Effizienzhaus-Plus

Kraftwerk macht Schule

Beim Neubau der Louise-Otto-Peters-Schule in Hockenheim achtete der Rhein-Neckar-Kreis darauf, Energiepotenziale zu aktivieren und so die bestehenden gesetzlichen Vorgaben überzuerfüllen: Das Gebäude wurde als Passivhaus errichtet und nimmt am Modellprojekt Bildungsbauten im Effizienzhaus-Plus-Standard teil.

Der Neubau der Louise-Otto-Peters-Schule wurde als Effizienzhaus-Plus konzipiert. Damit dient der Bildungsbau öffentlichen Gebäuden als Vorbild, die ab 2019 im Niedrigstenergie-Standard errichtet werden müssen. Als Träger der beruflichen Schulen führte der Rhein-Neckar-Kreis (RNK) den Neubau der Louise-Otto-Peters-Schule (LOP) durch. Ziel war die Planung und Umsetzung eines nachhaltigen und umweltfreundlichen Gebäudekonzepts für 280 Schüler. Konkret bedeutet dies die Errichtung der LOP im Passivhaustandard sowie die Teilnahme am Modellprojekt des Bundes für „Bildungsbauten im Effizienzhaus-Plus-Standard“.

Damit gehört die Schule zu den ersten Bildungsbauten mit diesem Niveau: Sie erzeugt neben der Energieeinsparung durch die passive Bauweise auch aktiv Energie für ihren Betrieb. Gegenüber einem üblichen Neubau können in der Nutzung so bis zu 65 t CO2 pro Jahr eingespart werden. Ein Intensivmonitoring soll die Performance bestätigen, Unregelmäßigkeiten aufzeigen und Möglichkeiten zur Betriebsoptimierung herausarbeiten. Ab dem Jahr 2019 müssen öffentliche Neubauten nach der geltenden EU-Gebäuderichtlinie den Niedrigstenergie-Standard erreichen. Der sehr geringe Energiebedarf soll überwiegend aus lokalen, erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Die Konkretisierung des Standards steht in Deutschland mit dem kommenden GebäudeEnergieGesetz (GEG) an, das die Energieeinsparverordnung (EnEV) ablösen wird. Für das Jahr 2050 wird in Deutschland sogar der „klimaneutrale Gebäudebestand“ angestrebt. Vor diesem Hintergrund ist das Modellvorhaben zu sehen – eine neue Generation von Gebäuden, die auf Jahressicht einen Überschuss an Energie erzielen.

Räumliche Organisation

Der Z-förmige Baukörper, entworfen von Roth Architekten, ist übersichtlich strukturiert. Von einem zentralen Aufenthalts- und Erschließungsbereich mitsamt zuschaltbarer Aula werden zwei Gebäudeflügel erschlossen. Das EG beinhaltet den gesamten Verwaltungstrakt und alle berufsbezogenen Fachräume, das OG die allgemeinen Unterrichts-, Aufenthalts- und Arbeitsräume. Technik und Lager befinden sich im UG. Das Tragwerk besteht aus Stützen und Außenwänden in Stahlbeton. Die Innenwände werden als Trockenbau- und Systemtrennwände errichtet. Als Dämmung kommt ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) mit einer Dämmstärke von 20 cm zum Einsatz. Das WDVS ist mit Klinkerriemchen verblendet, in Teilbereichen auch mit einer vorgehängten, hinterlüfteten Metallfassade. Die Dämmung der Dachfläche beträgt im Mittel 30 cm. Verglasungen sind als Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung in Pfosten-Riegel-Konstruktion und als Einzelfenster in Holz-Aluminium ausgeführt. Zur Verbesserung von Tageslichtversorgung und Ausblick wurden die Leibungen abgeschrägt.

Energiekonzept und Anlagentechnik

Ausgangspunkt für das Energiekonzept war 2014 der Passivhausstandard. Neben dem hohen Wärmeschutz der Gebäudehülle sorgt eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung für die Senkung der Heizlast. Die Warmwasserbereitung erfolgt aus hygienischen und ökonomischen Gründen dezentral elektrisch.

Auf dem Flachdach der zweigeschossigen Schule ist eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 191,4 kWp installiert. Die Module sind flach aufgeständert und nach Westen und Osten ausgerichtet. Damit verfügt die LOP über mehr als ein kWp pro 20 m² Nettogrundfläche. Der Stromertrag wird vorrangig innerhalb des Gebäudes verwendet, Überschüsse finden außerhalb der Ferienzeiten auf dem umgebenden Schulcampus ihre Verwendung.

Die Bereitung der Heizwärme erfolgt über eine Sole-Wasser-Wärmepumpe. Diese nutzt einen Eisspeicher als Umweltwärmequelle, die im Sommer über Wärmeeinträge regeneriert wird. Zur Spitzenlastabdeckung dient das Fernwärmenetz der Stadtwerke Hockenheim mit einem Primärenergiefaktor von 0,64. Bilanziell werden der Wärmepumpe 30% und der Fernwärme 70%  Deckungsanteil zugerechnet. Ziel ist aber, im realen Betrieb die für ein Passivhaus bekannten Kennwerte einzuhalten und die Deckungsanteile beider Wärmeerzeuger auszutauschen.

Mess- und Evaluierungskonzept

Das Konzept für die Positionierung der Sensoren und Zähler hat die „ina Planungsgesellschaft mbH“ erstellt. Es ergibt sich aus den Vorgaben des Leitfadens Monitoring des Bundesumweltministeriums zum Modellvorhaben. Dieser sieht eine Unterteilung in Verbrauchsdaten, Klimadaten und Nutzerverhalten vor. Ziele des Monitorings sind die Ermittlung spezifischer Kennwerte für den Endenergieverbrauch, getrennt nach Prozess-/Anlagenkomponenten, als auch des spezifischen Nutzenergieverbrauchs im Raum. Aus diesen Werten werden Aufwandszahlen für alle Erzeuger abgeleitet, die Verbrauchsstruktur analysiert und den während der Planungsphase berechneten Bedarfen nach DIN V 18599 gegenübergestellt.

Derzeit wird die Messtechnik in Betrieb genommen und die Übermittlung erster Messwerte vorbereitet. Darauf folgt zunächst eine Monitoringphase zur Plausibilisierung und Feinabstimmung der Messwerterfassung. In einem nächsten Schritt kann der Betrieb evaluiert und optimiert werden. Im zweiten Jahr des Intensivmonitorings sind dann Detailbetrachtungen und Auswertungen im Bereich Behaglichkeit und der einzelnen gebäudetechnischen Komponenten vorgesehen. Zudem dient die Datenerfassung der Überprüfung der berechneten Plus-Energie-Bilanz in der Praxis.

Das Modellprojekt

Bildungsbauten werden als „Effizienzhaus Plus“ bezeichnet, wenn sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf vorliegen. Damit entspricht die Definition dem Modellvorhaben für Wohngebäude aus dem Jahr 2012. Im Unterschied dazu müssen aber alle Energiedienstleistungen für Nichtwohngebäude nach EnEV enthalten sein. In die Bilanz eingerechnet werden also die Bedarfe der Anlagentechnik des Gebäudes für Wärme, Kälte, Beleuchtung und Lufttransport sowie zusätzlich ein pauschaler Nutzerstrombedarf von 10,0 kWh/m²a.

Als Bilanzgrenze gilt das Grundstück. Alle Energiemengen werden gemäß DIN V 18599 auf Monatsbasis ermittelt, miteinander verrechnet und Kennwerte gebildet. Mit dem EnEV-Standardklima Potsdam ergibt sich bilanziell ein Stromertrag der Photovoltaik von 43,8 kWh/m²a, bei einem Gesamt-Endenergiebedarf für Fernwärme und Strom von 39,5 kWh/a. Der Überschuss an Endenergie beträgt rechnerisch damit 4,3 kWh/m²a, primärenergetisch gewichtet liegt er mit etwa 40 kWh/m²a eine Größenordnung höher. Rein stromseitig beläuft sich der Überschuss auf 14,7 kWh/m²a, resultierend aus einer Netzeinspeisung von 23,2 kWh/m²a bei einem Netzbezug von 8,5 kWh/m²a. Die Eigennutzung des vor Ort erzeugten Stroms beträgt hierbei 20,6 kWh/m²a.

Das Energiedreieck zeigt den Fluss der Energie zwischen dem Gebäude als Verbraucher, der Photovoltaik als Erzeuger und den anliegenden Energienetzen als „unbegrenzte Speicher“. Der erneuerbare Stromertrag (grün) der Photovoltaik wird etwa hälftig eingespeist und eigengenutzt. Die Menge aus dem Netz bezogenen Stroms (rot) ist vergleichsweise gering, selbst der Fernwärmebezug liegt bilanziell darüber. Die wichtigsten Kenndaten lassen sich im Energiedreieck ablesen: 47% Eigennutzung des erzeugten Stroms, Basis ist hier der Gesamtstromertrag, bedeuten gleichzeitig 71% Eigenversorgung, Basis ist jetzt der Gesamtstrombedarf.

Um im Projekt über den reinen Hocheffizienzstandard hinaus ein ganzheitliches Qualitätsniveau zu gewährleisten, wird eine Nachhaltigkeitszertifizierung nach dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen des Bundes (BNB) planungs- und ausführungsbegleitend durchgeführt. Damit ergeben sich für den Betreiber, aber auch für den Nutzer, Gebäudequalitäten – etwa die Sicherstellung der Innenraumlufthygiene und die Vermeidung von Schadstoffen in Bauprodukten. Der Aufwand für die Nachhaltigkeitszertifizierung ist vergleichsweise hoch, bereichert aber den Planungsprozess enorm. Die Auseinandersetzung sollte so früh wie möglich beginnen. Spätestens bei der Ausschreibung sind Nachhaltigkeitsaspekte und Pflichtenhefte zu integrieren. Günstig wäre bereits die Adressierung im Wettbewerbsverfahren.

Die Louise-Otto-Peters-Schule verbindet ein behagliches Umfeld mit einer erneuerbaren Energieversorgung. Um das Konzept einer Plus-Energie-Schule tragfähig zu machen, werden derzeit sechs weitere Bildungsbauten durch den Bund gefördert und über Monitorings evaluiert.

Ausgangspunkt für das Energiekonzept war 2014 der Passivhausstandard.

Gegenüber einem üblichen Neubau können in der Nutzung bis zu 65 t CO2 pro Jahr eingespart werden.

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