Kommunale Kon­zepte zum Wohnen

Das Forschungsprojekt „Kommunale Konzepte: Wohnen“ schließt an die Vorstudie „Kommunale Wohn­raumversorgungskonzepte“ an, die zunächst eine bundesweite Bestandsaufnahme vorhandener Konzepte vornahm und durch Modellvorhaben unterstützte. Erste Ergebnisse aus dem For­­schungsfeld werden hier vorgestellt.

Die Erkenntnis ist nicht neu: Die örtlichen und regionalen Wohnungsmärkte differieren zunehmend. Von angespannten bis zu entspannten Wohnungsteilmärkten, von hohen Bestandteilen an Großwohnsiedlungen bis zu großflächigen Einfamilienhausgebieten, von hohen Anteilen kommunaler Wohnungsanbieter bis zu überwiegend privaten Einzeleigentümern, Wohnungsleerstände, Nachfrageüberhänge, Segregationstendenzen. Im Fokus der Wohnungspolitik stehen u.a. die Wohnraumversorgung von Haushalten mit Kindern, von einkommensschwachen Haushalten sowie von Arbeitslosengeld II-Beziehern, die Festlegung der Angemessenheitsgrenzen der Unterkunftskosten für diese Mieter, der demografische Wandel und die Privatisierung von kommunalen Wohnungsbeständen. Mit umfassenden Konzepten oder auch Teilkonzepten zum Thema Wohnen können die Kommunen die örtlichen Verhältnisse berücksichtigen und Markttransparenz und Planungssicherheit für die Beteiligten herstellen.
Das ExWoSt-Forschungsfeld „Kommunale Konzepte: Wohnen“, das gemeinsam mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden entwickelt wurde, hat solche Ansätze kommunaler Handlungsstrategien von 2007 bis Ende 2009 erprobt. Im Rahmen der modellhaften Entwicklung von Konzepten mit wohnungspolitischem Schwerpunkt wurden die Anforderungen des Grundbedürfnisses Wohnen in der jeweiligen Gemeinde oder auch in interkommunalen Zusammenhängen analysiert und mit anderen kommunalen Interessen, etwa der Haushaltskonsolidierung oder der Stadtentwicklung abgewogen. Verschiedene Instrumente zur Umsetzung wurden modellhaft erprobt. Das Forschungsprojekt „Kommunale Konzepte: Wohnen“ schließt an die Vorstudie „Kommunale Wohnraumversorgungskonzepte“ an, die zu­­nächst eine bundesweite Bestandsaufnahme vorhandener Konzepte vornahm, diese analysierte und Handlungsempfehlungen erarbeitete sowie die Anregung enthielt, die weitere Verbreitung und Qualifizierung kommunaler Konzepte zum Wohnen durch Modellvorhaben zu unterstützen.
Ausgehend von 42 Interessenbekundungen wurden acht Modellvorhaben sowie eine Interkommunale Plattform ausgewählt. Die Modellprojekte erhielten nach den jeweiligen Anträgen eine Zuwendung des Bundes für die wissenschaft­liche Begleitung ihrer konkreten Vorhaben. Die Forschungsassistenz wurde GEWOS über­tragen.
 
Die Modellvorhaben im Kurzportrait
–    Hildesheim: Erstmalige gesamtstädtische Konzepterstellung vor dem Hintergrund eines sich zunehmend entspannenden Wohnungsmarktes und Realisierung erster Schlüsselprojekte in einem Innenstadtquartier. –    Cuxhaven: Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und sinkender Bevölkerungszahlen Schaffung einer unabhängigen Anlaufstelle für ältere Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern und Erwerbsinteressenten zur Vermeidung von Leerstand und damit Stärkung der Innenentwicklung. Nach Durchführung einer Marktanalyse des Wohnungsbestandes wird das Konzept des „Wohnlotsen“ entwickelt und dessen Aufgabenprofil konkretisiert.
–    Halle/Saale als Beispiel einer schrumpfenden, ostdeutschen Stadt: Erarbeitung eines „Fachkonzeptes Wohnen“ im Kontext der Fortschreibung des integrierten Stadtentwicklungskonzeptes. Die Perspektiven der Großwohnsiedlungen sowie der gründerzeitlichen Altbaubestände wurden diskutiert und Wohnungsmarktszenarien auch in teilräumlicher Differenzierung entwickelt. Des Weiteren setzt sich das Konzept mit der Wohnraumversorgung der Haushalte im Niedrigeinkommensbereich und der Schaffung attraktiver Wohnungs­angebote für Senioren und Haushalte mit Kindern auseinander.
–    Bonn: Entwicklung eines Kommunalen Konzeptes in einer dynamisch wachsenden Region in Verbindung mit dem vorliegenden regionalen Handlungskonzept “Wohnungspolitik 2020“. Als Ergebnis des Bearbeitungsprozesses wurden Leitlinien zur nachfrageorientierten Wohnungsbauentwicklung vorgelegt.
–    Leipzig: Erstellung eines Wohnraumversorgungskonzeptes als Teil des „Fachkonzeptes Wohnen“, welches in die Fortschreibung des städtebaulichen Entwicklungskonzeptes mit einfließt. Ziel war es, den Wohnungsbedarf nach Stadträumen, Wohnformen und Nachfragergruppen (ALG II-Empfängern, Senioren, Studenten und Familien) unter den Rahmenbedingungen des Stadtumbaus zu differenzieren. –    Dortmund: Durchführung einer kleinräumigen Potenzialanalyse einzelner Wohnquartiere unter Anwendung der Stärken- und Schwächen-Analyse mit der Beteiligung verschiedener Akteure (Wohnungswirtschaft, Bewoh­­ner). –    München: Erwerb von Belegungsrechten im B­­­­estand bei Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften sowie privaten Eigentümern als Strategie zur Sicherung der sozialen Wohnraumversorgung in einer wachsenden Stadt mit Marktanspannung. Es wurde ein Berechnungsmodul für die Bewertung von Belegungsrechten entwickelt, auf dessen Grundlage Belegungsrechte erworben wurden.
–    Hamburg: Aufbau eines Housing Improvement Districts (HID) – deutschlandweit zum ersten Mal – als neues wohnungspolitisches Instrument mit dem Ziel, Eigentümer verstärkt in die Aufwertung und damit Stabilisierung von Wohnquartieren mit einzubeziehen und auch finanziell zu beteiligen. –    Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main: Aufbau einer „Interkommunalen Plattform: Wohnen“ durch die freiwillige Zusammenarbeit mehrerer Gemeinden beim Thema Wohnen in der Region.
 
Ergebnisse aus dem Forschungsfeld –    Eine effektive Steuerung der Wohnungsmarktentwicklung kann nur durch ein konsensfähiges Gesamtkonzept zum Thema Wohnen sowie den „unbedingten“ politischen Willen, die Maßnahmen schließlich für verbindlich zu erklären, gelingen.
–    Der Leistungsumfang „Kommunaler Konzepte: Wohnen“ sollte sich immer individuell an den lokalen Rahmenbedingungen für die Wohnungsmarktentwicklung und den kommunalen Finanzbudgets orientieren. –    Kommunale Fachkonzepte setzen eine fundierte Datengrundlage voraus und bieten damit die Basis für eine verbesserte Kommunikation zwischen Politik, Verwaltung und Wohnungswirtschaft und nicht zuletzt bessere Argumentationsmöglichkeiten zur Formulierung und Umsetzung der Ziele. Sie eignen sich, um Akteure zu sensibilisieren und zu aktivieren, die Ziele der unterschiedlichen Akteure miteinander abzustimmen, die Investitionsbereitschaft der Akteure aufgrund von Planungssicherheit zu erhöhen und sie eignen sich auch für die Öffentlichkeitsarbeit.
–    Probleme während der Erstellung/Umsetzung der Konzepte lassen sich mittels fundierter externer Beratung, der neutralen Moderation des Prozesses, der frühzeitigen Einbindung der Politik, durch die Unterstützung und Begleitung der übergeordneten Stellen und dem fachlichen Austausch der Kommunen beheben.
–    Faktoren, die die Erstellung eines Wohnungsmarktkonzeptes verzögern oder die Umsetzung einzelner Maßnahmen verhindern, sind vor allem eine unzureichende Datenlage, ein mangelnder verwaltungsinterner oder politischer Rückhalt sowie begrenzte personelle oder finanzielle Ressourcen.
–    Die Einbindung privater Wohnungseigentümer gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund der Fokussierung auf Bestandsentwicklung an Bedeutung, wobei ihre Aktivierung schwierig ist (nicht organisiert, wenig finanzieller Spielraum, entgegenstehende Interessen). Der Nutzen einer Beteiligung muss vermittelt werden. –    Mit der parallelen Umsetzung erster konkreter Schlüsselprojekte lassen sich wichtige Anstoßeffekte gerade unter den externen Wohnungsmarktakteuren erzielen.
–    Ein Housing Improvement District (HID, siehe BundesBauBlatt Ausgabe 9/2009, Seite 8 ff.) kann präventiv wirken und sowohl bei konkreten Problemen eingesetzt als auch nachbereitend genutzt werden, z. B. beim Auslaufen von Sanierungsgebieten. Es ist dann erfolgversprechend, wenn das Quartier nicht zu groß ist, sich alle Beteiligten über die zu vereinbarenden Ziele und umsetzbare Maßnahmen einig sind und ein Konsens über die Abgrenzung zu städtischen Aufgaben erarbeitet werden kann.
Insgesamt hat sich erwiesen, dass „Kommunale Konzepte: Wohnen“ in der Praxis ein geeignetes Instrument für die Bearbeitung wohnungs- und stadtentwicklungspolitischer Aufgaben sind. Wenig Beachtung finden derzeit noch: die Rolle der kommunalen Wohnungsunternehmen, eine Gesamtbetrachtung der Haushalte im Niedrigeinkommensbereich und die Auseinandersetzung mit den Kosten der Unterkunft.

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