Urteile

Bauplanungsrecht; Verwaltungsprozeßrecht; Normenkontrollantrag; Präklusion; Umweltinformation; Bebauungsplan der Innenentwicklung; Flächeninanspruchnahme; zulässige Grundfläche; Baugrundstück; voraussichtliche Versiegelung; Fußgängerbereich

BauGB § 3 Abs. 2 Satz 2, § 9 Abs. 1 Nr. 11, § 13 Abs. 3 Satz 1, § 13a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1
BauNVO § 19
PlanUP-RL Art. 3 Abs. 3 und 5
UVP-RL Art. 11 Abs. 1
VwGO § 47 Abs. 2a, § 91 Abs. 1


1. Die Fläche eines nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB festgesetzten Fußgängerbereichs ist bei der von § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB geforderten Ermittlung der zulässigen Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO nicht zu berücksichtigen.


2. Setzt ein Bebauungsplan eine zulässige Grundfläche für ein oder mehrere Baugrundstücke im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO fest, findet § 13a Abs. 1 Satz 3 BauGB keine Anwendung mit der Folge, dass die voraussichtliche Versiegelung auf anderen Grundstücken bei der Ermittlung der Flächeninanspruchnahme außer Betracht bleibt.


BVerwG, Urteil vom 8.12.2016 – 4 CN 4.16 –


Bauplanungsrecht, unbeplanter innenbereich, Einfügen in die nähere Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung, ; Wohnnutzung; nähere Umgebung; Maß der baulichen Nutzung; Einfügen in die nähere Umgebung nach dem -; Maßbestimmungsfaktoren; Bebauung; vorhandene -; maßstabbildende Wirkung; Referenzobjekte; Grundfläche; Geschosszahl; Höhe; Nebenanlagen; optische Wahrnehmbarkeit; organische Siedlungsstruktur; negative Vorbildwirkung

BauGB § 34 Abs. 1 Satz 1
BauNVO § 16 Abs. 2


1. Baulichkeiten können auch dann die Eigenart der näheren Umgebung prägen, wenn sie nicht imstande sind, einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu bilden (Abgrenzung zu BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275).


2. Ein Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es dort Referenzobjekte gibt, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung auch nach dem Verhältnis zur Freifläche, vergleichbar sind. Die Übereinstimmung nur inx einem Maßfaktor genügt nicht.


BVerwG , Urteil vom 9.11.2016 – 4 C 7.15 –


Bauplanungsrecht; ergänzendes Verfahren; Rügemöglichkeiten

BauGB § 214 Abs. 4, 215 Abs. 1 Satz 1


Fall eines Bebauungsplans, der nach Behebung eines Ausfertigungsmangels im ergänzenden Verfahren erneut bekannt gemacht wurde.


Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 18. August 2015 – 4 CN 10.14 – BVerwGE 152, 379 Rn. 9) setzt die Gemeinde beim ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB das von ihr ursprünglich eingeleitete Verfahren an der Stelle fort, an der ihr der zu korrigierende Fehler unterlaufen ist. Die bisherigen Verfahrensschritte bleiben unberührt. Für den Fall eines Bebauungsplans, der nach Behebung eines Ausfertigungsmangels im ergänzenden Verfahren erneut bekannt gemacht wurde, hat der Senat daraus abgeleitet, dass auf bisherige, im ergänzenden Verfahren nicht zu wiederholende Verfahrensschritte bezogene Rügemöglichkeiten nach § 215 Abs. 1 BauGB, die bereits verfristet sind, durch die erneute Bekanntmachung des Plans nach der Fehlerbehebung nicht neu eröffnet werden (BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 – 4 NB 40.96 – Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 9 S. 18). Der Senat kann offen lassen, ob diese Aussagen für nicht zu wiederholende Verfahrensschritte auch dann gelten, wenn der Bebauungsplan – wie hier – im ergänzenden Verfahren neu abgewogen und als Satzung neu beschlossen wird. Denn jedenfalls hinsichtlich der neu durchgeführten Verfahrensschritte – hier der Abwägung und des Satzungsbeschlusses – lässt sich der Aussage des Senats im Umkehrschluss entnehmen, dass die Rügemöglichkeiten nach § 215 Abs. 1 BauGB durch die erneute Bekanntmachung des Plans insoweit neu eröffnet werden, aber auch entsprechende Obliegenheiten entstehen. Das gilt auch dann, wenn der Satzungsbeschluss im ergänzenden Verfahren – wie hier – inhaltsgleich wiederholt wird.


BVerwG, Beschluss vom 10.1.2017 – 4 BN 18.16 –


Bauplanungsrecht; Wohngebäude; Wohnnutzung; Begriff des Wohnens; Wohngruppe; psychotherapeutische -; Minderjährige; Unterbringung; Betreuung; reines Wohngebiet

BauNVO 1968 § 3 Abs. 1
BauNVO 1990 § 3 Abs. 4


Die Nutzung eines Wohngebäudes in einem reinen Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO 1968 zur Unterbringung und psychotherapeutischen Betreuung von Minderjährigen ist bauplanungsrechtlich unzulässig (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996 – 4 B 302.95 – Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 12).


BVerwG, Beschluss vom 20.12.2016 – 4 B 49.16 –


Anschluss- und Benutzungszwang , Bundesrechtliche Ermächtigung zu Anschluss- und Benutzungszwang an kommunale Fernwärmeversorgung

GG Art. 28 Abs. 2, Art. 70, 74 Abs. 1 Nr. 24, Art. 84 Abs. 1 Satz 7
EEWärmeG §§ 1, 7 Abs. 1 Nr. 3, § 16, Nr. VIII der Anlage
GO LSA § 8 Nr. 2


1. § 16 EEWärmeG stellt eine bundesrechtliche Befugnisnorm zum Anschluss- und Benutzungszwang an kommunale Fernwärmeeinrichtungen zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes dar. Sie ist von der Gesetzgebungshoheit des Bundes für den Bereich der Luftreinhaltung gedeckt.


2. Ein Anschluss- und Benutzungszwang nach § 16 EEWärmeG kann auch angeordnet werden, wenn die kommunale Fernwärmeeinrichtung die Standards der Nummer VIII der Anlage zum EEWärmeG nicht einhält. Erfüllt sie diese Standards, besteht eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung dafür, dass der Anschluss- und Benutzungszwang ein geeignetes Mittel zur Förderung des Klima- und Ressourcenschutzes darstellt.


BVerwG, Urteil vom 7.9.2017 – 10 CN 1.15 –


Einzelhandelsbetrieb; Sonderpostenmarkt; Innenbereich; unbeplanter Innenbereich; zentraler Versorgungsbereich; schädliche Auswirkungen; Vorschädigung; Gesamtbetrachtung; Verkaufsflächenvergleich.schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche

BauGB § 34 Abs. 3


Schädliche Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich sind auch dann zu erwarten, wenn schon vorhandene Einzelhandelsbetriebe den Versorgungsbereich schädigen und die Schädigung durch einen neu hinzutretenden Einzelhandelsbetrieb verstärkt wird.


BVerwG, Beschluss vom 12.1.2017 – 4 B 43.16 –


Energierecht, Energieleitung; 380-kV-Höchstspannungsfreileitung; Planfeststellung; Planfeststellungsbeschluss; Anfechtungsklage; Klagebefugnis Gemeinde; Immissionsschutz; Abstandsflächen von Leitungsmasten; Abwägung; Abschnittsbildung; Landesgrenze; Alternativenprüfung; Trassierungsvorgaben; kommunales Selbstverwaltungsrecht; gemeindliches Eigentum; Substantiierungspflicht; Gebot der Rücksichtnahme; erdrückende Wirkung

GG Art. 28 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 6, § 42 Abs. 2, § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3
EnLAG § 1 Abs. 3
EnWG § 43 Satz 1, 3 und 6, § 49 Abs. 1
BImSchG § 3 Abs. 5 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 3, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2
VwVfG § 3 Abs. 2, § 75 Abs. 1a Satz 1
ROG § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, § 15 Abs. 1 Satz 3
BauGB § 38 Satz 1
LBauO RP § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 8 Abs. 8 Satz 1 und 2


1. Im Energieleitungsrecht kann bei der Bildung von Planungsabschnitten nicht verlangt werden, dass jeder Abschnitt eine selbständige Versorgungsfunktion aufweisen muss.


2. Mit dem planfestgestellten Rückbau einer Bestandsleitung entfällt die plangegebene Vorbelastung. Das schließt es indes wegen der Situationsgebundenheit der betroffenen Grundstücke nicht aus, die tatsächliche Vorbelastung durch die Bestandstrasse im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Die Planfeststellungsbehörde ist deshalb nicht gehindert, bei der Variantenauswahl an diese noch fortdauernde Gebietsprägung anzuknüpfen.


BVerwG, Urteil vom 15.12.2016 – 4 A 4.15 –


Bauplanungsrecht; Bebauungsplan; Erforderlichkeit; Innenbereich, unbeplanter; Kasernengelände; aufgegebenes Kasernengelände; Konversion; Ortsteil; organische Siedlungsstruktur; Fortentwicklung; Art der baulichen Nutzung; prägende Wirkung

BauGB § 1 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 34 Abs. 1 Satz 1, § 214 Abs. 3 Satz 1


Wird die militärische Nutzung eines Kasernengeländes aufgegeben, hat dessen Bebauung grundsätzlich keine prägende Kraft hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, so dass sie mangels organischer Siedlungsstruktur einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht bilden kann.


BVerwG, Urteil vom 23.11.2016 – 4 CN 2.16 –


Naturschutzrecht, Verwaltungsprozeßrecht, Klagebegehren; Auslegung des Rechtsschutzziels; Feststellungsklage bei Streit über Genehmigungsbedürftigkeit; Verpflichtungsbegehren; naturschutzrechtliche Befreiung; Verbotstatbestand; naturschutzrechtliche Eingriffsregelung; Zwangsgeldandrohung

VwGO §§ 43, 88, 137 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 144 Abs. 4
BNatSchG § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 5, §§ 13 ff., 17 Abs. 1, 3 und 8, § 44
NAGBNatSchG §§ 5, 7


1. Die Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG, nach der auf Moorstandorten ein Grünlandumbruch zu unterlassen ist, enthält kein Verbot i.S.v. § 67 Abs. 1 BNatSchG.


2. § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG setzt einen „vorgenommenen“ Eingriff im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG voraus, dessen „weitere Durchführung“ die Behörde untersagen kann. Die (vorsorgliche) Untersagung noch nicht erfolgter Eingriffe kann hierauf nicht gestützt werden.


BVerwG, Urteil vom 1.9.2017 – 4 C 4.15 –


Bauplanungsrecht, Windenergieanlagen; Außenbereich; Radaranlagen; Wetterradaranlagen; Ortsgebundenheit der Windenergieanlagen; Justizgewährungsanspruch; volle gerichtliche Überprüfung; Beurteilungsspielraum; behördliche Letztentscheidungskompetenz; Gesetzesvorbehalt; Funktionsgrenzen gerichtlicher Kontrolle; Prognoseunsicherheiten; Risikobewertung; naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative; Fachwissenschaft als eindeutiger Erkenntnisgeber; Erfahrungswissen

GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8
DWD-Gesetz § 4 Abs. 1, § 5
LuftVG § 18a Abs. 1


1. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB entfaltet Drittschutz zugunsten der Betreiber von Radaranlagen.


2. Eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB setzt voraus, dass ihre technische Funktion in einem Maß beeinträchtigt wird, das sich auf die Aufgabenerfüllung des Betreibers auswirkt.


3. Ob eine Windenergieanlage die Funktionsfähigkeit einer Wetterradaranlage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB stört und ob diese Störung so gewichtig ist, dass sie der nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässigen Windenergieanlage entgegensteht, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Ein Beurteilungsspielraum kommt dem DWD insoweit nicht zu.


BVerwG, Urteil vom 22.9.1016 4 – C 2.16 –

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