Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“: Parteiprogramme machen Bogen um Mangel

Vier Wochen vor der Bundestagswahl – ernüchternder Blick in die Wahlprogramme der Parteien in Sachen Wohnungsbau: Keine Partei würde die Probleme des bestehenden Wohnungsmangels und explodierender Mieten in den Griff bekommen. Vorausgesetzt, die Parteien würden sich bei ihrer Regierungsarbeit tatsächlich eins zu eins an die Wahlprogramme halten, die sie zur Bundestagswahl vorgelegt haben. Das ist das Ergebnis eines „Wahlprogramm-Checks zum Wohnungsbau“. Vorgelegt hat ihn die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“.

Das Branchen-Bündnis, in dem sich 30 Organisationen und Verbände der Architekten und Planer sowie der Bau- und Immobilienwirtschaft zusammengeschlossen haben, hat dabei die Wahlprogramme aller im Bundestag vertretenen Parteien und zusätzlich die von FDP und AfD analysiert. Untersucht wurden von Branchen-Experten – u.a. auch vom Mieterbund und der IG BAU – festgelegte Kriterien. Dazu gehören u.a. mehr sozialer Wohnungsbau (80.000 Sozialwohnungen zusätzlich pro Jahr), steuerliche Vorteile für den Neubau bezahlbarer Wohnungen, ein einheitliches und schlankeres Baurecht, weniger Auflagen und damit weniger Kostentreiber beim Wohnungsbau, günstigeres Bauland sowie eine bessere Förderung für das altersgerechte und energetische Sanieren.

Bei der Wahlprogramm-Untersuchung wurde per „Wohnungsbau-Ampel“ geurteilt: Rot bedeutet, die Partei erfüllt die Kriterien nicht, packt den Punkt im Wahlprogramm nicht einmal an. Bei Gelb hat die Partei das Thema zwar auf dem Schirm, bietet aber keine umfassende Lösung an. Und das „Ampel-Haus“ in Grün steht für das politisch richtige Ziel.

Die geringsten Übereinstimmungen zwischen den Wahlprogrammen und den Verbändeforderungen waren dabei bei FDP und AfD zu verzeichnen. Ernüchternd ist, so der Koordinator der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“, Ronald Rast, dass beim Abgleich von Schnittmengen keine Partei im Wahlprogramm die dringend notwendigen Änderungen in der Wohnungsbaupolitik umfassend angehen will. „Das wiederum nimmt viel Illusion, wenn man bedenkt, dass Deutschland dringend einen radikalen Kurswechsel bei der Wohnungsbaupolitik braucht“, so Rast.

Denn in den vergangenen vier GroKo-Jahren habe es eine deutliche Zunahme des Wohnungsmangels gegeben. Ebenso steigende Mieten. Auch die im vergangenen Jahr gestiegene Zahl an neu gebauten Wohnungen dürfe nicht über die „insgesamt unbefriedigende Wohnungsbau-Bilanz der Koalition von CDU/CSU und SPD“ hinwegtäuschen. „Fakt ist: 400.000 neue Wohnungen braucht Deutschland pro Jahr. Das bedeutet: Selbst 2016 sind 120.000 zu wenig gebaut worden“, rechnet Rast vor. Ein „Weiter so“ könne und dürfe es hier nicht geben.

Immerhin sprechen sich, so der Koordinator der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“, Union und Sozialdemokraten in ihren Wahlprogrammen klar für eine Vereinfachung des Baurechts aus. „Es drängt sich allerdings die Frage auf, warum sie das in den letzten vier Jahren nicht längst angepackt haben?“, so Rast. Bei der FDP stehe die Bewertung der Wohnungsbaupolitik nur ein einziges Mal auf Grün: bei der Erhöhung der steuerlichen Abschreibung von derzeit 2 auf künftig 3 Prozent. „Immerhin ein wichtiger Punkt, den beispielsweise SPD und Linke so nicht fordern. Und das, obwohl die deutlich abnehmende technische Nutzungsdauer der modernen Wohngebäude die AfA-Erhöhung dringend erforderlich macht“, sagt Rast.

Zudem gibt es, so die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“, Aspekte, die „die meisten Parteien erst gar nicht auf der Agenda haben.“ Dazu gehöre die Förderung vom Ersatzneubau – also der Abriss und der anschließende Neubau von leer stehenden und nicht denkmalgeschützten Wohnhäusern, bei denen das Sanieren wirtschaftlich keinen Sinn mehr macht. „Dabei steckt gerade hier ein enormes Potenzial für neuen, energieeffizienten und altersgerechten Wohnraum – insbesondere auch in den Innenstädten“, so Rast.

Bei einem Kriterium erhalten alle betrachteten Parteien die „rote Wohnungsbau-Karte“: „Erschreckend ist, dass keine der untersuchten Parteien sich in der nächsten Legislaturperiode für ein eigenständiges Bauministerium ausspricht. Der Wohnungsbau soll damit weiterhin ‚politisches Anhängsel‘ bleiben und trotz der aktuellen Probleme nicht in einem umsetzungsstarken Ressort gebündelt werden“, sagt Dr. Ronald Rast.

Der Koordinator der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ kommt zu dem Schluss, dass „alle Parteien die Brisanz, die im Wohnungsbau steckt, offensichtlich noch nicht erkannt haben“. Es sei ein Fehler, das bezahlbare Wohnen, das den Menschen als drängendes Problem auf den Nägeln brenne, im Wahlkampf „auf die Kriechspur zu schieben“. Rast: „Wenn die neue Bundesregierung nicht wirklich entschlossen und effektiv etwas tut, dann hat der Wohnungsmangel in Deutschland das Potenzial, zu sozialem Sprengstoff zu werden. Wenn die Parteien hier einen Bogen um das Thema machen, dann müssen eben die Menschen den Bundestagskandidaten in den verbleibenden vier Wochen bis zur Wahl klarmachen, dass sie mehr erwarten – nämlich politische Lösungen, die ihnen genug Wohnungen garantieren – und zwar gute und bezahlbare.“

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