Trinkwasserhygiene

Erhalt der Wassergüte ist kein Hexenwerk

Installationen werden so montiert, dass an jeder Entnahmearmatur Trinkwasser in hoher Güte zur Verfügung steht. Dafür ist ein „bestimmungsgemäßer Betrieb“ notwendig, der von einem regelmäßigen und vollständigen Wasserwechsel ausgeht. Mieter hingegen haben das verständliche Interesse, ihre Betriebskosten so weit wie möglich zu minimieren. Dadurch sind vielfach der „bestimmungsgemäße Betrieb“ und damit die Trinkwassergüte in der Wohnung gefährdet.

Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) fordert im § 17: „(…) Anlagen für die (…) Verteilung von Trinkwasser (…) sind mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu planen, zu bauen und zu betreiben“. TGA-Planer und Fachhandwerker kennen das zugehörige Regelwerk mit seinen zahlreichen Richtlinien zum Erhalt der Trinkwassergüte in Gebäuden. Und selbstverständlich berücksichtigen sie diese bei der Planung und Installation. Im Regelwerk finden sich aber auch wichtige Hinweise zum fachgerechten Betrieb von Trinkwasser-Installationen, so dass hygienische Risiken für die Nutzer gar nicht erst entstehen können. Dieses Wissen zum fachgerechten Betrieb dringt jedoch nur langsam zum Gebäudeeigentümer  vor – und noch langsamer bis zum Nutzer. Dadurch können mikrobielle Kontaminationen im Trinkwasser von Nutzungseinheiten und Wohnungen entstehen, die allein auf einen unzureichenden Wasserwechsel zurückzuführen sind. Und das, obwohl die zuführenden Leitungen Wasser von einwandfreier Beschaffenheit liefern. Die Krux liegt also darin, dass Vermieter und Mieter oftmals ihre Verantwortungsbereiche und die Konsequenzen aus einem unzureichenden oder zu selten Wasserwechsel nicht kennen: Für die hygienisch einwandfreie Trinkwassergüte in den zuführenden Leitungen bis zu den Wohnungen steht allein der Hauseigentümer in der Pflicht. Ist dort die Qualität in Ordnung, nicht aber an den Entnahmestellen innerhalb einer Wohnung, liegt dies im alleinigen Verantwortungsbereich des Mieters, soweit die Installation auch dort den allgemein anerkannten Regeln der Technik
(a .a. R. d. T.) entspricht.

Die Pflicht zur Prüfung des Trinkwassers auf Legionellen in Großanlagen in Wohnbauten besteht seit der Änderung der Trinkwasserverordnung vom 28. November 2011. Die Notwendigkeit dieser Untersuchungspflicht wird bestätigt durch die aktuelle Auswertung des Robert-Koch-Institutes. Sie zeigt, dass fast 80% der gemeldeten und einem Entstehungsort zuordenbaren Legionelleninfektionen in Deutschland im häuslichen Umfeld entstehen (Bild1).  Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass bei Verstößen gegen die Untersuchungspflicht nicht nur ein Bußgeld, sondern unter Umständen auch erhebliche Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche für die betroffenen Mieter bzw. deren Erben drohen. Zusätzlich senkte der Bundesgerichtshof (BGH)  2015 die rechtlichen Voraussetzungen zur Beweisführung durch den geschädigten Mieter und erweiterte den Zeitraum für mögliche Schadensersatzansprüche auf die Zeit vor Ende 2011 und damit vor dem in Krafttreten der eigentlichen Untersuchungspflicht (BGH, 06.05.2015 - VIII ZR 161/14). Weiterhin ist nach Ansicht von Richtern ein Mietobjekt schon dann mangelhaft, wenn es nur in der Befürchtung einer Gefahrverwirklichung genutzt werden kann (AG Dresden, Urteil vom 11. November 2013 – 148 C 5353/13 –).

Definition für Vermieter oft unklar: Was ist eine Betriebsunterbrechung?

Die folgende Tabelle 1 verdeutlicht die im Regelwerk festgelegten Zeiträume für einen bestimmungsgemäßen Betrieb von Trinkwasser-Installationen. Darüber hinaus zeigt sie auch, was bei Betriebsunterbrechungen zu tun ist. Schon nach max. 3 Tagen liegt gemäß VDI 6023 eine Betriebsunterbrechung vor, der mit Gegenmaßnahmen begegnet werden muss. Allerdings kann dieser Zeitraum auch auf die max. 7 Tage der DIN EN 806-5 ausgedehnt werden, wenn die Sicherheit dieser Fristverlängerung durch hygienische Untersuchungen belegt werden kann – wobei solche hinsichtlich ihrer Kosten-Nutzen-Relation kaum sinnvoll sein können. Bei den genannten Zeitspannen handelt es sich um reine Erfahrungswerte und nicht um wissenschaftlich belegbare Fristen. Daher können sie je nach Gegebenheiten nach oben oder auch nach unten abweichen. Denn ein übermäßiges Bakterienwachstum hängt immer von mehreren Faktoren gleichzeitig ab, so dass man auch in Zukunft keine exakteren Stagnationszeiten erwarten darf.  Aus Erfahrung weiß man jedoch, dass die aktuellen Erfahrungswerte ausreichend sicher sind.

Wie kann das Bakterienwachstum planerisch/technisch beeinflusst werden?

Drei wesentliche Faktoren können ein übermäßiges Bakterienwachstum in Trinkwasser-Installationen beeinflussen:

1. günstige Wachstumstemperaturen

2. ausreichend Zeit für eine übermäßige Vermehrung und

3. die Menge an verfügbaren Nährstoffen

Krankheitserreger wachsen in aller Regel optimal bei Körpertemperatur, also bei etwa 37 °C. Daher muss gemäß Regelwerk ein Kaltwasser (Rohrkennzeichnung PWC [Potable Water Cold]) von dauerhaft nicht über 25°C und ein Warmwasser (Rohrkennzeichnung PWH [Potable Water Hot]) von mindestens 55°C angestrebt werden. Allerdings gibt es auch unter den Krankheitserregern Spezialisten wie das Bakterium Pseudomonas aeruginosa, das selbst im Kühlschrank und ohne Sauerstoff mittels Nitratatmung (!) wachsen kann.

Für eine übermäßige Vermehrung benötigen Bakterien Zeit – die man nur durch einen regelmäßigen und vollständigen Wasserwechsel auf eine unbedenkliche Zeit­­spanne minimieren kann. Dann ist die „Verdünnungsrate“ höher als die Vermehrungsrate und die Bakterienzahlen bleiben im unkritischen Bereich. Das wussten schon die vielzitierten „alten Römer“, die mittels Fernwasserleitungen und Laufbrunnen ihre Städte versorgten und damit die bis heute wichtigste Maßnahme zur Sicherstellung der Trinkwasserhygiene begründeten. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass man beispielsweise einer übermäßigen Vermehrung von Legionellen – die sich nur alle ca. 3 bis 4 Stunden und damit relativ langsam verdoppeln – trotz suboptimaler Temperaturen durch einen hohen Wasserwechsel entgegenwirken kann. Den Beweis, dass dies wirkungsvoll funktioniert, liefern beispielsweise Kleinanlagen,  bei denen ein hoher Wasseraustausch die Regel ist. Hier dürfen aufgrund des hohen regelmäßigen Wasseraustauschs die Temperaturen auf minimal 50°C abgesenkt werden, wenn der Nutzer bei der Übergabe auf mögliche Risiken hingewiesen und ihm ein Wartungsvertrag angeboten wurde (DVGW W 551). 

Der dritte wesentliche Faktor für eine überhöhte Bakterienvermehrung ist der Nährstoffgehalt des Wassers: Trinkwasser in der hohen Güte des Wasserversorgers enthält nur sehr wenig Nährstoffe, weshalb zum Beispiel eingangsseitige Maßnahmen zur Minimierung des Nährstoffgehaltes weder aus hygienischer noch aus wirtschaftlich Sicht Sinn machen, da solche Systeme zumeist teure Maßnahmen zur Absicherung mittels freiem Auslauf vom Typ AA, AB oder AD  benötigen (DIN EN 17171, DIN 1988-100).

Da das vom Versorger gelieferte Trinkwassert also nur sehr wenige Nährstoffe enthält, kommt in dieser Hinsicht den Bauteilen und Komponenten der Trinkwasser-Installation eine besondere Bedeutung zu. Daher sind im deutschen Regelwerk Anforderungen an die chemische und hygienische Qualität der verwendeten Werkstoffe festgelegt (vergl. auch TrinkwV § 17). Insbesondere sind hier die Anforderungen an organische Werkstoffe gemäß KTW (Zulassungsfähige organische Komponenten, Geruchsschwellenwert etc.) und DVGW W 270 (Prüfung auf einen maximal erlaubten mikrobiologischen Bewuchs) zu nennen. Werden nur Bauteile mit diesen entsprechenden „Hygiene-Nachweisen“ verwendet, darf man von einer ausreichenden Minimierung der Nährstofffracht und damit von einem minimierten Bakterienwachstum durch Werkstoffbestandteile ausgehen.  Mehr als eine solche „Minimierung“ kann man auch gar nicht erreichen, denn sterile Systeme sind mit keiner technischen Maßnahme in der Trinkwasser-Installation möglich.

Da man also in einer Trinkwasser-Installation keinen der genannten drei Faktoren so weit minimieren kann, dass ein übermäßiges Bak­terienwachstum automatisch ausbleiben würde, sind technisch immer alle drei Wachstumsfaktoren zu beeinflussen.

Warum auch der Mieter für die Wasserbeschaffenheit seiner Wohnung verantwortlich ist

Im Rahmen des BMBF Forschungsprojektes „Biofilm-Management“ (2010 bis 2014) wurden u. a. Großgebäude auf das Auftreten von Legionellen untersucht. Verantwortlich war ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. med. Kistemann, Direktor des Kollaborationszentrums der Weltgesundheitsorganisation (WHO CC for Health Promoting Water Management and Risk Communication) und stellvertretender Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit in Bonn. Eine Auswertung der Untersuchungen ergab, dass das Auftreten von Legionellen einer hohen zeitlichen Varianz unterliegt: An ein und derselben Entnahmestelle wurden über den Tag hinweg sehr unterschiedliche Legionellenzahlen ermittelt. Diese lagen teilweise deutlich unter dem technischen Maßnahmenwert von 100 Legionellen/100 ml, zu einem anderen Zeitpunkt aber auch deutlich über 10.000 Legionellen/100 ml, sodass in den einem Fall keine und in dem anderen Fall sogar Sofortmaßnahmen zum Schutz der Nutzer notwendig waren wie z. B. ein Duschverbot (Bild 3).

Diese Ergebnisse zeigen, wie wenig repräsentativ Einzelergebnisse für ein Gebäude sein können. Dies ist bei der Probenahmestrategie und der Anzahl der Probenahmen, die an einem Tag stattfinden müssen (DVGW twin 06), zu berücksichtigen.  Grundsätzlich muss bei überhöhten Werten aufgrund einer orientierenden Untersuchung immer eine systemische Untersuchung folgen (DVGW W551) und die notwendigen Schutzmaßnahmen für die Nutzer sind nach dem ungünstigsten Befund auszuwählen.

Es stellt sich aber auch die Frage, warum es eine solch hohe Varianz an den Probenahmestellen geben kann. Eine mögliche Antwort liefert die Abbildung  4. Dargestellt sind die Befunde eines Gebäudes. Sie zeigen, dass trotz einer regelwerkskonformen Auswahl der Probenahmestellen gemäß DVGW W 551 eine Kontamination mit Legionellen in einem Gebäude nicht sicher erkannt werden kann. Denn im Vor- und Rücklauf der Warmwasserzirkulation und am Ende des längsten Fließweges liegen keine Auffälligkeiten vor. Das bedeutet, die Anlage ist grundsätzlich in der Lage, hygienisch einwandfreies Trinkwasser im Hinblick auf Legionellen zu liefern – mehr kann man von einem Planer, Installateur oder Gebäudeeigentümer weder verlangen noch erwarten.

Weitet man dann jedoch in diesem Gebäude die Auswahl von Probenahmestellen über die im Regelwerk geforderten Stellen aus, ergibt sich ein neues, auf den ersten Blick überraschendes Bild: Es wurden überhöhte Legionellenzahlen an verschiedenen Probenahmestellen festgestellt. Diese Stellen waren unter dem Gesichtspunkt von seltenen oder geringen Wasserentnahmen ausgewählt worden. Diese Untersuchungsergebnisse zeigen demnach, dass die Hauptleitungen einer technisch einwandfreien Installation, die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik geplant, installiert und im Verantwortungsbereich des Gebäudeeigentümers auch so betrieben werden, keine überhöhten Legionellenzahlen auftreten, wohl aber in den Bereichen, in denen der Nutzer seiner Pflicht zum regelmäßigen und vollständigen Wasserwechsel nicht nachkommt!

Für die Wohnungswirtschaft bedeutet dies, dass der „Sparwunsch“ vieler Mieter beim Wasserverbrauch also hygienische Probleme verursachen kann, auf die der Vermieter keinen Einfluss hat. Durch die Einführung von Wasserzählern im Wohnungsbau – bislang sind diese fast ausschließlich für den Neubau über die Landesbauordnungen vorgeschrieben – wird sich diese Problematik zukünftig weiter verschärfen. Vermieter können dieser Situation kaum entgegentreten, außer den Mieter bereits im Mietvertrag auf seine Pflicht zum regelmäßigen Wasserwechsel und die möglichen hygienischen Risiken allgemeinverständlich hinzuweisen. Nach Ansicht von Herrn Prof. Dr. Jörg Zeller, Fachanwalt für Bau- & Architektenrecht, Koblenz, kann sich diese Ergänzung an den oftmals bereits vorhanden Empfehlungen zur regelmäßigen Wohnraumlüftung und den möglichen Risiken des Schimmelpilzwachstums bei unzureichender Lüftung orientieren.

Planerische Maßnahmen zur Optimierung des Wasseraustauschs

Wie kann man also planerisch den so wichtigen und in der VDI 6023 und der DIN EN 806-5 geforderte regelmäßigen Wasserwechsel fördern? Die Grundlage bilden die fachgerechte Dimensionierung der Trinkwasser-Installation und Minimierung der Anzahl von Entnahmestellen sowie deren maximale Entfernung von einer Hauptleitung.  Schlanke Installationen (druckverlustarme Systeme) und die in Bild 5 dargestellte optimale Anordnung der Entnahmestellen fördern den Wasserwechsel bereits im späteren Betrieb – und das ohne besondere Spülstationen am Ende der Leitungen.

Denn nur in Ausnahmefällen werden spezielle Spüleinrichtungen benötigt. So zum Beispiel bei besonderen hygienischen Anforderungen, bei zu groß dimensionierten Alt­­installationen (bis zur Sanierung), bei überhöhten Wärmeübergängen in warm- und kaltgehenden Leitungen in Schächten von Altbauten (bis zur Sanierung), beim Wunsch nach einer flexiblen Umnutzungsmöglichkeit in gewissen Gebäudebereichen oder bei vorhersehbar längeren Nutzungsunterbrechungen (vergl. Tabelle 1). In der Wohnungswirtschaft entstehen unerwünschte Nutzungsunterbrechungen vorrangig durch Leerstände, z. B. bei Vermietung von wenig attraktivem Wohnraum oder bei regionalem Wohnungsüberangebot. Im gehobenen Wohnungsbau müssen häufige und längere Abwesenheitszeiten (z. B. durch Urlaube oder Geschäftsreisen) berücksichtigt werden.

Auch die maximale Länge von Fließwegen zu Entnahmestellen bzw. ohne Warmwasserzirkulation sind im Regelwerk teilweise neu festgelegt. So dürfen Stichleitungen nicht nur im Warmwasserbereich, sondern auch im Kaltwasserbereich maximal 3 Liter aufweisen (DIN 1988-200, Kap. 8.1). Gerade im Geschosswohnungsbau kann diese „max. 3 Liter-Regel“ auf der Warmwasserseite kaum ausgeschöpft werden. Um einen komfortablen Betrieb sicherzustellen, sollte die Anforderungsstufe nach VDI 6003 Kat. II umgesetzt werden. Sie setzt die schnelle Bereitstellung von 42-grädigem Duschwasser (9l/min) innerhalb von 10 Sekunden voraus. Um diese Werte technisch realisieren zu können, darf das nichtzirkulierende Volumen in der Stichleitung nach eigenen Berechnungen nur noch rund 1,2 Liter betragen. Ein anderes „Hygiene- und Komfortkriterium“ findet sich in der DIN 1988-200, Kap. 3.6. Es besagt, dass nach 30 Sekunden das Kaltwasser höchstens 25°C und Warmwasser mindestens 55°C betragen muss. Für das Warmwasser sind diese Anforderungen sicherlich kaum ein Problem, aber für das Kaltwasser ist dies eine planerische Herausforderung bei der Leitungsführung. Der Grund: Nach etwa 30 Sekunden stammt das an der Entnahmearmatur austretende Wasser zumeist aus dem Installationsschacht, in dem die Trinkwasserleitung ‘kalt‘  aufgrund benachbarter warmgehender Leitungen und trotz regelwerksgerechter Dämmung bei längeren Stagnationszeiten oftmals deutlich mehr als 25°C aufweist. Unter diesen Bedingungen trägt also nur ein regelmäßiger Wasserwechsel zum Erhalt der Trinkwassergüte bei. Dieser kann über die Entnahmestellen in den Wohnungen, unter Umständen aber auch über separate Spülventile am Ende der Steigleitung des Schachtes gewährleistet werden. Getrennte Schächte für warm- und kaltgehende Leitungen sind sicherlich der Königsweg, der aber viel zu häufig an einer nicht hygienegerechten Größe und Platzierung der Schächte im Gebäude scheitert.

Darüber hinaus gelingt es oft nicht, die baulichen Vorgaben der Architekten mit einer hygienisch sinnvollen Anordnung der Entnahmestellen in den Bädern in Einklang zu bringen. Zwar fordert die DIN EN 806-2 im Kapitel 8.1, dass Entnahmearmaturen mit geringer oder seltener Entnahme nicht am Ende einer langen Stichleitung (max. 3 Liter) platziert werden dürfen. Was im Umkehrschluss heißt, dass am Ende besser die am häufigsten genutzten Entnahmestellen angeordnet sein sollten: das WC und das Handwaschbecken. Leider ist vielfach an dieser Stelle kein verfügbarer Schacht für die Abwasserleitung des WCs vorgesehen, so dass diese hygienisch sinnvolle Anordnung des WCs dort nicht möglich ist. Dann hilft nur noch, mittels Rohrführung die Toilette endständig einzubinden, selbst wenn sie räumlich am Anfang der Leitung platziert sein sollte.

Im gehobenen Wohnungsbau mit zu erwartenden längeren Betriebsunterbrechungen kommen idealerweise WCs mit einer automatischen Stagnationsspülung zum Einsatz. Ein solches WC kann z. B. alle 24 Std. selbsttätig eine Spülung auslösen, wenn innerhalb dieses Zeitraums keine Nutzung erfolgt ist (Bild 6). Dadurch wird zumindest die Kaltwasser-Installation regelmäßig gespült. Ein solches WC mit Stagnationsspülung schützt indirekt auch die benachbarte Wohnung, weil kein kontaminiertes Wasser aus dem Abzweig der ungenutzten Wohnung in die Steigleitung zur genutzten Nachbarwohnung gelangen kann.

Allerdings erfordert auch der Einsatz von WC-Spülkasten mit automatischer Stagnationsspülung vom Mieter nach seiner Rückkehr „kleinere“ Hygienemaßnahmen: Alle Auslaufarmaturen an Dusche, Badewanne und Waschplätzen einschließlich der Küchenspüle sollten vor der ersten Nutzung geöffnet werden, um ausreichend Wasser abfließen zu lassen. Entfallen kann diese Maßnahme nur, sofern auch diese Armaturen über eine Stagnationsspülung verfügen (Bild 7).

Mindestens aber sollten die Mieter im Mietvertrag darüber informiert und dazu verpflichtet werden, bei längerer Abwesenheit gemäß Tabelle 1 die Absperreinrichtungen für die Kalt- und Warmwasserleitungen der Wohnung zu schließen. So wird der Einfluss der ungenutzten Wohnung auf die Wassergüte in der Steigleitung auf ein akzeptables Maß begrenzt. Diese Absperreinrichtungen müssen ja ohnehin je Wohnung und Steigstrang vorhanden sein (DIN EN 806-2 Kap. 7.1). Sie sollten sich aus strömungstechnischen Gründen so nahe wie möglich am Abzweig befinden – also möglichst mit einem Abstand von nicht mehr als ca. 2 x bis max. 3 x d des Durchmessers der Steigleitung.

Fazit

Der Erhalt der Wassergüte in der Trinkwasser-Installation von Wohngebäuden ist kein unbeherrschbares Hexenwerk, solange man sich bei Planung, Bau und Betrieb an die allgemein anerkannten Regeln der Technik hält. Während jedoch TGA-Planer und Fachhandwerker diese Regeln der Technik kennen und anwenden, sind oftmals Architekten über die hygienisch sinnvolle Anordnung von Versorgungsschächten sowie die meisten Nutzer einer Trinkwasser-Installation über die möglichen hygienischen Folgen einer unzureichenden Nutzung nur unzureichend informiert.  Dabei kann die hohe Wassergüte des Versorgers noch auf dem letzten Meter in der Wohnung verloren gehen, obwohl der Vermieter alles getan hat, um die einwandfreie Trinkwasserqualität bis dahin sicher zu stellen. Grundsätzlich ist auf Basis der dargestellten Untersuchungsergebnisse davon ausgehen, dass in der Vergangenheit Vermieter häufig zu Unrecht Mietkürzungen hinnehmen mussten, obwohl die Wassergüte ausschließlich in einer Wohnung, nicht aber in den zuführenden Hauptleitungen verloren gegangen ist. Hiergegen hilft nur eine Sensibilisierung der Mieter für die Problematik und eine entsprechende Verpflichtung zum regelmäßigen Wasseraustausch im Mietvertrag.  Vermieter, die ihren Mietern im gehobenen Wohnungsbau mehr Komfort bieten möchten, können die Wohnungen durch Auslaufarmaturen und WC-Spülkästen mit einer nutzungsbezogen Stagnationsspülung ausstatten lassen. In diesem Fall übernimmt die Elektronik den Wasserwechsel für jeden Hausbewohner automatisch – auch wenn dieser drei Wintermonate im Süden verbringt.

Quellen Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2016 (BGBl. I S. 459), die durch Artikel 4 Absatz 21 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) geändert worden ist. Ergebnisse von Untersuchungen durch ein Team um Prof. Dr. med. Kistemann, Direktor des Kollaborationszentrums der Weltgesundheitsorganisation (WHO CC for Health Promoting Water Management and Risk Communication) und stellvertretender Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit, Bonn 2010 bis 2014.
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