Bis 2018 will die Telekommunikationsbranche alle Anschlüsse auf digitale Übertragung (IP) umstellen

Was beschert uns das Aus von ISDN?

Die Telekommunikationsbranche in Deutschland hat angekündigt, alle leitungsvermittelnden Diens-te nur noch bis 2018 anzubieten. Dies betrifft nicht nur die Deutsche Telekom AG, sondern die gesamte Branche.

Als Ersatz sollen neue IP-basierende Netze als reine Paketübertragungsnetze, auf teilweise vorhandenen Leitungswegen unter der Bezeichnung Next-Generation-Network (NGN) aufgebaut werden. Die Netzbetreiber können dadurch in einem gewissen Umfang die Übertragungsqualität und Verfügbarkeit beeinflussen. Die übrigen leitungsvermittelnden Dienste werden schrittweise abgebaut.

Die öffentlichen Sprachdienste basierten bisher auf leitungsvermittelnden Technologien. Zunächst wurden analoge Anschlüsse (a/b, POT) eingesetzt, die später zu einem großen Teil durch digitale Anschlüsse (ISDN) ersetzt wurden. Charakteristisches Merkmal blieb die leitungsvermittelnde Technologie, bei der während der gesamten Verbindung eine definierte Bandbreite von analog 3,1 kHz und digital 64 kBit/s in Echtzeit transparent zur Verfügung steht.

Die Garantie einer definierten Bandbreite führte dazu, dass neben dem eigentlichen Sprachdienst die Verbindungen, insbesondere ISDN, für zahlreiche weitere Anwendungen von Aufzugsnotrufanlagen bis Messdatenübertragung genutzt wurden. Neben den leitungsvermittelnden Verbindungen wurden häufig auch Festverbindungen mit der gleichen Übertragungstechnologie etwa für Gefahrenmeldungen eingesetzt.

Des Weiteren sind Spezialdienste wie X.25 im Einsatz, bei denen zwar Datenpakete übertragen werden, aber als Grundlage eine leitungsvermittelnde Technologie fungiert.

Durch die zunehmende Verbreitung des Internet-Protokolls (IP) und den dadurch zunehmenden Einsatz von paketvermittelnden Technologien ist die Garantie einer transparenten Übertragung in Echtzeit und damit eine quasi unterbrechungsfreie Übertragung mit einer definierten Bandbereite nicht mehr möglich. Durch verschiedene Maßnahmen, wie zum Beispiel dem Einsatz von Quality of Service (QoS), wird versucht, möglichst ständig eine ausreichende Bandbreite sicherzustellen.

Für den Bereich der öffentlichen Sprachdienste kann davon ausgegangen werden, dass dadurch eine ausreichende Sprachqualität erreicht werden kann. Für verschiedene andere Anwendungen wie die Übertragung von Gefahrenmeldungen oder bei Anschlüssen für Fernbetreuung muss damit gerechnet werden, dass der störungsfreie Weiterbetrieb mit den bisher eingesetzten TK-Geräten nicht möglich sein wird und daher alternative Verfahren eingesetzt werden müssen.

Zu beachten ist, dass auch die gesamte Übertragungstechnik der Mobilfunkdienste nach und nach in das NGN integriert werden soll. Damit ist die Verfügbarkeit der Mobilfunkdienste von derjenigen des NGN abhängig und nur noch so hoch wie das NGN. Dies bedeutet, dass eine lokale Störung im NGN zum gleichzeitigen Ausfall der Festnetz- und Mobilfunkdienste führen kann.

Durch den Wechsel von einer leitungsvermittelnden auf eine paketvermittelnde Übertragungstechnologie kann es zu Auswirkungen bei den Anwendungen kommen, die dort bisher betrieben wurden. Das liegt daran, dass die von den klassischen TK-Anwendungen und TK-Geräten verwendeten Protokolle nicht für den Einsatz im NGN ausgelegt sind.

Mögliche Probleme bei der Übertragung im NGN können beispielsweise sein:

• Längere Signallaufzeiten (Verzögerung)

• Schwankungen bei den Signallaufzeiten (Jitter)

• Verlorene Datenpakete (Verlust)

Die von den klassischen TK-Anwendungen und TK-Geräten verwendeten Proto-kolle sind meist nicht für den Einsatz im NGN ausgelegt. Modemtöne sind für die IP-Codecs eher wegzufilternde Störgeräusche, denn sinnvolle Daten. Aus IP-Sicht macht es keinen Sinn mehr, Daten in Audiosignale zu verwandeln, um diese dann als Sprachpaket verpackt über ein Datennetz zu versenden. Daher sind verschiedene Probleme absehbar:

• Die bisherige Verfügbarkeit wird nach dem jetzigen Erkenntnisstand nicht mehr gewährleistet werden können.

• Die zeitliche Synchronität zwischen verteilten Anwendungen kann ohne weitere Maßnahmen nicht gewährleistet werden.

• Die bisherige Energieversorgung von Geräten über die Anschlussleitung (z. B. Endgeräte an anlogen oder ISDN-Anschlüssen) wird nicht mehr möglich sein. Dies wird insbesondere problematisch, wenn die Funktion der Geräte auch bei einem Stromausfall sichergestellt werden muss.

• Es können zusätzliche Maßnahmen zur Datensicherheit wie die Einrichtung eines Virtual Private Network (VPN) oder der Einsatz von Verschlüsselungssystemen nötig werden.

Der Gesetzgeber verpflichtet die Telekommunikationsanbieter lediglich zur Erbringung von Universaldienstleistungen. Daraus resultierend ist folgendes Mindestangebot an Diensten gem. § 78 TKG reguliert, für die konkrete Leistungsmerkmale nicht festgelegt. sind:

• Sprachdienst

• Telefaxdienst

• Datenkommunikation für einen funktionalen Internetzugang.

Die nachfolgend beispielhaft aufgezählten TK-Anwendungen stellen demnach keine Pflichtleistung der Telekommunikationsanbieter dar und müssen weder ver-fügbar noch einheitlich ausgeformt sein:

• Datenübertragung über Modem

• Alarm- und Gefahrenmeldungen über automatische Wähl- und/oder Ansage-geräte bei Brand-, Einbruch- oder Überfallereignissen

• Portoaufladung bei Frankiermaschinen

• Kopierer (Zählerstandsabfrage bzw. Fernadministration)

• interaktive Aktionen mit Tonwahlsignalen (Steuerung über den Tastwahlblock)

• Personen-Notrufsysteme

• Aufzugnotruf

• Übertragung von Alarmmeldungen aus Gefahrenmeldeanlagen

• EC- und Kreditkarteninkasso

• Fernanzeige

• Zählerab- /-auslesung

• Fernadministration/Fernbetreuung von betriebstechnischen Anlagen und Großgeräten

• Pegelstandsübermittlung

• Zeiterfassungssysteme

• Übertragung von Daten aus Großküchengeräten.

Probleme sind in erster Linie bei den nicht regulierten Anwendungen zu erwarten, bei denen die Sicherheit oder die Übertragungseigenschaften einer IP-Verbindung nicht ausreichen (z. B. Gefahrenmeldeanlagen) oder bei Anwendungen die nicht im Blickpunkt der Anwender stehen (z. B. Frankiermaschinen). Hier besteht die Gefahr, dass trotz der Übertragung der Daten in der vorgeschriebenen Qualität, die Anwendung mangels Echtzeitübertragung nicht mehr sicher funktioniert. Eine Beurteilung ist momentan im Einzelfall nur mittels einer rechtzeitigen Überprüfung durch den Hersteller oder Lieferanten möglich.

Nach dem Wegfall der klassischen analogen und digitalen Festverbindungen stehen bald nur noch IP-Dienste für Alarmmeldungen aus Gefahrenmeldeanlagen zur Verfügung. Sie haben jedoch nicht die vergleichbare Übertragungssicherheit wie die klassische Technik, wodurch die relevanten Normen für Alarmübertragung nun von der Einrichtung eines 2. redundanten Übertragungsweges über eine Luft-schnittstelle wie GSM, UMTS oder LTE ausgehen.Jede Gefahrenmeldeanlage muss also zunächst mit einem „Handy“ ergänzt werden. Allerdings werden die Mobilfunknetze nach und nach in das NGN integriert werden, womit die Redundanz des zweiten Übertragungsweges nicht mehr gegeben ist.

Der Einsatz von DSL wird in einigen Bereichen für verschiedene Anwendungen getestet. Bei diesem Einsatz produzieren die Anwendungen jedoch einen permanenten Datenstrom. Dieser Datenstrom muss darüber hinaus teilweise noch verschlüsselt werden. Um die Kosten kalkulierbar zu halten, sollten diese Anschlüsse immer mit einer Flatrate betrieben werden.

Die Energieversorgung des Netzabschlussgerätes muss mit ausreichender Sicherheit realisiert werden. Gegebenenfalls müssen Batterien oder USV-Anlagen vorgesehen werden.

Für die reine Sprachübertragung ist davon auszugehen, dass im NGN eine ausreichende Sprachqualität erreicht wird. Ein generell hohes Qualitätsniveau und ei-ne hohe Verfügbarkeit kann aber nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Vielmehr sind die im Wettbewerb angebotenen Leistungen im Hinblick auf den Weiterbetrieb der vorhandenen Infrastruktur zu überprüfen.

Wie muss ich mich als Anwender verhalten und welche Maßnahmen werden vor einer Umstellung auf das NGN empfohlen:

• Betroffene Anwendungen und Geräte frühzeitig identifizieren.

• Feststellen der betriebs- und sicherheitstechnischen Relevanz der betroffenen Anwendungen und Geräte.

• Informationen beim Hersteller und Lieferant einholen, ob die bisherige Ver-wendungsmöglichkeit nach der Umstellung weiter gegeben ist.

• Anfrage beim Netzbetreiber ob notwendige Dienste und Dienstmerkmale, wie zum Beispiel die Datenübertragung für Fernadministration, bereitgestellt werden können.

• Gegebenenfalls rechtzeitiger Austausch der Geräte oder Umstellung des Übertragungsverfahrens.

Vielen Betreibern von technischen Anlagen wird nicht bewusst sein, dass sie eine Telefonleitung nutzen. Dies kann z. B. eine Störmeldung aus einem Aufzug, einem Großküchengerät oder aus einer Kühl- bzw. Heizungsanlage sein.

Die Nutzer von Endeinrichtungen und Geräten sollten sich im Zweifelsfall mit deren Herstellern in Verbindung setzen, ob die bisherigen Endeinrichtungen und Geräte auch an IP-basierten Anschlüssen genutzt werden können.

Andreas Schork
AMEV Geschäftsstelle im
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)

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