot von Innendämmsystemen neue Kunden hinzugewinnen“, lautete sein Credo.

In medias res ging sogleich Franz Xaver Neuer, der auch bei diesem Werkstofftag die Moderatorenrolle innehatte und souverän von einem zum anderen Fachvortrag überleitete. Vor allem drei Vorzüge von Innendämmsystemen sind für den Leiter Technik bei Caparol an Innendämmungen besonders interessant: die schnelle Raumaufheizung, die höhere Oberflächentemperatur auf gedämmten Innenwänden sowie die Möglichkeit, die gestaltete Fassade zu belassen, wie sie ist. Allerdings gilt es für Praktiker auch ins Kalkül zu ziehen, dass bei vorhandener Innendämmung die Oberfläche der Außenwand kälter wird. Die Folge ist, dass sich darauf leichter Feuchtigkeit niederschlägt. „Der Putz und der Anstrich sollten daher unbedingt intakt sein, nachgebessert oder nötigenfalls erneuert werden, damit es über die Außenhülle nicht zu einem ungewollten Feuchteeintrag in den Wandbildner kommt“, empfahl Neuer.

Innendämmung – der Markt in Zahlen

Wie groß das Marktvolumen für Dämmsysteme ist, erläuterte Oliver Berg. Der Leiter Fassaden- und Dämmtechnik bei Caparol führte aus, dass es in Deutschland rund 18 Mio.  Wohngebäude gibt. „Gehen wir davon aus, dass jedes Haus im Durchschnitt eine Fassadenfläche von 150 m² hat, kommen wir auf eine Gesamtfassadenfläche von 2,7 Mrd. m². Davon sind 900 Mio. m² bereits gedämmt, 1,8 Mrd. aber noch nicht.“ Laut Oliver Berg können rund 12,5 % der noch ungedämmten Gebäude fassadenseitig nicht mit einem WDVS gedämmt werden. Die betreffenden Häuser verfügen hingegen über eine dämmbare Innenwandfläche von insgesamt 35 Mio. m².

Berücksichtigt man die Marktanteile verschiedener Dämmvarianten (Kerndämmung vs. Außen- vs. Innendämmung), bleibt für das Maler- und Stuckateur-Handwerk ein realistischer Bedarf an Innendämmung von 4,325 Mio. m² pro Jahr. In diesem Zusammenhang wies Berg darauf hin, dass jedes Objekt vor Beginn der Dämmmaßnahme spezifisch untersucht werden muss. Er empfahl, einen Wärmebrücken- und Feuchtenachweis für die angebrachte Innendämmung objektspezifisch rechnen zu lassen, um dem Auftraggeber das gute Gefühl zu geben, dass mit „seiner“ Innendämmung alles in Ordnung ist. „Das ist ein Dienst am Kunden und ein zusätzliches Stück Sicherheit für das ausführende Handwerk“, sagte Berg.

Bauphysikalische Besonderheiten

Dass die Innendämmung bauphysikalisch „händelbar“ ist, davon ging auch Dr.-Ing. Gregor A. Scheffler aus. Dr. Scheffler vom Ingenieurbüro Scheffler & Partner aus Dresden richtete sein Augenmerk auf Wärmebrücken, Feuchtesensitivität und das Brandverhalten von Innendämmstoffen. Zur Vermeidung von Auffeuchtung und Schimmelbildung an Bauteilübergängen wie Decken-Wandanschlüssen stellte er neben den bekannten Lösungen der optisch auffälligen Flankendämmung den innovativen IDS Thermowinkel von Caparol vor. Sein Ingenieurbüro hat verschiedenste Einbausituationen des Thermowinkels rechnerisch überprüft. So konnte Dr. Scheffler die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen aufzeigen. Dieser Funktionalitätsnachweis ist in Form eines umfangreichen Wärmebrückenkataloges verfügbar. Grundsätzlich teilte der Experte die Auffassung, dass eine diffusionsoffene Ausbildung von Oberflächenbeschichtungen bei feuchtigkeitstolerierenden ID-Systemen richtig ist. „Dampfdiffusion innen ist beherrschbar“, machte Dr. Scheffler den Bauhandwerkern Mut, sich Innendämmungen nicht komplizierter vorzustellen, als sie sind. Bei Fragen zur bauphysikalisch korrekten Ausführung empfahl er, die einschlägigen WTA-Merkblätter gründlich zu studieren; der Aufwand sei gering, der Nutzen umso größer.

Eingebundene Holzbalkenköpfe

In diese Richtung zielten auch die Ratschläge von Uli Ruisinger, der sich am Institut für Bauklimatik der TU Dresden seit drei Jahren mit dem Zustand von Holzbalkenköpfen befasst, die in Außenwände eingebunden sind. Sein Vortrag thematisierte denn auch den Schutz des in den Wandbildner einbindenden Bauteils bei vorhandener Innendämmung. Verhindert werden müsse die Hinterströmung des Balkenkopfes. Ansonsten drohen Auffeuchtung und Schimmelbildung. „Für einen konvektionsgehemmten Anschluss sind die Ausführungsempfehlungen des WTA-Merkblattes ‚Balkenköpfe in Außenwänden‘ zu beachten, wozu auch das bei Caparol gebräuchliche Ausstopfen mit Hanffasern zählt“, lautete das Fazit seiner praktischen Untersuchungen an mehreren Testgebäuden.

Diffusionsoffene Dämmstoffe

Mit „alternativen“ Werkstoffen und ihren Einsatzmöglichkeiten zur Innendämmung befasste sich äußerst hörenswert Dr. Christian Brandes. Der Produktmanager Histolith Baudenkmalpflege grenzte zunächst diffusionsoffene natürliche Dämmstoffe wie Schilf, Lehm, Hanf und Holzfaser vom industriell hergestellten EPS ab, das als Leichtzuschlag auch in Wärmedämmputzen Verwendung findet. Vor dem Hintergrund langjähriger Erfahrungen in der Baudenkmalpflege stellte Dr. Brandes fest, dass sich Wärmedämmputze sehr gut für unebenes Mauerwerk in Altbauten und für Fachwerkwände eignen. Sehr ökologisch lasse sich die Innendämmung mit dem Innendämmsystem der DAW-Vertriebsgesellschaft Inthermo gestalten, das auf Holzfaserdämmplatten beruht.

Kapillaraktivität unter der Lupe

Wie der Feuchtetransport in einer kapillaraktiven Innendämmplatte funktioniert, erklärte Dr. Thomas Lohmann. Der Leiter des Entwicklungszentrums WDVS/Trockenmörtel machte deutlich, dass Kapillaraktivität bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgt. Dazu gehört zum Beispiel der Kapillardruckunterschied innerhalb eines Materials. „Das ist die treibende Kraft für den Flüssigwassertransport“, erklärte Dr. Lohmann. Der Experte stellte das „Kanalisations- bzw. Entwässerungssystem“ von Dämmplatten als mannigfaltiges Labyrinth vor, das aus einem Geflecht von Röhren und Kammern mit unterschiedlichem Durchmesser und Fassungsvermögen besteht. Entscheidende Kenngröße für die Kapillaraktivität eines Materials ist die Trocknungsgeschwindigkeit: Wieviel Wasser pro Volumen von einem Dämmstoff aufgenommen, verteilt und in welcher Zeitspanne unter welchen Umgebungsbedingungen wieder abgegeben wird, ist eine spannende Frage, die auf die Beurteilung der Qualität von Dämmstoffen großen Einfluss nimmt.

Zwei Systeme – ein Produktprogramm

Die sprichwörtliche Katze aus dem Sack ließ Heiko Riggert, Produktmanager Innendämmsysteme bei Caparol. Er stellte die beiden kapillaraktiven Innendämmsysteme IDS Aktiv und IDS Mineral vor: Beim System IDS Aktiv handelt es sich um eine echte Innovation dessen EPS-basierte Dämmplatten mit speziellen Funktionsschichten den Feuchtetransport weg von der rückseitigen Kondensatebene übernehmen und so die Feuchte in Richtung Innenoberfläche befördern, wo sie verdunstet. Eine ökologische und nicht brennbare Alternative bietet das System IDS Mineral mit einer Mineralschaumplatte als Kernstück für den feuchtigkeitsregulierenden Systemaufbau. Praxisorientierte Systemergänzungen wie vorgedämmte Steckdosenmodule oder der prämierte Capatect IDS Thermowinkel runden die anwendungssicheren Caparol Innendämmsysteme ab.

Heiko Riggert empfahl den verarbeitenden Handwerkern, sich an die Ausführungsempfehlungen des Herstellers zu halten: „Wie bei Fassadendämmsystemen sind auch bei Innendämmsystemen alle Komponenten präzise aufeinander abgestimmt, damit sie in der Praxis wie erwartet funktionieren. Ihr Kunde hat ein Anrecht auf ein funktionales Gewerk Innendämmung. Dies erzielen sie am sichersten durch eine fachgerechte Verarbeitung der Komponenten eines Herstellers ihres Vertrauens, der dann auch die Gewährleistung für das Zusammenwirken der Komponenten im Systemaufbau übernimmt.“

Justitia urteilt ungedämmt

Zum Abschluss dieses facettenreichen Caparol-Werkstofftags machte der Berliner Rechtsanwalt Torsten Meiser deutlich, dass das Verursacherprinzip auch für Wohnungseigentümer gilt, die ihre vier Wände von innen dämmen lassen. Kommt es in Folge der Baumaßnahme zu Schäden in Nachbarwohnungen, haftet nach geltender Rechtsprechung der Auftraggeber. Dies natürlich nur, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen Baumaßnahme und Schadenseintritt nachweisbar ist. Damit am Ende einer erfolgreichen Innendämmmaßnahme kein Ungemach mit dem Auftraggeber droht, sollten Handwerker vor Beginn der Arbeiten das Wohnumfeld sondieren und den Auftraggeber über mögliche Auswirkungen auf ungedämmte Nachbarwohnungen informieren.

Fazit

Fachhandwerker können das: Dämmen im Zeitalter der Energiewende ist keine einfache Angelegenheit, aber eine lösbare Aufgabe. Sie gehört nach den Worten von Manfred Haisch, stv. Vorsitzender des Bundesverbandes Ausbau und Fassade, in die Hände professioneller Bauhandwerker, die gut geschult sind und etwas von Bauphysik verstehen. Denn die fachgerechte Applikation von Dämmsystemen – ob außen oder innen – ist nach Überzeugung von Karl-August Siepelmeyer, Präsident des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, als Aufforderung an die Maler- und Stuckateurbranche zu begreifen, einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung des Behaglichkeitsgefühls und der Wohngesundheit, zum Schutz und Erhalt wertvoller Bausubstanz sowie zur Verbesserung des Globalklimas zu leisten. Die Gebäudedämmung liegt insofern sowohl im privaten als auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse.

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