Ständig unter Druck: Sicherheitstreppenräume

Schreibt der Brandschutz in mehrgeschossigen Gebäuden Sicherheitstreppenräume vor, sind Rauchdruckanlangen zu installieren. Sie haben die Aufgabe, Treppenhäuser und Aufzugsschächte im Brandfall rauchfrei zu halten.

Ob mit dem „Burj Mubarak Al-Kabir“ in Kuweit künftig das höchste Gebäude der Welt stehen und die magische 1.000-m-Marke überschreiten wird, ist aktuell noch Spekulation. Auch über die Sinnhaftigkeit solcher Bauvorhaben kann gestritten werden. Doch eines hat die „Renaissance“ der Skyscraper in den letzten zwei Jahrzehnten gebracht – die Entwicklung neuer Sicherheitstechniken. Ein Beispiel dafür ist die Weiterentwicklung von Rauchdruckanlagen, um Treppenhäuser und Fahrstuhlschächte im Brandfall für die Eigen- und Fremdrettung rauchfrei zu halten.

In Brandschutzkonzepten spielen passierbare Treppenräume eine zentrale Rolle. In Anlehnung an die Musterbauordnung der Bauministerkonferenz schreiben alle Bundesländer für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum wenigstens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vor. Ein über die Feuerwehr gestellter Rettungsweg, beispielsweise per Drehleiter, ist dazu zwar zulässig, aber ab einer bestimmten Gebäudehöhe nicht mehr herzustellen. In solchen Fällen sind beispielsweise rauchfrei gehaltene, sogenannte Sicherheitstreppenräume, vorgeschrieben.

Rauchfrei durch Überdruck

Um zu verhindern, dass aus einer brennenden Etage Rauch in den Treppenraum übertritt und so die Flucht über diesen Weg nahezu unmöglich macht, drängen Differenzdruckanlagen per Überdruck den Rauch an den Türen zurück. Dazu schreibt die DIN EN 12101-6 „Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 6: Festlegungen für Differenzdrucksysteme“ zahlreiche Bedingungen und Werte vor. Damit das Öffnen der Etagentüren durch den Überdruck im Treppenraum nicht gefährlich behindert wird, schreibt die Norm eine Obergrenze der Türbetätigungskraft von insgesamt 100 N vor. So ist gewährleistet, dass sich selbst Kinder den Weg ins Freie bahnen können. Physikalische Voraussetzung für den maximalen Kraftaufwand von 100 N zur Türöffnung ist wiederum die Begrenzung des Luftdrucks von 50 Pa im Treppenraum (bei einer 2 m² großen Tür).

Eine weitere Vorgabe der Norm bezieht sich auf die Strömungsgeschwindigkeit an der Türöffnung. Um den Raucheintritt in den Treppenraum wirkungsvoll zu verhindern, ist eine Luftbewegung in Richtung Brandraum von mindestens 0,75 m/s bzw. 2,0 m/s erforderlich. Die Branddauer beeinflusst die notwendige Strömungskraft gegen den Rauchübertritt an der Fluchttür. Mit jeder Minute, die das Feuer lodert, erhöht sich die Temperatur im Brandraum und damit auch der Druck der Rauchgase. In der Regel ist nach 8 min. ein Rauchdruck im Brandraum erreicht, der einer Gegenströmung von 2 m/s bedarf statt der anfangs 0,75 m/s, um den Rauch zurückzudrängen.

Verändern sich die Druckverhältnisse im Treppenraum, beispielsweise durch das Öffnen und Schließen der Fluchttüren, sieht die DIN EN 12101-6 eine maximale Reaktionszeit von drei Sekunden vor, um 90 % der Sollluftmenge herzustellen.

Elektronische Systeme sind günstiger…

Um normgerechte Sicherheitstreppenhäuser sicherzustellen, stehen zwei Systeme zur Wahl – Rauchdruckanlagen (RDA) mit mechanischer Regelung und elektronisch gesteuerte Differenzdruckanlagen (DDA). Für die Wohnungswirtschaft und Betreiber gewerblich genutzter Objekte lohnt sich unter dem Aspekt der Bau- und Betriebskosten eine vergleichende Betrachtung beider Systeme.

In Deutschland, wo nur wenige Wohn- und Geschäftshochhäuser zurzeit die Wolken „kratzen“ – und das auch nur bis etwa 300 m Höhe –, sind eher mechanische Systeme bekannt. In Ländern mit ausgeprägter „Wolkenkratzer-Kultur“ wie den USA oder inzwischen auch Fern-Ost werden elektronische Systeme bevorzugt. Das hat unter anderem mit Sicherheitsaspekten und den baulichen Bedingungen zu tun (siehe Kasten). Bei mechanisch geregelten RDA erzeugen ein oder mehrere Ventilatoren einen konstanten Luftstrom, der von unten ins Treppenhaus geleitet wird. Als Auslöser dient die Brandmeldeanlage (BMA) oder ein Rauchmelder. Um den geforderten Überdruck auf 50 Pa zu begrenzen respektive beim Öffnen der Türen im vorgeschriebenen Reaktionskorridor von drei Sekunden zu regeln, ist der Sicherheitstreppenraum mit einer Regelklappe ausgestattet. Sie baut meistens auf dem Dach auf. Die mechanische Regelung des Luftstroms funktioniert dabei über Lamellen, die mit Federn oder Gewichten auf die Druckverhältnisse im Treppenraum kalibriert sind. Wie ein Ventil leiten die Auslässe den vom Ventilator erzeugten Überdruck > 50 Pa ab.

Durchbrüche für Regelklappen an Wänden oder auf dem Dach, aufbauende Kuppeln oder Entlüftungshäuser entfallen jedoch bei elektronischen Differenzdruckanlagen. Das reduziert die Installationskosten sowohl im Neubau als auch bei der nachträglichen Ausrüstung erheblich. In Bestandsbauten ist vielfach die Nachrüstung von Regelklappen auch statisch nicht möglich.

Warum die baulichen Maßnahmen entfallen können, erklärt sich aus der Funktionsweise elektronischer DDA. Systemair, Hersteller solcher Systeme, setzt beispielsweise modifizierte EC-Motoren in den Zuluft-Ventilatoren ein. Sie variieren den Luftstrom und passen ihn den tatsächlichen Druckverhältnissen im Treppenhaus an. Geregelt werden die Ventilatoren von der Steuerung der DDA über einen Sensor, der im Sicherheitstreppenraum ständig die Überdruckverhältnisse misst. Öffnen demnach Bewohner respektive Nutzer eine Etagentür, registriert das System in einem Bruchteil von Sekunden den Druckabfall im Treppenraum, und die Ventilatoren fördern Luft bis zur 50 Pa-Grenze nach. Die in die Etage entweichende Frischluft strömt zum Brandherd und unterstützt damit die Entrauchung. Parallel dazu gibt die DDA-Steuerung – oder je nach Konzept auch die Brandmeldeanlage – das Signal zur Entrauchung in unmittelbarer Nähe des Brandherds, beispielsweise durch das Öffnen von Fenstern oder maschinelle Entrauchungsanlagen. Eine zusätzliche Öffnung zur Überdruckregelung in der Gebäudehülle ist also bei elektronischen Anlagen nicht erforderlich.

…und reduzieren Betriebskosten

Der Verzicht auf Regelklappen bei elektronischen Differenzdruckanlagen bringt allerdings nicht nur auf der Baukostenseite Vorteile, sondern auch bei den Folgekosten. Zu Buche schlagen bei mechanischen Systemen deutlich höhere Wartungsaufwendungen. Verbunden mit der vorgeschriebenen alljährlichen Überprüfung der Brandschutzeinrichtungen ist bei mechanischen RDA auch die Säuberung und ggf. Reparatur der Regelklappen auf dem Dach notwendig. Werden bei der Funktionsüberprüfung Abweichungen der Parameter festgestellt, ist zudem die neue Kalibrierung der Anlage erforderlich – also der Abgleich des vom Ventilator erzeugten Volumenstroms und der Justierung der Federn oder Gewichte an den Überdruckklappen. Diese Arbeit entfällt bei elektronischen Systemen. Hier beschränkt sich die jährliche Überprüfung auf die Funktion des Ventilators. Sollte ein Nachjustieren der voreingestellten Volumenströme in Ausnahmefällen doch erforderlich sein, ist dies mit wenigen Handgriffen an der Steuerung direkt oder dezentral über die Gebäudeleittechnik erledigt.

Fazit

Je nach den baulichen Bedingungen, spätestens aber ab einer Geschosshöhe, die durch die Feuerwehr von außen nicht mehr mit Rettungsgeräten erreicht werden kann, ist die Einrichtung von Sicherheitstreppenräumen gesetzlich vorgeschrieben. Um diese Fluchtwege zur sicheren Eigen- und Fremdrettung rauchfrei zu halten, können mechanisch geregelte Rauchdruckanlagen oder elektronisch gesteuerte Differenzdruckanlagen installiert werden.

Bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung beider Systemvarianten liegen die Beschaffungskosten elektronischer DDA in der Regel etwas unterhalb mechanischer RDA, bei den Bau- und Betriebskosten jedoch zeigt sich der wirtschaftliche Vorteil elektronischer Systeme deutlich. Da elektronische Anlagen ohne Regelklappen arbeiten, reduzieren sich zum einen die konstruktiven Aufwendungen für die Installation. Zum anderen entfallen Verschleißteile, die zeitintensiv kalibriert und kostenintensiv gewartet werden müssen.

Differenzdruckanlagen drängen per Überdruck den Rauch
an den Türen zurück.

Zwei Systeme stehen zur Wahl – Rauchdruckanlagen (RDA) mit mechanischer Regelung und elektronisch gesteuerte Differenzdruckanlagen (DDA).

Elektronische Regelungen in
sicherheitsrelevanten Bereichen sind heute Alltag und haben ihre ­Tauglichkeit selbst in sensiblen
Branchen nachgewiesen.

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