Schnell. Robust. Anpassungsfähig.

Wanderungsbewegungen als Bestandteil von globalen Entwicklungsprozessen und Krisen erhöhen den Handlungsdruck in der baulichen Gestaltungsaufgabe mitunter enorm. Sehr schnell müssen dann sehr viele neue Wohnungen erstellt werden. Wie dabei die wirtschaftliche Raumbildung ohne Abstriche bei materiellen Anforderungen und Schutzzielen erfolgen kann, wird am Beispiel von Gips-Massiv-Wänden deutlich.

Lebten zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur rund 2 % der Menschen in Städten, waren es um die 1950er Jahre bereits um die 30 %. Heute ziehen pro Tag etwa 200.000 Menschen in Metropolen, davon rund 180.000 in Entwicklungsländern und  rund 20.000 in Industrieländern. Prognosen zufolge werden bis zum Jahr 2030 sechs von zehn Menschen in urbanen Räumen leben (Quelle: Weltbank).

Häufig werden diese Zuwanderungen allein mit Menschen in Verbindung gebracht, die ihre Herkunftsorte aufgrund unerträglicher Lebensbedingungen oder Notsituationen verlassen müssen – aktuell erkennbar durch die wachsende Zahl der Geflüchteten, die nach Deutschland kommen. Flucht-, Arbeits- und Armutsmigration tritt allerdings schon lange nicht mehr als einzige Migrationsform auf, sondern ist ein Teil vielschichtiger Wanderungsbewegungen. Denn neben der Elendsmigration tritt immer häufiger auch die Expertenmigration von qualifizierten Menschen in Erscheinung: Auch diese sogenannten modernen Nomaden sind immer öfter auf der Suche nach urbanen Wohnplätzen, die ein besseres Leben in Aussicht stellen.

Individualisierung und Aka­­de­­mi­­­­sierung von Gesellschaften sind ebenso starke Auslöser für Wanderung und Verstädterung. Hierzulande stellt inzwischen die Singlewohnung mit rund 42 % den am häufigsten anzutreffenden Haushaltstyp dar. Zum Vergleich: Anfang der 1960er Jahre lebten gerade einmal 21 % der Menschen alleine. Eine starke Personengruppe in diesem Haushaltssegment sind mittlerweile Studierende. Auch ihre Zahl nimmt Jahr für Jahr weiter zu, zurzeit sind es rund 2,7 Mio – nach rund 1,9 Mio. im Jahr 2007 (Statistisches Bundesamt, 2015).

Allerdings darf die Gruppe der angehenden Akademiker nicht darüber hinwegtäuschen, dass Alleinlebende in der Regel bereits älter sind: Lediglich jeder sechste Alleinlebende ist jünger als 30 Jahre, mehr als ein Drittel ist gegenwärtig bereits älter als 60 (Zensus 2011). In Anbetracht der Aussichten, dass die Renteneinkommen der kommenden geburtenstärkeren Jahrgänge voraussichtlich geringer sein werden als heute, darf mit der Rentnermigration künftig eine weitere, noch weitgehend unbeachtete Wanderungsbewegung erwartet werden. Bereits heute rechnen schon 46 % der Geringverdiener damit, dass ihre Rente nicht für die Miete ausreichen wird – auch 40 % der Besserverdiener teilen diese Annahme (Immowelt, 2015).

Insgesamt betrachtet steht zunehmender Zuwanderung in wirtschaftlich attraktive, ur­­bane Räume zumeist ein Defizit im Wohnungsangebot gegenüber. Die Diskussion, warum aus­gerechnet in Deutschland zuletzt nicht ausreichend genug gebaut und nur ein Teil des statistisch prognostizierten Wohnungsbedarfs realisiert werden konnte, folgt dabei unterschiedlichen Motiven und wurde zuletzt um das Argument der politisch verursachten Kostentreiber für den Wohnungsbau ergänzt (Verbändebündnis Wohnungsbau, 2015).

Durch die aktuelle Zuwanderung wird das Defizit an bezahlbarem Wohnraum jetzt besonders schmerzhaft wahrgenommen. In Gegenwart von vermutlich mehr als einer Million Migranten steht die Bundesrepublik und mit ihr die Wohnungswirtschaft vor einer Herausforderung, die im Licht der Weltöffentlichkeit immer mehr einer Bewährungsprobe gleichkommt: Sowohl Menschen, die hier leben, als auch Menschen, die noch kommen werden, müssen angemessen wohnen können und dürfen auf Dauer nicht nur untergebracht sein.

Von Erstaufnahmeeinrichtungen und Verteilzentren über die Feinzuweisung auf Leer­­standsimmobilien bis hin zu quasi dauerhaften, eingefriedeten Großanlagen werden landauf landab erste wichtige Maßnahmen zur Unterbringung der neuen Populationen umgesetzt – und das mit überwiegender Zustimmung der Bevölkerung in allen relevanten Altersgruppen (ARAG, 2015). All diese Maßnahmen sind jedoch in letzter Konsequenz keine adäquate bauliche Antwort. Als ein Land, in dem Wanderungsbewegungen Tradition haben, kann die Lösung für Deutschland deshalb nur im qualitätsorientierten Wohnungsbau liegen. Denn dort lag sie auch in der Vergangenheit.

Vergangenheit trifft Zukunft

Wanderungsbewegungen und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung von Gesellschaften sind an und für sich nichts Neues und mit Blick auf die deutsche Industriegeschichte sogar ein Glücksfall. Diese beginnen während der Industrialisierung nicht etwa mit der Entstehung der Arbeiterschaft und ihrer Binnenwanderung in die Städte, sondern mit der Auswanderung deutscher Arbeitskräfte, die darin für sich die einzige Möglichkeit sehen, der sozialen Not zu entkommen. So verlassen zwischen 1865 und 1895 mehr als drei Millionen Menschen Deutschland nach Übersee – allein 865.000 in den vier Jahren nach 1880 (Kiesewetter, 2004). Die damit einhergehende Stabilisierung der industriellen Entwicklung und die Verbreiterung des Wohlstandes um die Jahrhundertwende machen die Auswanderung schließlich überflüssig.

Erst mit der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften um 1900 ziehen deutsche Arbeits- und Armutsmigranten zu Hunderttausenden in die Städte. So entstehen um diese Zeit zahllose Mietskasernen und Wohnbaracken in nahezu allen großen deutschen Innenstädten und Industriebezirken. In Berlin beträgt etwa um das Jahr 1900 die durchschnittliche Behausungsziffer 78 Bewohner pro Mietskaserne, womit sich die Kapitale weltweit zur größten Mietskasernenstadt ihrer Zeit entwickelt hat (Hegemann, 1930).

Dabei verfügen die meist einfachen Wohnungen mit Zimmer und Küche gerade einmal über zwei Räume. Da zudem die Zimmer aus Kostengründen häufig an sogenannte Schlafgänger untervermietet werden, kann für Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts von rund 250.000 Einzimmerwohnungen mit schätzungsweise 750.000 Bewohnern ausgegangen werden (Vögele, 2001). Werden aufgrund der rapiden Urbanisierung anfänglich oft noch minderwertige Baumaterialien vor allem in den klassifiziert „einfachen“ Wohneinheiten verbaut (Geist/Kürvers, 1980), werden unter dem Eindruck zunehmender sozialer und gesundheitlicher Verwerfungen landesweit vermehrt leistungsfähigere Baustoffe benötigt, die den Wohnungsbau nachhaltig beeinflussen werden – unter ihnen Gips-Wandbauplatten.

Als bauliche Alternative zu den meist in Mörtel und Putz hergestellten Trennwänden vor Ort werden Gips-Wandbauplatten zwar noch auf nassem Wege produziert, jedoch vor dem Einbau getrocknet. Sie gelten deshalb als Segmentbegründer des massiven Trockenbaus. 1886 entwickelt, finden die seinerzeit sogenannten Gipsdielen bereits im gleichen Jahr Anwendung als Trennwände in den Baracken von rund 9.000 Arbeitern, die für den Bau des Nord-Ostsee-Kanals zusammengezogen werden (Mack, 1986). Die positiven Erfahrungen mit Robustheit, Isolierwirkung, Hygiene, Feuersicherheit und Schalldämmung des massiven Wandbildners werden sukzessive auf Militär-, Krankenhaus-, Wohn- und Objektbauten übertragen und überdauern nach der industriellen Urbanisierung auch den Siedlungsbau der 1950er Jahre wie die späteren Boom-Jahre nach dem Mauerfall. Ihr maßgeblicher Vorteil über all diese Bauperioden hinweg: das schnelle, weil trockene Bauen in massiver Qualität.

Bedeutung für die Wohnungswirtschaft

Gips-Wandbauplatten DIN EN 12859 sind aus Stuckgips hergestellte Baustoffe ohne Hohlräume. Die Sichtflächen ausgeführter Bauteile bilden fugenfreie Oberflächen. Gips-Wandbauplatten werden vor allem als Trennwände eingesetzt. Sie erfüllen nicht selten auch Aufgaben des Brandschutzes z.B. von Schächten. Aus Gips-Wandbauplatten lassen sich schlanke und dennoch massive Bauteile in Dicken von 60, 80 oder 100 mm errichten. Drei Platten ergeben im Standardformat einen Quadratmeter Wand. Die Rohdichte der Platten (mittlere Rohdichte ca. 850 kg/m³, hohe Rohdichte bis ca. 1.400 kg/m³) ermöglichen Trennwände mit vergleichsweise geringen flächenbezogenen Massen – ideal für die flexible Raumbildung überall dort, wo bspw. Grundrisse in Bestandbauten mit Trennwandzuschlag bei den Decken neu geordnet werden sollen.

Wandhöhen und Wandlängen sind für Gips-Wandbauplatten so bemessen, dass sie die Anforderungen an nichttragende Trennwände nach DIN 4103-1erfüllen. Dazu zählen die Aufnahme von Eigen- und Konsollasten von an Wänden angebrachten Gegenständen sowie der Widerstand gegen ruhende und stoßartige Belastungen. Werden die Wände nicht bis unter die Decke geführt – z.B. bei temporärer Anwendung in Hallenbauten –, so werden sie als gehalten angesehen, wenn sie unten und seitlich angeschlossen sind. Zulässig im Sinne obiger Anwendung (Einbaubereich 2) ist demnach eine Wand in beliebiger Länge mit einer Höhe von 2,5 m aus Platten in mittlerer Rohdichte in nur 80 mm Dicke.

Gips ist ein nichtbrennbares Mineral. Gips-Wandbauplatten lassen sich weder in Brand setzen, noch leisten sie einen Beitrag zur Brandlast (Euroklasse A1). Der Feuerwiderstand beträgt für Wände in 80 mm Dicke zwei Stunden (F 120-A), für Wände in 100 mm Dicke drei Stunden (F 180-A). Gips-Wandbauplatten werden mit Gipskleber nahezu trocken im Verband zusammengefügt. Die Wände benötigen keinen Putz. Sie werden im Fugenbereich verspachtelt, sofern keine keramischen Beläge angesetzt werden. Die Wände können auch in Abhängigkeit von der Fußbodenkonstruktion auf die Rohdecke oder bei üblichen Raumhöhen auch auf einen geeigneten schwimmenden Estrich gestellt werden – vorteilhaft u.a. in der Ertüchtigung von Bestandsbauten.

Die Wände werden an angrenzenden Bauteilen befestigt. In der Regel erfolgt der Anschluss elastisch. Wenn Anforderungen an den Schallschutz eine untergeordnete Rolle spielen, dürfen die Anschlüsse auch starr ausgebildet werden. Bei Anforderungen an den Brandschutz gelten die Bestimmungen von DIN 4102-4.

Große Wandöffnungen, z.B. für Türen, werden in der Regel beim Aufbau der Wände angelegt, können aber auch nachträglich ausgesägt werden. Kleine Wandöffnungen, etwa für Sichtverbindungen, deren lichte Maße kleiner sind als 1/4 der Wandhöhe oder der Wandlänge oder deren Gesamtfläche kleiner als 1/10 der Wandfläche ist, dürfen ohne Abminderung zulässiger Wandabmessungen ausgespart werden. Die wirtschaftlich angemessene Raumbildung verlangt keine Abkehr von bewährten Regeln. Die Ausführung von Trennwänden aus Gips-Wandbauplatten ist geregelt in DIN 4103-2, übersichtlich auf nur 11 Seiten und in nur 4 Tabellen.

In jeder Kultur beheimatet

Robustheit und Gediegenheit sind baupraktische Synonyme für Schutz und Privatheit. Insbesondere Zuwanderern aus anderen Kulturkreisen mit eventuell auch anderen Wohnvorstellungen vermitteln Gips-Massiv-Wände deshalb Vertrautheit in Umgang und Gebrauch. Einrichtungsgegenstände lassen sich an beliebiger Stelle einfach mit handelsüblichen Dübeln befestigen. Bei Bewohnerwechsel können Befestigungsspuren komplett wieder beseitigt werden, denn die Trennwände bestehen an jeder Stelle und im gesamten Querschnitt hohlraumfrei aus massivem Gips. Ihr homogener Aufbau vereinfacht die Nutzung deshalb auch unter erschwerten Bedingungen. 

Leichte Konsollasten bis 0,4 kN/m dürfen an Wänden aus Gips-Wandbauplatten angebracht werden. Dieser Lastfall trifft z.B. auf kleine Wandschränke zu. Schwere Konsollasten über 0,4 bis 1,0 kN/m, deren vertikale Wirkungslinie max. 0,5 m von der Wandoberfläche entfernt ist, dürfen ebenfalls an den Wänden befestigt werden, sofern die Wanddicke mind. 80 mm und die Wandhöhe 2/3 der max. zulässigen Wandhöhe beträgt. Dieser Lastgruppe entsprechen in der Regel Waschtische oder größere Wandschränke. Die max. zulässige Wandhöhe beispielsweise für eine 80 mm dicke Wand (mit Öffnungen) beträgt 4,50 m (im Einbaubereich 1). Daraus ergibt sich ein 2/3-Wert von 3 m, also deutlich über den üblichen Raumhöhen. Die Wände können also ohne Nachweis die gängigen Konsollasten bis 1,0 kN/m und 50 cm Hebelarm aufnehmen.

Trennwände aus Gips-Wandbauplatten sind robust und alterungsbeständig, sowohl bei Anwendung in Bereichen mit üblicher Luftfeuchte als auch in häuslichen Küchen und Bädern. Ihre Lebensdauer ist technisch praktisch nicht begrenzt – auch nicht bei robustem Nutzerverhalten. Schadstellen im monolithischen Verband, etwa nach Sachbeschädigung, können baustoffidentisch mit jederzeit verfügbaren Baugipsen ohne Qualitätseinbußen im Querschnitt und in der Fläche wieder geschlossen werden.

Durch die aktuelle Zuwanderung wird das Defizit an bezahlbarem Wohnraum jetzt besonders schmerzhaft wahrgenommen.

Die Lebensdauer von Trennwänden aus Gips-Wandbauplattenist ist technisch praktisch nicht begrenzt – auch nicht bei robustem Nutzerverhalten.

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