Solarwärme

Pauschalmiete und Energie-Flatrate

In Cottbus werden zwei Mehrfamilienhäuser mit vernetzter Energieautarkie errichtet. Das Konzept basiert auf einer „intelligenten“ Eigenversorgung mit Wärme, Strom und Mobilität aus der Sonne.

Unsere Wärmeversorgung ist überwiegend eine Technologie von gestern. Meist werden fossile, auf Kohlenstoffverbindungen basierende Brennstoffe verwendet. Erdgas hat alleine einen Anteil von mehr als 50 %, das betrifft Gebäude wie auch Wohnungen. Etwa ein Drittel aller Wärmeerzeuger wird mit Heizöl beschickt. Neben dem Hauptenergieträger Erdgas gibt es bei Mehrfamilienhäusern einen relativ hohen Anteil an Fernwärmeanschlüssen, Heizöl spielt dort eine geringere Rolle. Absolut betrachtet werden Ein- und Zweifamilienhäuser relativ selten mit Biomasse oder Strom beheizt. Bei neueren Gebäuden gibt es einen signifikanten Anteil an Wärmepumpenheizungen und Biomasse-Heizkesseln.

Jedoch ist nicht allein der Ist-Zustand unserer Heiztechnik problematisch, ebenso stellt die schon seit Jahren schleppende Modernisierungsrate ein großes Problem dar. Das alles hat zur Folge, dass der Anteil von Solarthermie bei allen Heizungsarten nach wie vor sehr gering ist und ein Wechsel von fossil zu regenerativ nur auf einem niedrigen Level stattfindet.

Von einer Solarisierung unserer Wärmeversorgung sind wir demzufolge weit entfernt, genau genommen bewegen wir uns auch nicht in diese Richtung. Denn auch wenn Solarwärme installiert wird, kommt sie meist nicht über den Status einer Alibi-Technologie hinaus.

Energieeffzient gebaut

Die monolithische Bauweise aus hochwärmedämmendem, einschaligem Ziegelmauerwerk ohne extra Außendämmung soll Autarkiegrade von 60 bis 70 % ermöglichen. Das Gebäude mit einem KfW-Effizienzhaus-Standard 55 verfügt über sieben Wohneinheiten mit insgesamt 634 m² Wohnfläche. Die Ausrichtung nach Süden und die hochdämmende Gebäudehülle ermöglichen einen stark reduzierten Heizwärmebedarf, der mit 17 kWh/m² nahezu Passivhausniveau erreicht.

Neben der passiven Solarenergienutzung ist aber vor allem die aktive Nutzung von Solartechnik und deren lokale Speicherung für die hohen Autarkiegrade ausschlaggebend. Sowohl Solarthermie mit Langzeitwärmespeicher als auch Photovoltaik mit Akkus lassen die Energiekosten dabei auf etwa 60 % unter dem klassischen Passivhaus sinken. Die Entwickler um den Freiberger Honorarprofessor und Solarexperten Timo Leukefeld gehen grob davon aus, dass 70 % Autarkie bei Wärme, Strom und E-Mobilität eine sinnvolle Größe ist. Wegen des abnehmenden Grenznutzens seien die letzten 20 bis 30 % mit Abstand die teuersten und eine Trennung vom Netz ist nicht mehr zeitgemäß.

Produziert wird die Energie auf den südlichen Dächern und der Fassade. Mit 50 Grad ist das Dach nicht ganz so sehr geneigt wie bei anderen Sonnenhausprojekten, aber der Winkel ist trotzdem steiler als üblich, um die tief stehende Wintersonne gut nutzen zu können. Die Dachfläche teilen sich Solarthermie und Photovoltaik, die Produktion über die senkrechte Fassade obliegt ausschließlich der Photovoltaik. Insgesamt werden jeweils 100 m² Kollektorfläche und Photovoltaik mit knapp 30 kWp montiert.

Wärme: In einem Langzeitspeicher mit einem Volumen von 24,6 m³ wird die Wärme eingelagert, die zum Zeitpunkt ihrer Produktion gerade nicht benötigt wird. Das Trinkwarmwasser wird mittels Frischwasserstationen bereitet. Weitere Überschüsse, vor allem die aus dem Sommer, werden in ein Nahwärmenetz eingespeist und zu den Nachbargebäuden transportiert. Das verdoppelt den spezifischen Solarertrag pro m2 bei gleichzeitiger Reduktion der Heizkosten der anderen Gebäude. Der übrige Heizwärmebedarf wird durch einen 40 kW Gasbrennwertkessel bereitgestellt.

Strom: Lithium-Ionen-Akkus mit einer Speicherkapazität von jeweils 54 kWh sorgen für einen hohen Eigenstromanteil. Mit dem Photovoltaikstrom werden die Haushaltsgeräte, die Anlagentechnik wie auch die Elektroautos versorgt.

(Fast) energieautark durch Vernetzung

Der Energieaustausch findet nicht nur einseitig in Form der Lieferung von überschüssiger Wärme in Sommerhalbjahr von März bis Oktober statt. Vielmehr werden die Speicher auf unterschiedlichste Weise genutzt. Es wird Energieversorgern auch ermöglicht, Wind- und Solarstrom in Form von Wärme oder Strom zu speichern und bei Bedarf wieder zu entnehmen. Um die Energieströme auch quantitativ zu erfassen, wird das Projekt in einem Monitoring drei Jahre lang umfangreich vermessen. Durch die Öffnung der großen Speicher nach außen profitieren nicht nur die Bewohner bzw. Vermieter, sondern auch die Allgemeinheit in Form eines Umbaus bzw. eines geringeren Ausbaus des öffentlichen Stromnetzes. Der Begriff des Prosumers wird dabei wesentlich breiter gefasst als sonst üblich. Gebäude und Energieversorgung partizipieren wechselseitig voneinander.

Niedrige Energiekosten

Neben den Baukosten sind die Betriebskosten des Wohnens letztendlich entscheidend. Baut man günstig, ist die Finanzierung meist unproblematisch. Jedoch können die stetigen Kosten für das Leben in den Gebäuden mittel- bis langfristig zum Problem werden.

Wie bei allen Effizienzmaßnahmen können geringfügig höhere Investitionskosten schnell wirksam werden. In Zeiten niedriger Hypothekenzinsen ist das zudem immer weniger von Bedeutung. Aber auch bei Mietwohnungen geht eine geringe Kaltmiete oft mit hohen Nebenkosten, die zudem permanent steigen, der sogenannten „zweiten Miete“, einher.

Durch den minimierten Wämebedarf der Gebäude und der hohen Autarkiequote der Nutzung von Sonnenwärme und Sonnenstrom betragen die Energiekosten für alle sieben Wohneinheiten im Jahr gerade einmal rund 2.000 €. Die Investitionskosten für Baukörper, Haus und Haustechnik, Energieversorgung und Nebenkosten liegen bei etwa 1,8 Mio € brutto. Die Mehrkosten für die Autarkiezusatztechnik betragen 400 € pro qm beheizte Wohnfläche. Grob gerechnet liegen die reine Amortisationszeiten von PV und Thermie bei 35 Jahren, einschließlich dem Wechsel von Anlagentechnik.

Die Refinanzierung kommt über die Pauschalmiete zu wesentlich kürzeren Zeiten. Das Sorglos-Paket wird vom Mieter finanziell vergütet, die Mehrkosten darüber refinanziert. Da wenig Energie zugekauft werden muss, hier kommt das Prinzip der Nahe-Null-Grenzkosten zum Tragen, ist der Aufwand für die Restenergiemenge gut planbar. In Kombination mit dem hohen Autarkiegrad ist es deshalb möglich, eine Pauschalmiete mit Energieflat anzubieten. Mit einer Laufzeit von 10 Jahren und einem Mietpreis von voraussichtlich 10,50 €/m² kann gut gehaushaltet werden. In der Energieflat ist alles enthalten: Wohnen, Wärme und Strom. Als Surplus steht den Mietern je Gebäude ein E-Mobil und mehrere E-Fahrräder zur Verfügung.

Mit der Pauschalmiete und Energie-Flatrate entsteht für die Bewohner im Übrigen ein höherer Freiheitsgrad. Um keine „all-inclusive-Mentalität“ aufkommen zu lassen, wurden zur Sicherheit einige „energetische Sicherungen“ eingebaut. Der Spielraum für ein, wie es Leukefeld mit dem Begriff „intelligentes Verschwenden“ umschreibt, ist groß. Wenn beispielsweise Geschirrspüler und Waschmaschine an das warme Wasser, das größtenteils von Solarenergie erzeugt wird, angeschlossen sind, können sie nahezu bedenkenlos und häufig benutzt werden, ohne dass diese eigene Energiebilanz verhagelt wird. Da man gemeinsam in einem Gebäude wohnt und die zur Verfügung stehenden Ressourcen nutzt, ist es ohnehin wenig sinnvoll, Energie über die Maßen zu verschwenden.

„Die Leute können sich bewegen, wie sie wollen und brauchen sich nicht an die Technik anzupassen“, benennt Leukefeld einen wesentlichen Vorteil des solaren Baukonzeptes. Auch ist es wichtig, den Automatisierungsgrad nur soweit wie nötig auszubauen. Damit die Bewohner selbstbestimmt wohnen können und sich nicht „normgerecht“ verhalten müssen, ist das System redundant. Die Energieflatrate ist für die Grundversorgung großzügig ausgelegt, eine gewisse Verschwendung durchaus mit einberechnet. Eine Einsparung wird nicht ausbezahlt, was den Vorteil hat, dass nicht zu viel gespart wird und es z.B. durch zu niedrige Raumtemperaturen zu Bauschäden (z.B. Schimmel) kommt.

Eine Revolution im Wohnungsmarkt

Am 6. Juli 2017 fand der Spatenstich zum Baubeginn der zwei „energieautarken“ Mehrfamilienhäuser an der Kahrener Straße statt, am 10. August war die Grundsteinlegung. Der Bauträger, die eG Wohnen, ist mit einem Bestand von etwa 10.000 Wohnungen die größte Wohnungsgenossenschaft in Brandenburg. Satzungsgemäß hat sie den Auftrag zur guten, sicheren und sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung für ihre Mitglieder.

Im Zuge knapper werdender Ressourcen und damit höherer spezifischer Kosten für die Energieversorgung bei gleichzeitig geringeren Renten, kommt das Konzept der Pauschalmiete mit Energie-Flatrate wie gerufen. „Der Gedanke passt gut in unsere Genossenschaft“, sagt Uwe Emmerling, Vorsitzender der eG Wohnen. „Wir wollen Mehrwert für unsere Bewohner schaffen und eine hohe Lebensqualität erzeugen, die nicht auf einer extremen Technisierung und Regeln für das Verbrauchsverhalten im Haus beruht“. Es soll auch nicht bei dem Pilotprojekt bleiben. So möchte die Genossenschaft noch mehr solcher Mietshäuser bauen, sollte alles so weit gelingen wie erwartet.

Die Zukunft muss nicht „all electric“ sein

Je größer das Gebäude, desto höher die Wirtschaftlichkeit von großen Solarheizungen. Diese Tatsache nutzen immer mehr Bauträger und Wohnungsbaugesellschaften: Sie statten ihre Mehrfamilienhäuser und Geschosswohnungsbauten mit einer solaren Wärmeversorgung aus. Anhand eines aktuellen Projekts kann man gut erkennen, wie modern und interessant Solarwärme ist und wie sie entscheidend zur Dekarbonisierung beitragen sollte. Es ist strategisch von Bedeutung, den Ausstieg aus der fossilen Verbrennungstechnik nicht über die Umwege von Brückentechnologien und Hybridsystemen, sondern über den massiven Einsatz von regenerativen Heizungssystemen zu gehen. Solarthermie muss als wesentlicher Bestandteil von Verbundlösungen sowie als Schlüsseltechnologie verstanden werden.

Je größer das Gebäude, desto höher die Wirtschaftlichkeit von großen Solarheizungen.

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