Aufzüge machen den Weg frei

Hürde genommen: Die Wohnungsbaugenossenschaft „Neues Berlin“ lässt in 33 ihrer Gebäude nicht nur die Aufzugsanlagen umbauen, sondern gleichzeitig auch den Zugangsbereich. Vom Gehweg sollen die Bewohner ohne Barrieren bis in die zehnte Etage gelangen.

Was nützt ein Aufzug, wenn ihn nicht jeder Mieter erreichen kann? Allein der Zugang zu einem Wohnhaus gestaltet sich häufig schwieriger als gedacht: Stufen vor der Haustür werden zu einer ernsthaften Herausforderung für ältere und gehbehinderte Bewohner. Zudem sind viele Anlagen zu klein, um sie mit einem Rollator oder Rollstuhl ohne Einschränkungen zu nutzen und verfügen über keine ausreichende Haltegenauigkeit. Die Folge: Der Aufzug kann nicht den gewünschten Beitrag zu einer barrierearmen Wohnsituation leisten.

Die Wohnungsbaugenossenschaft „Neues Berlin“ hat diese Problematik erkannt und setzt seit langem ein Gesamtkonzept um, das allen Altersgruppen ein selbstständiges Wohnen ermöglichen soll. Ein Bestandteil davon sind auch die Aufzugsanlagen, die seit 2011 in 33 Gebäuden umgebaut werden. Ziel dieser Umrüstung ist, dass alle Bewohner ihre Wohnungen vom Gehweg bis in die zehnte Etage erreichen können – ohne auf diesem Weg eine einzige Stufe nehmen zu müssen.

Mieter freuen sich über modernes Wohnumfeld

Die Wohnungsbaugenossenschaft besitzt in der Hauptstadt mehr als 5000 Wohnungen in 83 Gebäuden. Die 33 betroffenen Plattenbauten wurden in der ehemaligen DDR errichtet und stammen allesamt aus den 80er Jahren. Dennoch können sich die Bewohner über ein modernes Wohnumfeld freuen: Alle Häuser werden regelmäßig saniert und entsprechen beispielsweise den energetischen Anforderungen im vollen Maße.

Die Wohnungen selbst können ebenfalls altersgerecht umgerüstet werden. So bietet „Neues Berlin“ den Bewohnern Haltegriffe für die Badewanne oder ebenerdige Duschen an. Diese baulichen Veränderungen sind eine große Hilfe für Menschen, die auch mit Einschränkungen selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden bleiben wollen. Die Umbauten an den Aufzugsanlagen sollen nun den nächsten Schritt zu einer barrierearmen Lebensweise darstellen: „Viele unserer Mieter sind als frisch verheiratetes Paar eingezogen, haben hier Kinder groß gezogen und möchten in der Wohnung alt werden, mit der sie so viele Erinnerungen verbinden. Warum sollen sie ihre vertraute Umgebung also verlassen?“, fragt Jessica Linke, Leiterin des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit bei „Neues Berlin“, und fügt erklärend hinzu: „Der Wohnraum soll durch die Umbauarbeiten an die individuellen Bedürfnisse der Bewohner angepasst werden. Da dürfen die Stufen am Hauseingang natürlich nicht außer Acht gelassen werden.“

Für die Neuerungen hat sich die Wohnungsbaugenossenschaft den Aufzugshersteller Merkur Schoppe an die Seite geholt – ein regionaler Anbieter, der zum deutschlandweiten Netzwerk der Haushahn-Gruppe gehört. Für den Auftragnehmer handelt es sich um ein besonderes Projekt: „Für uns war das eine neue Größenordnung, die wir nicht zuletzt durch die Unterstützung des großen Haushahn-Netzwerks bewältigen konnten. Das gesamte Team leistet zudem gute Arbeit, so dass wir das Projekt pünktlich abschließen werden“, berichtet Henry Zirgiebel, der verantwortliche Haushahn-Vertriebsmitarbeiter. Inzwischen wurden 26 der 33 Anlagen fertiggestellt. Die Arbeiten werden Mitte des Jahres beendet sein.

Haltestelle auf Gehwegniveau

Der Aufzugshersteller liegt also gut in der Zeit. Dabei sind die Umbaupläne durchaus anspruchsvoll: An jedem der Häuser wird neben einer neuen Aufzugsanlage eine weitere Haltestelle auf Gehwegniveau eingebaut. Zu diesem Zweck wurde die Grubenunterfahrt, also der untere Luftraum zwischen Kabine und Schachtboden, auf das technisch machbare Minimum reduziert: „Die Unterfahrt wurde in unserem Konzept sehr flach auf 450 mm geplant“, erläutert Henry Zirgiebel. „Es handelt sich bei unserem Vorhaben um eine technische Sonderlösung. Wir mussten eine zusätzliche mechanische und elektronische Schutzraumabsicherung einplanen, die von der zugelassenen Überwachungsstelle abgenommen wurde.

Energieeffizienzklasse A senkt die Betriebskosten

Neben dem erleichterten Wohnungszugang legte der Auftraggeber allerdings auch Wert auf andere Faktoren: „Ebenso wichtig ist dem Kunden ein niedriger Energieverbrauch. Dementsprechend haben wir ein besonders sparsames Antriebssystem eingeplant, das auf einem getriebelosen Antrieb und einer modernen Steuerungstechnik basiert“, sagt Zirgiebel. Die neuen Aufzugsanlagen werden in der niedrigsten Energieeffizenzklasse A eingestuft. Die Steuerungstechnik sorgt zudem für eine größere Haltegenauigkeit und beugt einer kritischen Stufenbildung beim Ausstieg vor. LEDs in den Tableaus und der Kabinenbeleuchtung sorgen desweiteren für einen geringeren Stromverbrauch als zuvor.

Wie in derartigen Objekten üblich, war die Laufruhe der neuen Anlagen ein weiterer Punkt, den es zu beachten galt. Die Anlagen laufen deshalb mit Schallemissionswerten von unter 50 db und sind damit sehr ruhig. Der Schacht ließ zudem eine Erweiterung der Kabinengrundfläche zu. Die Traglast der Anlagen wurde von 500 auf 1000 kg erhöht, so dass nun 13 Personen gleichzeitig in einem Aufzug fahren können.

Pilotprojekt optimierte die Arbeitsprozesse

Diese Neuerungen kommen bei der Wohnungsbaugenossenschaft gut an: „Unser Auftraggeber ist sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Das macht uns natürlich stolz.“ Den Grundstein dafür legte eine gezielte Vorbereitung: In einem Pilotprojekt wurden die Arbeiten vorerst an zwei Gebäuden durchgeführt. So konnten die Arbeitsprozesse optimiert werden, und das Team spielte sich ein.

Für die Fertigstellung einer einzelnen Anlage werden inklusive Vor- und Nachbereitung nur sechs Wochen benötigt: „Der straff organisierte Montageplan ist die größte Herausforderung und stellt höchste Ansprüche an unsere Mitarbeiter“, erläutert Zirgiebel. Zweifel am pünktlichen Abschluss des Projektes hat er nicht: „Etwaige Probleme werden kurzerhand mit der Bauleitung besprochen und zeitnah abgestellt.“ Dass die Zusammenarbeit auch zwischen der Wohnungsbaugenossenschaft „Neues Berlin“ und Haushahn gut funktioniert, zeigt sich daran, dass der Auftraggeber den Aufzugshersteller bereits jetzt für fünf Jahre mit der Wartung aller Anlagen beauftragt hat.

Barrierearme Wohnsituation nicht nur für ältere Bewohner

Bei den Bewohnern finden die Änderungen Anklang: „Die neu geschaffenen Hauseingänge kommen den körperlich eingeschränkten Mietern sehr zugute. Aber auch Eltern mit Kinderwagen und Personen mit schwerem Gepäck profitieren davon. So sichern wir uns auch zukünftig die Vermietbarkeit bei einer älter werdenden Mieterschaft“, sagt Jessica Linke. An dem Projekt der Wohnungsbaugenossenschaft „Neues Berlin“ zeigt sich, dass eine barrierearme Wohnsituation eben nicht nur durch den demografischen Wandel geprägt ist. In unserer Gesellschaft profieren alle von weniger Schranken im Alltag – auch die allerjüngsten.

Stufen vor der Haustür werden zu einer ­ernsthaften Herausforderung für ältere und gehbehinderte Bewohner.

Die neuen Aufzugsanlagen werden in der niedrigsten Energieeffizenzklasse A eingestuft.

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