Energetische Sanierungen und Mietrecht

Das geltende Mietrecht schenkt aus Sicht der Wohnunsgwirtschaft den Belangen des Umweltschutzes bislang wenig Berücksichtigung. Um energetische Modernisierungen zu ermöglichen, fordert die Wohnungswirtschaft Anreize für Investitionen. Ein Bericht zum Status quo.

Der Minderungsanspruch nach § 536 BGB
Ein mietrechtliches Investitionshemmnis beim Klimaschutz ist der einst zum Schutz des Mieters gedachte § 536 BGB. Der mietrechtliche Mangelbegriff, der nicht nur wie im Kauf- und Werkrecht auf die Beschaffenheit der Wohnung selbst abstellt, sondern auch Umstände, Einwirkungen oder menschliches Verhalten, die in keinerlei Verbindung zur Mietsache selbst stehen, als Mangel einstuft, verhindert energetische Sanierungen. Energiesparende Maßnahmen an Ge­­bäu­­den dürfen mietrechtlich keinen Mangel darstellen, um zu verhindern, dass der Vermieter während der Bauphase Mietausfälle hinnehmen muss. Damit würden zugleich die Gerichte entlastet, die sich in der Vergangenheit vielfach mit der Frage der Höhe der Mietminderung bei den typischen Sanierungsbauarbeiten wie Erneuerung der Heizungsanlage, Isolierung von Außenfassade und Dachstuhl sowie Einbau neuer Fenster beschäftigen mussten. Ein erhebliches Streitpotenzial birgt die Tatsache, dass die Mietminderung im Unterschied zum Kauf- und Werkvertragsrecht, wo eine Minderung geltend gemacht werden muss, kraft Gesetzes sofort eintritt. Dies geht sogar so weit, dass der Mieter sein Recht auf Mietminderung nicht verliert, wenn er den Mangel der Mietsache sechs Monate lang nicht beanstandet hat (BGH-Urteil vom 16. Juli 2003, Az. VIII ZR 274/02).
Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen
Nach § 554 BGB kann der Vermieter nur solche Maßnahmen zum Zweck der energetischen Modernisierung durchführen, die vom Mieter zu dulden sind. Auch wenn der Bundesgerichtshof die Duldungspflicht des Mieters beim Anschluss einer Wohnung an das aus Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung gespeiste Fernwärmenetz aufgrund der Einsparung von Primärenergie als Modernisierungsmaßnahme gewertet hat (BGH, Urteil vom 24. September 2008, Az. VIII ZR 275/07), ist die Verringerung des Energieverbrauchs mit in § 554 BGB aufzunehmen. Grundsätzlich sind sämtliche Maßnahmen, bei denen Primärenergie durch erneuerbare Energie ersetzt wird, als Moderni­sie­rung einzustufen. Hier­unter fällt auch die Installation einer Sol­aranlage. Auch wenn veraltete oder mit Schad­stoffen versetzte Baustoffe oder Bauteile durch moderne oder schonende ersetzt werden, sind diese Maßnahmen zu dulden. Letztlich muss es dem Vermieter möglich sein, die Reduzierung des CO2-Ausstoßes durch Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, die der Mieter zu dulden hat. Die vom Vermieter nach § 554 Abs. 2 Satz 2 BGB vorzunehmende Interessenabwägung stellt bisher darauf ab, dass eine Härte für den Mieter oder seine Angehörigen dem berechtigten Interesse des Vermieters entgegenstehen kann. Zu den beachtenswerten Mieterinteressen gehören der Gesundheitszustand des Mieters, sein Alter, die Dauer des laufenden Mietvertrages, bevorstehende Abschlussprüfungen, die Art der vorzunehmenden Sanierungsarbeiten sowie die baulichen Folgen. Auch hier haben sich Gerichte damit befassen müssen, ob die Verringerung der Belichtung der Wohnung zu dulden ist, wenn diese durch die Isolierung der Außenfassade oder durch den nachträglichen An­­bau von Balkonen zu erwarten ist, weshalb nur unzumutbare Härtegründe den berechtigten In­­teressen des Vermieters entgegenstehen dürfen.
Instandhaltung oder Modernisierung
Der Gesetzgeber hat mit verschärften Anforderungen aus den Energieeinsparverordnungen an die Modernisierungsstandards dafür gesorgt, dass infrage steht, ob die Erfüllung der Nachrüstungsgebote eine die Mieterhöhung rechtfertigende Modernisierungsmaßnahme darstellt. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Verkehrsanschauung dessen, was an Mindeststandard von einer Wohnung zu erwarten ist, sich im Laufe der Zeit ändert und auch auf Bestandsmietverhältnisse auswirkt. Nicht zuletzt hat der BGH eingeräumt, dass die Altbauwohnung bei einer Neuvermietung einen dem allgemeinen Lebensstandard entsprechenden Mindeststandard aufweisen müsse. Hierzu zähle der Betrieb gewöhnlicher Haushaltsgeräte (mindestens ein größeres Gerät und ein weiteres Elektrogerät) sowie in dem konkreten Fall eine Steckdose im Badezimmer (BGH, Urteil vom 26. Juli 2004, Az. VIII ZR 355/03). Orientiert sich also der gebotene Mindeststandard einer Wohnung an der jeweils geltenden Verkehrsauffassung, ist naheliegend, dass über die Frage des Verhältnisses Instandhaltung/Modernisierung heftig gestritten werden kann. Nicht einleuchtend ist, weshalb Mietverträge, in denen eine Staffelmietvereinbarung oder eine Indexmiete vereinbart ist, von Modernisierungserhöhungen ausgeschlossen sind. Die Mieterhöhungstatbestände sind um die Nutzung von alternativen Energiequellen wie beispielsweise Sonnenkollektoren, Photovoltaikanlagen, Wärmetauscher, Windkraftwerke oder Anlagen der Wärme-Kraft-Kopplung zu ergänzen, da die herrschende Meinung davon ausgeht, dass derartige Dinge nicht Gegenstand einer Mieterhöhung nach § 559 BGB sein können (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Auflage, 2007, § 559 Rnr. 77). Jede Maßnahme, die ökologisch sinnvoll ist, muss als energiesparende Maßnahme betrachtet werden können. Was die Erläuterung der Berechnung anbelangt, sind hier deren Anforderungen zu minimieren. Einerseits ist das Urteil des BGH erfreulich, in dem dieser festgestellt hat, dass der Vermieter auch bei den Austausch isolierverglaster Fenster den Mieter an den aufgewendeten Kosten beteiligen kann, wenn dadurch der Wärmedurchgangskoeffizient verringert wurde (Urteil vom 25. Januar 2006, Az. VIII ZR 47/05). Hierzu muss angemerkt werden, dass der Wärmedurchgangskoeffizient keine Größe ist, die bereits seit Jahrzehnten standardmäßig angegeben wird. Der Vermieter ist nach dieser Rechtsprechung dann gehalten, die alten Fenster, die im An­­schluss an den Austausch auf dem Müll entsorgt werden, von einem Sachverständigen untersuchen zu lassen, damit der den Wärmedurchgangskoeffizienten berechnet, um auf diese Wei­se die Differenz zu erhalten. Dies Beispiel zeigt, wie überzogen im Einzelfall die Anforderungen sind. Zu beobachten ist, dass die Anforderungen an den Umfang der Erläuterung steigen, je umfangreicher die baulichen Maßnahmen sind. Deshalb muss es als ausreichend angesehen werden, wenn der die Maßnahme begleitende Architekt/Ingenieur die Korrektheit der Modernisierungsmieterhöhung be­­scheinigt.
Öffnung für neu entstehende
Betriebskostenarten
Eine mietrechtliche Hürde für energetische Sanierungsmaßnahmen stellt § 556 BGB dar. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter nur solche Betriebskosten auf den Mieter umlegen, deren Umlage er im Mietvertrag vereinbart hat. Entstehen durch energetische Modernisierungen neue Betriebskostenarten, muss es möglich sein, diese durch einseitige Erklärung des Vermieters auf den Mieter umzulegen, zumal sich i.d.R. andere Betriebskosten durch die Maßnahme reduzieren. Hierzu bedarf es der Ergänzung der Betriebskostenverordnung, um diese Betriebskosten um­­legen zu können.
Wärmecontracting
Mit Urteil vom 27. Juni 2007 (Az. VIII ZR 202/06) hat der BGH entschieden, dass die Umstellung von Zentralheizung auf Wärmelieferung dann keine unzulässige einseitige Änderung des Mietvertrages darstellt, wenn der Mietvertrag auch die Beheizung mittels Fernwärme gestattet. Es ist ausreichend, wenn auf die Anlage 3 zu § 27 II. Berechnungsverordnung (BV) bzw. § 2 der Betriebskostenverordnung (BetrKVO) verwiesen wird und dort zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses die fragliche Betriebskostenart als umlegbar geregelt ist. Wesentlich an dieser Entscheidung ist, dass der BGH bei einer Vereinbarung einer alternativen Beheizung - Zentral- oder Fernwärmebeheizung – und einer alternativen Umlagefähigkeit beider Kostenarten feststellt, dass ein Wechsel der Wärmeerzeugung und der Wärmekosten nicht zu einer Vertragsänderung führt. Zum Umfang der umlegbaren Kosten hat er ausgeführt, dass die gesamten Kosten umgelegt werden können, die der Wärmelieferant seinerseits dem Vermieter in Rechnung stellt; das schließt Investitions- und Verwaltungskosten sowie den Unternehmergewinn des Wärmelieferanten ein. Dies hat der BGH mit Urteil vom 16. April 2008 (Az. VIII ZR 75/07) nochmals bestätigt.
Problematisch bleibt somit die Umstellung auf Wärmecontracting in Wohnungsbeständen, in denen auch Mieter mit Verträgen wohnen, die vor dem 1. März 1989 abgeschlossen wurden, weil bei diesen aufgrund der zuvor geltenden II. BV die alternative Beheizung mittels Nahwärme nicht angeführt ist. Hier ist der Gesetzgeber gehalten, die Umstellung auf Wärmecontracting auch in Altverträgen zu ermöglichen. Eine „Wachstumsbeschleunigung“ in der Wohnungswirtschaft wird in nächster Zeit nur stattfinden, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen. Das geltende Recht muss vermieterfreundlicher ausgestaltet werden und Investitionen zugunsten der Mieter, des Klimas und der Umwelt fördern.

Buchtipp: Contracting im Wohnungsbau

Die Entwicklung von Contracting im Mietwohnungsbau kommt nur langsam voran. Wesentliche Hemmnisse sind die Fragen der Zustimmungspflicht der Mieter oder der Umlagefähigkeit von Kosten. Innerhalb des Forschungsvorhabens sollten die Optionen und Potenziale von Contracting im Mietwohnungsbau differenziert aufbereitet werden.
Projektlaufzeit: Dezember 2007 – April 2009

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